Mit »Sekiro: Shadows Die Twice« setzt Entwickler »From Software« seine eigens kreierte Nische mit extrem schweren Spielen fort. Auf dieser Reise war ich gerne Gast. Bis jetzt.
Ich kann nicht mehr. Meine Hände zittern, mein Kopf ist hochrot, der Controller liegt hinter mir auf meinem Bett. Das japanische Zeichen für »Tod« flackert in Rot über den Bildschirm und ich sage mir einmal wieder, dass es für heute reicht. So ungefähr muss man sich die Abende der letzten Wochen in meiner Wohnung vorstellen. Bis ich einen Schlussstrich ziehen musste. So geht es nicht weiter.
Aber fangen wir vorne an: Als großer Fan der »Soulsbourne«-Reihe, also der »Dark Souls«- und »Bloodbourne«-Spiele aus dem Hause »From Software«, habe ich mich monatelang auf »Sekiro: Shadows Die Twice« gefreut. Ich habe Trailer geschaut, Previews gelesen, mit meinem Bruder über mögliche Kampsysteme und -kniffe geredet. Und plötzlich war es da.
Die ersten Reviews waren alle samt positiv, ein tolles Spiel und, na klar, ein schweres. Schwerer als »Dark Souls« oder »Bloodbourne«? Schwierig zu sagen. »Es ist anders«, hieß es da oft. Als ich dann endlich selber Hand an das Spiel legen durfte, wusste ich sofort, warum in den Tests niemand konkreter geworden war. »Sekiro« ist anders. Es spielt sich anders, es ist ein anderes Flair, eine andere Art von Schwierigkeit.
Aller Anfang ist schwer?
Mit Vergnügen habe ich die ersten Stunden gespielt. Zum ersten Mal gibt es in einem Spiel von »From Software« ein richtiges Tutorial, das hätte mich schon stutzig stimmen müssen. Sonst wird das Kampfsystem nie besser erklärt als mit schnöden Texteinblendungen. Plötzlich gibt es sogar eine Art Trainingsarena, in der man alle Tipps und Tricks ausprobieren kann, ohne Risiko. Aber das ist auch bitter nötig. Immerhin gibt es nicht nur eine Block- und eine Ausweichtaste, die benutzt werden will. Zusätzlich müssen in »Sekiro« Sprünge und Paraden mit exaktem Timing eingesetzt werden, um Herr über so manchen Gegner zu werden. Das sieht zwar dann alles fein choreographiert aus, die Vielzahl an Möglichkeiten macht Kämpfe aber komplexer und damit schwerer.
Hinzu kommt, dass »Sekiro« öfter als seine Vorgänger mit Gegner-Gruppen überrascht. Selbst wenn ich also alle die Mechaniken im Schlaf kenne – manchmal habe ich trotzdem einen Pfeil im Kopf oder eine Klinge im Rücken. Oh well.
Das Szenario, mit dem ich diesen Text eröffnet habe, fing früh an. Ich biss mich lange durch, immer und immer wieder schaltete ich die Playstation an, voller Motivation weiterzukommen. Und das funktionierte auch. Ich wurde immer besser, kam weiter voran. Bis jetzt. Bis zu diesem Punkt.
Denn ich habe mir geschworen, »Sekiro« nicht mehr weiterzuspielen. Und ich bin der Meinung, das hätte ich schon viel früher tun müssen. Ich stehe vor dem Endboss, das weiß ich. Aber ich schaffe ihn nicht. Ich will ihn auch nicht schaffen. Zu lange habe ich all die Probleme des Spiels ignoriert. Denn davon gibt es genug.
Grinden? Ko-Op? Vergiss es!
Wer in »Darksouls« oder auch »Bloodbourne« nicht weiterkam, der oder die hat gegrindet. Einfache Rollenspiel-Thematik: bist du zu schwach, bekämpfst du so lange schwächere Gegner, bis zu stark genug bist. Das mag nicht unbedingt Spaß machen, war bei den bisherigen »From Software«-Titeln aufgrund des tollen Kampfsystems aber zu verschmerzen. In »Sekiro« fällt das weg. Erfahrungspunkte können zwar in neue Fähigkeiten investiert werden, diese helfen aber nicht von jetzt auf gleich, sondern müssen ebenso erlernt werden, wie das komplette Kampfsystem. Mehr Leben und mehr Angriffskraft bekommt man nur durch das Erledigen von Zwischen- und Level-Bossen. Und jetzt ratet mal, welche Gegner besonders schwierig sind. Richtig: die Zwischen- und Level-Bosse.
Dann sollte es doch wenigstens so sein, dass man halt mit mehr Leben und mehr Angriffskraft die Bosse erledigt, die am Anfang des Spiels noch zu schwer waren, oder? Pustekuchen: ab einem bestimmten Punkt im Spiel gibt es kein Backtracking mehr, das Schnellreise-Feature ist, warum auch immer, plötzlich abgeschafft, man sitzt in einer Sackgasse. Game-Design aus dem alten Japan.
Wer trotz stundenlangem Grinden bei »Darksouls« oder »Bloodbourne« trotzdem nicht weiterkam, der oder die hoffte auf die Stärke des Internets. Es war ein essentieller Teil dieser Spiele, sich Hilfe von anderen SpielerInnen zu holen. Einfach ein sogenanntes »Summon Sign« auf den Boden gelegt und schon dauerte es nicht lange, ehe tapfere MitstreiterInnen zur Unterstützung eilten. Wer das nicht wollte, musste es ja auch nicht anwenden. Warum »From Software« dieses Feature für »Sekiro« also einfach über den Jordan hat gehen lassen, ist mir persönlich ein Rätsel.
Spiel erleben? Vergiss es!
Was mich aber besonders an »Sekiro« und seinem Schwierigkeitsgrad stört, sind die Diskussionen darum. Denn so wie mir ging es natürlich auch vielen anderen Videospielern. Dabei spalten sich die Lager in zwei Teile. Das Erlebnis-Lager, das dafür plädiert, eine Option einzubauen, die es jedem ermöglicht, das Spiel in seiner Fülle erleben zu dürfen. Beispielsweise durch eine verlängerte Lebensanzeige oder schwächere Gegner. Und das Hardcore-Lager, das darauf besteht, nur einen Schwierigkeitsgrad zu haben. Wer den nicht schafft, für den wäre das Spiel eben nichts. Das stört mich. Ich will »Sekiro« erleben, weil es ein tolles Spiel ist, weil es eine packende Atmosphäre und eine fantastische Story hat. Mir das zu verweigern, nur weil ich entweder nicht fähig genug bin oder nicht die Geduld und Motivation habe, so viel Zeit in Training zu stecken, ist einfach nur arrogant. Niemand bricht sich einen Zacken aus der Krone, wenn er oder sie in sein Spiel eine Option einbaut, die es allen möglich macht, den Abspann zu sehen. Denn das ist doch das einzige, was ich sehen will. Das Ende der Story, Happy End oder nicht, die Credits. Aber ich kann nicht mehr.
»Sekiro«, entwickelt von FromSoftware, ist via Activision für PlayStation®4, Xbox One und PC (Steam) erschienen.