Back to the Future: Zomby assoziiert sich wild durch die letzten 25 Jahre der elektronischen Musikgeschichte. Und klingt damit erstaunlich modern.
Rosen sind die neuen Dreiecke. Auch wenn es für sie noch keinen Hotkey auf der Mac-Tastatur gibt, findet sich der florale Inbegriff der Liebe heuer auffallend häufig im Artwork wieder. Man darf wieder romantisch sein. Rosen zieren auch Zombys Drittwerk »With Love«. Und grenzt sich damit auch optisch von seinen Vorgängern ab, die mit 8-Bit-Ästhetik und Typography spielten. Zombys vielbeachtetes Debüt »Where were U in ’92?« erschien im Jahr 2008 und war ein kohärente Beschäftigung mit der Ravekultur der frühen 90er. »With Love« ist hingegen – Phrasenpolizei aufgepasst! – ein Opus Magnum: Ein Doppelalbum mit 75 Minuten Spielzeit und insgesamt 33 Tracks. Davon die erste Hälfte eher Richtung Dancefloor orientiert, die zweite eher ruhiger. Die Platte schafft es erstaunlicherweise gleichzeitig schlüssig und wirr zu sein. Sie ist ein Kaleidoskop, ein Mosaik der – primär britischen – elektronischen Musik der letzten 25 Jahre.
Die Tracks sind eigentlich eher Soundschnipsel, jeder zwischen einer und sieben Minuten lang. Sie führen in teilweise atemberaubender Geschwindigkeit durch Rave, Garage, Drum’n’Bass, Jungle (der auf der Insel aktuell einen ziemlichen Aufwind erlebt), aber auch Post-Dubstep-Anflüge und Electronica, die an Radiohead erinnert. Doch Zomby nimmt den Hörer nicht mit auf eine Reise – eine Reise hat immer einen nachvollziehbaren Weg. »With Love« ist aber weder Lexikon noch DJ-Set. Die Methode ist weder eine durchdachte Aufzählung noch einer smoother Übergang zwischen den Stilen. Man kann sich das Album eher wie einen Timetravel-Film vorstellen, bei dem die Handlung auf verschiedenen Zeitebenen hin- und herspringt, sich gegenseitig bedingt, Voraussetzungen hintenangestellt werden. Und umgekehrt. Assoziation wird wichtiger als Chronologie, und Brüche bewusst in Kauf genommen. Irgendwo hätte da sicher auch noch ein Gastauftritt von Emmet Brown hineingepasst.
Man weiß nicht viel über den Musiker Zomby, der immer mit Maske auftritt. Man kann sich aber ziemlich sicher sein, dass er viele der Musikstile, die er auf »With Love« verarbeitet, nicht aktiv miterlebt hat. Ja, es sind vielfach »stories from the elder brother«. Aber das stört überhaupt nicht. Das Album überführt diese Storys ins Heute und weist trotz all der Rückgriffe nach vorne. Das ist das eigentlich Gute daran: Kein Track ist lang genug, um wirkliche Nostalgie aufkommen zu lassen. 1992 ist lange vorbei. Willkommen in 2013.