Mitte November wird das legendäre „Zwanz’ger Haus“ als „21er Haus“ wiedereröffnet. Kuratorin Bettina Steinbrügge, die gemeinsam mit Kuratorin Cosima Rainer unter der Direktion von Agnes Husslein-Arco für die inhaltliche Ausrichtung des Hauses verantwortlich zeichnet, über die Neuausrichtung, den Shop als künstlerisches Projekt und das einzige 50er Jahre Kino Wiens.
Das „Zwanz’ger Haus” ist aus der österreichischen Nachkriegskunstgeschichte nicht wegzudenken. Mitte November eröffnet es unter neuem Namen und architektonisch rundum erneuert als ”21er Haus“ und Dependance der Österreichischen Galerie Belvedere seine Pforten. Der Fokus im ”21er Haus“ liegt, wenig überraschend auf Positionen des 20. und 21. Jahrhunderts. Wir sprachen mit Bettina Steinbrügge, Kuratorin für zeitgenössische Kunst am Belvedere – und als solche auch für die Großbaustelle „21er Haus“ zuständig.
Der Umbau vom 20er zu 21er Haus ist fast abgeschlossen. Wie wird es sich nach der Neueröffnung positionieren?
Unsere Mission lautet österreichische Kunst in ihrem internationalen Kontext darzustellen. Neben den aktuellen Tendenzen in der österreichischen Kunst interessieren uns Fragestellungen, die für Österreich relevant sind und die angesichts eines sich immer weiter globalisierenden Kunstfeldes international diskutiert werden.
Globale Sicht auf österreichische Kunst erschöpft sich oft im Abfeiern des Aktionismus. Wie verhindern Sie das im 21er Haus?
Die österreichische Kunstgeschichte und auch die derzeitigen Tendenzen in der österreichischen Kunst sind viel vielfältiger und facettenreicher. Die österreichische Kunst ist seit Jahrzehnten international erfolgreich und die Wiener Aktionisten sind darin ein Ausschnitt, wenn auch ein wichtiger. Die Beantwortung ihrer Frage ist zudem relativ einfach: Den Aktionismus können wir gar nicht abfeiern, weil wir den gar nicht in unserer Sammlung haben. Wir haben andere Stärken und werden uns verstärkt den zeitgenössischen Tendenzen zuwenden: Was passiert in Österreich derzeit, welche Fragestellungen sind heute eigentlich wichtig? Natürlich spielt hier auch die geschichtliche Herleitung eine Rolle: Auf welcher Grundlage der Moderne hat sich die zeitgenössische Kunst entwickelt?
Was wird das Haus ausstellen?
Neben der dauerhaften Ausstellung der Sammlung des 20. und 21. Jahrhunderts des Belvedere wird es im 21er Haus drei temporäre Ausstellungen pro Jahr geben, thematische Gruppenausstellungen wie auch Einzelausstellungen. Die Ausstellungen werden auf vielfältige Art und Weise mit der Sammlungstätigkeit verquickt werden. Wir verstehen dies als einen dynamischen Prozess, in dem z.B. auch Interventionen von Gastkuratoren integriert werden. Im nächsten Jahr z.B. wird die Französin Martha Kirszenbaum ein spannendes Projekt realisieren.
Welche temporären Ausstellungen sind denn ganz konkret geplant?
Da werde ich natürlich noch nicht allzu viel preisgeben. Aber ein bisschen was zum Start kann ich sagen: Zur Eröffnung am 15. November machen wir keine Ausstellung, sondern werden unter dem Motto „Schöne Aussichten“ mit dem Haus selbst arbeiten. Wir präsentieren nicht nur die Geschichte des Hauses selbst, sondern was diese Geschichte in Gang setzt oder unterbricht, rhythmisiert oder umdeutet. Aus diesem Grund haben wir verschiedene Künstler und Künstlerinnen eingeladen, sich mit der Frage nach dem neuen Museum zu beschäftigen. Was passiert, wenn man so ein Haus umbaut und in neuen Kontexten nutzt? Es werden u.a. Künstlerräume zu sehen sein, eine Soundinstallation von Florian Hecker und eine ortsspezifische Installation von Markus Geiger. Und Sasha Pirker hat einen Kurzfilm über das 21er Haus gemacht, der in den Eröffnungstagen seine Premiere haben wird und einen Teil eines umfangreicheren Filmprogramms ist.
Wie lange wird diese Eröffnungsphase dauern?
