Trouble

Wut im Anzug
Die österreichische Band Kreisky hat ihr drittes Album veröffentlicht. »Trouble« ist zur kleinen Kurskorrektur in Sachen Schimpf und Zorn geworden.

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Stehsätze sind super. Vor allem, wenn man sie enttarnt und mit einigen sprachlichen Kniffen zur Kenntlichkeit verstümmelt. Die heimische Band Kreisky beherrscht diese hohe Kunst, geläufige Phrasen und Szenesprache zu sezieren und im neuen Kontext ihre lächerliche Hohlheit preis zu geben. Slogan-Pop? Natürlich, aber mit Nachdruck, tieferer Bedeutung und Perspektivenwechsel. In Begleitung mit treibendem Gitarrensound – dem man gerne das Etikett Postpunk draufkleben kann – und einer grimmigen, ja schon wütenden Vortragsweise entsteht so kluge Gesellschaftskritik. Unverblümt, ungeschönt, unzensiert in die Welt geschleudert. Gutes Beispiel dafür ist die erste Singleauskoppelung »Scheiße, Schauspieler« des neuen, dritten Kreisky-Albums »Trouble«. Wenn Frontmann Franz Adrian Wenzl die Zeilen »Ein ganz lieber Kollege, ein grandioser Mensch« ins Mikro brüllt, wird der Subtext dieser oft gehörten Phrase deutlich: Der liebe Kollege ist ein dummes, blödes Arschloch, eine nervige Sau. Was als Rundumschlag auf eine Berufsgruppe beginnt, kippt dann textlich und wird auch noch zu einer Abrechnung mit nicht minder anstrengenden Musikern – dabei nimmt man sich selbst nicht aus: »Martin sieht aus, als würde er jeden Moment explodieren/ hoffentlich treffen seine Trümmer die Burgwichser.«

Das gibt durchaus eine neue Richtung im Kreisky-Gesamtwerk vor. Der Zorn des Schimpfenden richtet sich nun auch gegen sich selbst. »Nach zwei Platten haben wir uns einen fast schon comichaften Ruf als schlecht gelaunte Band erarbeitet. Da ist es gut, die eigene Erzählhaltung zu hinterfragen«, klärt Wenzl im Gespräch auf. Dass dabei auch fallweise Mitgefühl für die Umwelt entsteht, könnte auch als eine Art Radikalitätsverlust ausgelegt werden, ist aber letztlich nur eine weitere Doppelbödigkeit der Band. Nachzuhören etwa auf »Menschen brauchen Liebe«, eine für Kreisky-Verhältnisse langsame Nummer, die einen enggeistigen Mikrokosmos zwischen Eifersucht, Neid und Verderben karikiert und kollabieren lässt. Verständnis zeigen und trotzdem auf Kollisionskurs gehen, Liebe zum Figureninventar zeigen und dieses dann trotzdem mit ausgestreckter Hand verhungern lassen – das hat Eier. Tauchen dann Zeilen wie »Schließ Frieden mit deiner Frustration/ verwandle deine Wut in Energie« (»Schließ Frieden«) sanft gesungen auf, ist das trotzdem immer noch mehr Menetekel als Versöhnung. Denn letztlich geht es Kreisky auch ums Aufzeigen von Brüchen im System und seinen absurden Auswüchsen. Da müssen, ja sollen Boboblasen laut zum Platzen gebracht werden. »Die Weinkenner sitzen in besetzten Häusern, die Zahnärzte in den Kunstgalerien. Krankenhausclown ist ihnen nicht mehr genug, sie wollen jetzt richtige Künstler sein.« Große Kunst.

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