Götz Spielmann konnte mit »Revanche« nicht nur international einiges an Aufmerksamkeit auf sich ziehen, er brachte es damit sogar zu einer Auslands-Oscar-Nominierung. Das Familiendrama »Oktober November« ist nun sein mit Spannung erwartetes Folgewerk. The Gap hat den Regisseur zum Gespräch getroffen.
Wie auch bei »Revanche« liest sich die Handlung von »Oktober November« fast schon banal einfach: Zwei ungleiche Schwestern (Ursula Strauss, Nora von Waldstätten) werden durch den Herzinfarkt und den drohenden Tod des Vaters (Peter Simonischek) wieder zusammengeführt. Doch die Handlung kommt einem recht schnell zweitrangig vor. Spielmanns Zauber entfaltet sich in der atmosphärischen Tiefe des Filmes. In der Dichte und der Komplexität der Dialoge, in Blicken und subtilen Gesten, der Poesie der akribisch durchkomponierten Bilder. Der eigentliche Sinn liegt im Ungesagten und im Ungezeigten. In »Oktober November« wird nichts dem Zufall überlassen.
The Gap: »Ich bin, wie ich bin, aber nicht wie ich sein möchte. Aber ich habe keine Angst mehr, keine Angst, die Wahrheit zu sagen, über das, was ich weiß, was ich suche, was ich noch nicht gefunden habe.« Könnte man dieses Zitat aus Fellinis »8 ½« auch als Aussage auf Ihren Film anwenden?
Götz Spielmann: Federico Fellini war mir früher sehr nahe und seine Werke eine Inspiration für mich. Besonders »8 ½«. Und ja, dieses Zitat ist wunderschön. Ich denke, so etwas Ähnliches – auch wenn sie es nicht aussprechen – könnten die zwei Schwestern vielleicht am Ende der Geschichte denken oder sagen. In ihren Worten.
Warum haben Sie für die von Nora von Waldstätten gespielte jüngere Schwester Sonja den Beruf der Schauspielerin gewählt?
»Oktober November« ist ein suchender Film. Die Frage, die er stellt, ist die nach Identität und die lässt sich nur schlüssig untersuchen, wenn man sie in einer Geschichte anhand von verschiedenen Figuren, die verschiedene Aspekte dieser Thematik verkörpern, stellt. Ich glaube, ein Schauspieler stößt eher auf die Wichtigkeit dieser Thematik. Weil er einen künstlerischen Beruf ausübt. Künstlerische Arbeit ist immer auch eine sehr selbstreflektierende. Ich glaube aber, dass diese Frage essentiell ist und jeden Menschen prägt, ob er sich dessen bewusst ist oder nicht.
»Oktober November« ist ein sehr realistischer Film, gleichzeitig wird die Nahtod-Erfahrung des Familienvaters ausführlich erzählt. Sind Sie ein spiritueller Mensch?
Ich glaube, dass zwischen Spiritualität und Realismus kein Gegensatz besteht, sondern eine Hierarchie. Alles Realistische, alles Logische, alles kausale Denken, alle Vernunft – all das hat Platz in einer spirituellen Betrachtung des Lebens, der Existenz. Und in dem Sinne bin ich – manchmal mehr, manchmal weniger, manchmal gar nicht – auch ein spiritueller Mensch. Doch für dieses Nahtod-Erlebnis, da braucht es keine Spiritualität, um das zu erzählen. Das ist eine Tatsache. Tausendfach belegt und erforscht. Und es ist auch eine Tatsache, dass die Menschen, die das erleben, es als eine Art religiöse Erfahrung begreifen und es sie nachhaltig verändert. Sie sind nachher wacher, finden das Leben schöner, größer, richtiger. Sie fühlen sich freier, sind aufmerksamer gegenüber anderen und auch verantwortungsbewusster.
Woran liegt das?
Ich glaube, es liegt daran, dass die Angst vor dem Tod verschwindet. Angst ist immer ein schlechter Ratgeber.