Vor einiger Zeit traf ich wieder meinen Maßschneider und führte ein sehr angeregtes Gespräch mit ihm. Das klingt jetzt dandyesker als es ist.
Den Herren kenne ich nämlich schon lange und ab und an näht er mir zu wirklichen Freundschaftspreisen ein Hemd und stänkert mich immer wegen meiner – seinem geschulten Kennerblick entgeht so etwas nämlich nicht – etwas zu weiten Anzughosen an. Egal, er erzählte mir jedenfalls, dass neuerdings bei seinen männlichen Kunden der Wunsch besteht, den Schritt dezent, aber doch sichtbar auszustopfen, sodass es beim Sitzen wirkt, als hätte man eine ordentliche Fleischpeitsche unterm feinen Zwirn hängen. Ein Penisfutteral zum Protzen und Imponieren also. Wer’s im Business-Alltag zu etwas bringen will, braucht heutzutage nämlich keine Eier mehr, sondern lediglich nur so zu tun, als hätte er welche. Ich musste lachen und erzählte ihm, dass es durchaus einen Grund für meine zu weiten Anzughosen gibt.
Ich reibe nämlich in der Umkleidekabine immer ein wenig an meinem Pimperl herum. Nicht zu viel, aber genau richtig, dass man eine ordentliche Beule erkennen kann, wenn man in die neue Hose schlüpft. Die Verkäuferinnen reagieren irgendwie immer gleich, aber trotzdem jedes Mal anders. Sie raten mir bei der Hose dann zur nächsten, sehr schmeichelhafte Geschöpfe gar zur übernächsten Größe und einer Kürzung des Saums. Das Sakko bleibt aber die Nummer kleiner, denn man will ja nicht aussehen wie ein Clown. Da ich beim Kleidungskauf leicht zu lenken und beeinflussen bin, wahrscheinlich, weil Teile meines Bluts nicht im Gehirn zur Verfügung stehen, wage ich nicht zu widersprechen und wirke in Anzügen oft wie eine lächerliche Schmalspurversion vom jungen MC Hammer. Soviel nur zum Clown. Nur einmal durchschaute eine Verkäuferin mein Treiben in der Umkleide und sorgte tunlichst dafür, dass die Hose perfekt passte.
Mehr will und kann ich dazu nicht sagen, denn als ich meinem Maßschneider davon erzählte, lachte er nur, beschimpfte mich mit gottgleicher Grandezza, wie es eben nur einer vom Fach kann und fragte mich, warum ich mit solchen Blödheiten immer durchkomme? »Nun ja, ich habe trotz allem eine gute Kinderstube genossen«, erklärte ich sinngemäß. Wenn man sich zu benehmen weiß und ab und an auf Intuition und Sensibilität hört, kann man sich einiges erlauben. Manieren sind das halbe Leben.
Zum Beispiel, wenn einmal bei der Fellatio, gewollt oder ungewollt, etwas daneben geht, reicht man der Dame einige Papiertaschentücher, oder ein sauberes Stück Stoff. Zum Beispiel einen Umkleidekabinenvorhang. Die Entscheidung, wie und ob die Lackierung überhaupt weggewischt wird, bleibt der Lady überlassen. Übrigens: Keinesfalls hält man dafür Klopapier unter die Nase – das könnte als entwürdigend aufgefasst werden.
Ich will ja nicht als Sex-Elmayer oder Fick-Knigge in Erscheinung treten. Aber in Zeiten wie diesen, wo jeder gerne herausposaunt, unter Sexsucht zu leiden, ist mir aufgefallen, dass man nach Leitfäden und Richtlinien giert. Ich sag immer, dass man zuallererst in Würde wichsen lernen soll. Nur wer sich an Orten, wo niemand ist, wie ein Mensch zu benehmen versteht, kann auch auf die Umwelt losgelassen werden. Man muss also lernen, nachdem Orgasmen der Onanie einem die Gesichtsmuskulatur ins Dämlichste entgleiten ließen, nach Wiedererlangen der Contenance die Spuren der Geilheit fachgerecht zu entsorgen. Wenn nicht, kann das beispielsweise auch noch Jahre später zu unangenehmen, um nicht zu sagen peinlichen Situationen führen.
Ich wurde nämlich unlängst von einer älteren Bulgarin höflich, aber doch mit sichtbarer Verständnislosigkeit in ihren Augen gefragt, warum ich denn um Himmels Willen diesen herrlichen, riesigen Stofftierelefant wegzuwerfen gedenke. Ich musste, das will ich nur erwähnen, nämlich mein altes Kinderzimmer endgültig entrümpeln. Ich lüge nicht gut. Und bei alten Bulgarinnen fürchte ich, dass sie mich nicht nur sofort durchschauen, sondern auch gleich noch einen Fluch hinterher schicken, der sich gewaschen hat. Ich probier es aber dennoch bei ihr. »Milben, Motten, Läuse!« Sie glaubt mir kein Wort und will das Ding aus dem Müll zerren. Ich biete Geld, damit sie es nicht tut. Sie steigt nicht drauf ein und hat schon die Hand am Rüssel. Ich kann nicht mehr. »Dieser Elefant, innen voll mit Wixi Wixi!« Sie versteht nicht gleich. Ich hol Dumba, wie ich das geile, chubby Monstrum zärtlich taufte, noch mal raus und zeige ihr die herzhafte Öffnung im Plüsch, die mir so manche Pubertätsstunde versüßt hat. Die Alte versteht und schimpft etwas Arges daher.
Ich bin froh, dass ich nicht die ganze, peinliche Wahrheit auspacken musste. Der Riesenstoffelefant gehörte nämlich nicht einmal mir, sondern meiner Schwester und war ein Liebesgeschenk ihres ersten Freundes. Ich fühlte mich deswegen etwas widerlich und fragte dezent bei Freunden nach, ob sie sich auch an ihren Stofftieren vergingen. Ja. Ein Barbababa (rot, ca. 40 cm), ein Papa-Schlumpf (ca. 50 cm), Stoffbär (braun, ca. 80 cm), ein Hund (Waldi, weiß, 30 cm) waren dabei und einer rieb sich immer an einer Wolldecke. Manchmal tut es einfach gut zu wissen, nicht allein zu sein.