Eine Review der fantastischen Vorstellung mit kulinarischem Fokus, einem kleinen Interview mit Schauspiel-Newcomerin Clara Liepsch und warum ihr euch unbedingt jetzt schon Karten für den Dezember sichern solltet.
Existenzielle Ängste und Zeit, die unaufhörlich voranzuschreiten scheint: Die Adaption des dreiteiligen Gesellschaftsdramas »Das Leben des Vernon Subutex« von Tomas Schweigen und Tobias Schuster spielt gerade im Wiener Schauspielhaus. Neben dem hervorragenden Ensemble ist außerdem der bekannte österreichische Alternativ-Koch Patrick Müller an der Inszenierung beteiligt. Passend zu Despentes Werk lädt er zum Zwei-Klassen-Essen ein.
Darum geht es – kurzgefasst – in den Büchern: Virginie Despentes‘ gesellschaftskritische Buchreihe befasst sich mit dem sozialen, sowie ökonomischen Abstieg Subutex‘ und begibt sich dabei in jede vorstellbare Ecke des menschlichen Daseins. Es wird nicht nur der Erzählstrang des wohnungslosen Subutex verfolgt, inhaltliche Ausflüge führen in feministische Abgründe, misanthropische Ausbrüche und desillusionierte Zustände.
So werden die Bücher auf der Bühne interpretiert und umgesetzt: Die Umsetzung des Buches durch das Schaupielhaus ist nicht ohne Grund kontrovers. Ein dreiteiliges Buch in eine Theaterinszenierung zu verwandeln, bietet einige Herausforderungen, welche das Ensemble des Schauspielhauses allerdings meistern konnte. Die vier Stunden Vorstellungszeit verfliegen im Nu! Eine perfekte Inszenierung und durchdachte Details machen Spaß und befördern das Publikum, einschließlich mich, raus aus der Komfortzone.
Die ZuschauerInnen erleben wie Subutex – einmal ein beliebtes und stolzes Mitglied der Musikindustriegesellschaft – die Schnelllebigkeit der Musikindustrie am eigenen Leib. Der Aufbruch in die Zeit der MP3s und Musikstreaming-Plattformen zwingen Subutex nach Verlust seines Plattenladens, ein Mitglied der Couchsurfkultur zu werden und aus Scham, sich Hilfe zu holen und sich seine missliche Lage einzugestehen, letzten Endes auf die kalten Asphaltböden der Stadt. Protagonist Vernon Subutex geht mit nüchterner und melancholischer Art wortkarg auf gesellschaftsrelevante Themen ein. Das Stück wird durch die kulinarische Umsetzung durch Patrick Müller, bekannt als der stille Koch im ORF, unterbrochen. Dieser lädt im Rahmen der Vorstellung zum feinen Abendessen im Usus ein. Außerhalb des Fernsehens ist Patrick Müller, sowie seine ausgefallenen Speisen bei Punks‘ Imbiss in der Creau, zu finden. Auch er hat gesellschaftlichen Ab- und Aufstieg, sowie Höhen und Tiefen kennengelernt. Als Schulabbrecher und in der Schublade des rebellischen Punks würde Patrick Müller den gesellschaftlichen Konformen eines erfolgreichen und lukrativen Mitglieds einer Gemeinschaft widersprechen. Der alternative Koch ist gegen Schubladendenken, wie er schon oft bewiesen hat. Er mauserte sich schon mit 19 zum Haubenkoch, war im Fernsehen als Silent Cook zu sehen und eröffnete mit seiner Partnerin ein Restaurant der etwas anderen Sorte. Nicht zuletzt eröffnete er mit Reisebüro 67 ein gastrosophisches Unternehmen, welches mit ihren Events die Gesellschaft zu verändern sucht.
Im Rahmen des Theaterstücks »Das Leben des Vernon Subutex« können die BesucherInnen die kulinarischen Köstlichkeiten von Patrick Müller in einer illustren Gesellschaft bei dreigängigem Menü mit Getränkebegleitung genießen, in angenehmer Atmosphäre über das Stück plaudern und sich mit einem der SchauspielerInnen unterhalten. Als Vorspeise wurden Austernpilze auf Kartoffel-Sellerie-Püree, feines Kräuterpesto und Blüten serviert. Zum Hauptgang wurden große Platten mit saisonalem grünem und weißem Spargel, Risotto mit gebuttertem Mangold und geriebenem Parmesan gereicht. Zum Nachtisch wartete ein butterweicher Schokobrownie mit Schokoladenmouse-Eis auf die Gaumen der DinnerbesucherInnen. Die Inszenierung des Dinners soll einmal mehr die Zwei-Klassen-Gesellschaft hervorbringen: feines Abendessen drinnen, Suppe draußen. Ein gelungener Twist.
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