Das beinahe beängstigende Talent eines Jeff Lemire aus scheinbar bis zur Geschmacklosigkeit zerkauten Archetypen neue, köstliche Geschichten zu brauen, hat einen (vorläufigen) Höhepunkt in „The Nobody“ erreicht.
In seiner Interpretation von H.G. Wells Klassikers „The Invisible Man“ nähert sich Lemire dem Drama durch verstärkte Facetten der Protagonisten, fügt ihnen aber Dimension hinzu. Dem womöglich psychopathischen Griffin eines Wells entlehnt er einen unberechenbaren Einzelgänger mit undurchsichtigen Motiven, doch versieht ihn mit großer Schuld, die auf ihm lastet. Und um diesen feinen, aber entscheidenden Unterschied herauszustreichen, nennt er ihn Griffen. Und um diesen Griffen erfindet Lemire einen Thriller, den man in jedem Augenblick spüren kann. Doch durch die Linse von Vickie, der Tochter des Restaurantbesitzers, die eine freundschaftliche Beziehung zu Griffen aufbaut, rückt die soziale Metapher von Vorurteil, Neuanfang, Misstrauen und Vertrauen in den Vordergrund, während sich das Drama als tragendes Element neu definiert. Lemires Arbeiten scheinen das lang ersehnte Bindeglied zwischen alternativer Comic-Kultur und dem Mainstream zu sein. „The Nobody“ reiht sich perfekt neben seine Essex County Trilogie und der Serie „Sweet Tooth“ ein. Seine zukünftigen Werke werden mit großer Spannung erwartet.