Bis zum 8. Jänner. Am 19. Jänner eröffnen wir dann die erste Gruppenausstellung, die das ganze Haus bespielen wird. Die Ausstellung präsentiert einen aus zeitgenössischen Positionen gewonnenen neuen Blick auf die historisch kolportierten Ideen des Gesamtkunstwerks und damit auch auf den Beginn der künstlerischen Moderne. Das Thema liegt ja auch ein wenig in der österreichischen Tradition wie auch in der Tradition des Hauses, Harald Szeemann hat doch seine Ausstellung „Der Hang zum Gesamtkunstwerk“ im 20er Haus gezeigt. Wir nehmen das Thema wieder auf – kontextualisieren es aber komplett anders.
Was wird denn neben den Ausstellungsflächen noch im 21er Haus zu sehen sein?
Die Artothek der Stadt Wien wie auch das Wotruba Archiv ziehen in das Haus, wir haben ein Kino, ein Restaurant, ein Kinderatelier und eine künstlerische Intervention, die anstelle eines herkömmlichen Shops, die Idee eines Shops im Museum völlig neu stellen wird.
Moment. Was hab ich mir unter einem Shop als künstlerisches Projekt vorzustellen?
Das sag ich Ihnen im Moment noch nicht. Lassen Sie sich überraschen. Man wird aber ganz normal einkaufen können, keine Sorge. Das Kino wird auch wieder entstehen. Das ist wichtig, wir haben ja schließlich das einzige richtige 50er Jahre-Kino in der Stadt. Es handelt sich hier um ein kleines architektonisches Juwel.
Gutes Stichwort. Was ist das museumspädagogische Konzept hinter dem 21er Haus?
Unser ausgezeichnetes Kunstvermittlungs-Team arbeitet gerade an einem Konzept für die zeitgenössische Kunst. Seit einigen Jahren gibt es einen sehr intensiven und spannenden Kunstvermittlungsdiskurs, der auch stark von Wien ausgeht. Gerade die Wiener Gruppe „schnittpunkt“ gibt sehr viele neue Impulse, was es heißt mit zeitgenössischer Kunst und ihrer Vermittlung umzugehen. Wir schließen daran an und diskutieren derzeit verschiedene Formate. Die zeitgenössische Kunst ist ja in ihren Ausdrucksformen wesentlich facettenreicher und ausdifferenzierter als es noch die Kunst des 19. Jahrhunderts ist. Das verändert auch die Kunstvermittlung, wenn auch klassische Formate wie Führung und Vortrag aufgrund ihrer Qualität nie aussterben werden. Ich bin davon überzeugt, dass unser Team Sie positiv überraschen wird.
Wie steht es Ihrer Meinung nach um die zeitgenössische Kunst in Wien?
Wien hat eine unglaublich reiche Kunst und Kulturszene, die mich sehr beeindruckt. Ich bin im Dezember aus Berlin gekommen und ziehe den Hut vor Wien. Wir haben das Glück, hier gleich zwei hochkarätige Kunsthochschulen zu haben wie auch eine Vielzahl international sehr anerkannter Institutionen, die interessante Projekte machen und gute Leute nach Wien holen. Es gibt kaum eine Großstadt mit derart vielen Institutionen zeitgenössischer Kunst dieser Qualität.
Wenn Sie gerade die verschiedenen Häuser ansprechen: Wie geht man in Wiens Kulturszene miteinander um? Viele Eitelkeiten, ein sprichwörtliches Haifischbecken?
Das Klima in Wien ist gut. Es gibt sicherlich Konkurrenz, aber letztlich wissen wir alle, dass Konkurrenz das Geschäft belebt. Jedes Haus in Wien hat sein eigenes Profil. An diesen Profilen wird gearbeitet, und deshalb entstehen viele hervorragende Ausstellungen. Deshalb ist es völlig unnötig, sich die Köpfe einzuschlagen.
Wir haben jetzt viel über hochklassige, traditionsreiche Häuser gesprochen. Aber bringt die Arbeit an einer Institution wie dem Belvedere nicht auch Nachteile? Ich denke da an lange Dienstwege und Einschränkungen.
Das Belvedere ist ist in erster Linie die österreichische Galerie und hat damit auch einen bestimmten Auftrag. Ich verstehe dies als eine positive Einschränkung, denn die interessantesten und kreativsten Projekte entstehen aus Einschränkungen heraus, die erweitert werden möchten. Ich denke, dass uns das mit dem 21er Haus gelingen wird.