Selbstversuch

Sehr en vogue, wie man so schön auf Französisch zu sagen pflegt, ist es im Moment, Selbstversuche aller Art zu machen und dann darüber zu schreiben.

Tag 1 bis 10: Nachdem ich mir noch einmal gescheit das Weiße aus dem Nudelaug‘ rausgejerkt hatte, konnte meine Mission ihren Anfang nehmen. Recht schnell bemerke ich untertags eine Leistungssteigerung in beruflichen Belangen. Ich arbeite effizienter als sonst und finde abends gar noch Zeit, mich um Haushaltsdinge zu kümmern. Ablenkung oder Sublimierung? Ich weiß es nicht. Gelegentlich pochen zwar meine Hoden. Ich poche aber wacker zurück und signalisiere den Klöten auf diese Art, dass jetzt mal Sendepause ist. Der Schmerz hilft mir, mich wieder aufs Wesentliche zu konzentrieren und meine Aggressionen auf andere zu richten.

Ich erstelle auch eine Liste von Dingen, die mir auf die Nerven gehen. Vorne mit dabei: Jared Leto, die Neos, das Vice, Bitstrips und Tom Turbo. Im Personennahverkehr zu bestehen wird immer schwieriger. Ich gehe nur noch mit gesenktem Haupt durch die Gegend. Dennoch verzeichne ich immer wieder unerwartete Erektionen. Eine besonders verstörende etwa, als ich 100 Meter lang einem frisch getrimmten Königspudel nachspazierte. Nachts schlaf ich aber ruhig und traumlos, weil ich mir immer mit Bier und Wermut die Kante gebe. Das mit der anfangs festgestellten Leistungssteigerung hat sich nun auch wieder erledigt.

Tag 11 bis 20: Ich schaue mir unentwegt Interviews mit dem Schispringer Thomas Morgenstern an. Sein Kärntner Dialekt, diese ekelhaft wabbelnde Reibelautverweichlichung, macht mich rasend. Ich würde ihn am liebsten ins Koma zurückprügeln und bemerke zu meinem Entsetzen, wie sein dummer Sprachsatzbau Spuren an mir hinterlässt. Als mich unbedarft jemand ganz harmlos frug, wie es mir denn so ginge, antwortete ich schwurbelnd: "Den Umständen entsprechend eigentlich eh extrem geil." Lebensabschnittsdingsbums macht sich einen Spaß daraus, mich zu quälen und läuft vorwiegend sehr spärlich bekleidet oder überhaupt gleich nackt vor meiner Nase herum.

Sie besteht auch darauf, mich zu waschen und trocken zu rubbeln. So will sie Kontrolle über die Standhaftigkeit meines Vorhabens gewinnen. Sie geht auch nach mir zu Bett. Apropos. Nachts beuteln mich jetzt autoerotische, narzisstische Träume. Unlängst etwa der, in dem ich mir selbst einen ablutsche. Schweißgebadet wache ich auf und notiere in mein Traumtagebuch: "Mein Schwanz so lang wie ein Aal und er riecht auch so." Versuchte das drei Tage lang in einen Bilderbuchreim zu gießen. Nennenswertester Erfolg: "Lese Barthes, Foucault, de Beauvoir mein Pendel sprengt jedes Reservoir – gib meiner Schüssel Gummi."

Tag 21 bis 30: Ich werde immer unberechenbarer. An jeder Ecke lauern Zwei- und Drei- oder gar Vierdeutigkeiten. Eine gute Geschäftsidee kommt mir in den Sinn. Kleine Feuerwehrlöscher, aus denen Schlagsahne aus dem Schlauch spritzt. Verwendbar als Partykracher, um z. B. Geburtstagskerzen auf Torten und Kuchen auszublasen. Die Aggressionen werden auch nicht weniger. Um sie abzubauen, kaufe ich mir auf der gut frequentierten Einkaufsmeile Mariamilferstraße einen kleinen Stressball für Hand und Finger, den ich die unentwegt drücke. Nach zwei oder drei Tagen ist er kaputt. Auch weil ich oft rein gebissen habe. Als Ersatz besorge ich ein Mini-Trampolin. Ich hüpfe darauf unentwegt herum und sehe danach vieles klarer. Eine neue, ungeahnte Spiritualität ergreift mich und scheint auch bleiben zu wollen. Eine Art sechster Sinn: Ich sehe nackte Menschen! Überall. Immer. Nicht nur im Internet.

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