Josef Jöchl artikuliert in seiner Kolumne ziemlich viele Feels. Dieses Mal stellt er sich einem alten Albtraum: dem gemeinsamen Kochen.
Immer sollen es Gegensätze sein, die einander anziehen: Topf und Deckel, Yin und Yang, Meg Ryan und Personen, die nicht Meg Ryan sind – wenn man den erfolgreichsten Rom-Coms der 90er-Jahre Glauben schenkt. Dabei wissen alle mit mehr als drei Kerben im Bettpfosten: Gemeinsamkeiten sind viel wichtiger als Gegensätze. Wenn sich die soziale und vielleicht auch die geografische Herkunft überlappen, stehen die Chancen für eine dauerhafte Liaison am besten. Wenig schweißt stärker zusammen, als wenn ein Zehn-Euro-Schein ungefähr ähnlich schwer in der Hand liegt oder man zufällig mal auf dem Parkplatz desselben Fachmarktzentrums gefingert hat.
Meine Meinung: In der Liebe kann man die gesellschaftliche Sogwirkung schon mal machen lassen. Nichtsdestotrotz fallen uns Unterschiede viel stärker auf, wenn wir einander kennenlernen. Mir vor allem beim Essen. Die Ernährungsgewohnheiten anderer Menschen finde ich meistens extrem weird – als der neurotische Lockenkopf in schultergepolsterten Blazern, der ich bin. Ich komme nicht umhin, mich zu wundern: Warum ernähren sich alle anderen Menschen so komisch?
Koriander – yes
Nur um die Facts zu clearen: Koriander – yes; Nutella – no; Fleisch vom Biobauern – nur, wenn ich mit dem Schwein in meiner Kindheit Mensch-ärgere-dich-nicht gespielt habe. Man kennt es. Als Single of many years koche ich außerdem nicht so gerne. Mehr noch: Die meisten Speisen verzehre ich, sofern möglich, direkt aus dem Gebinde im Stehen, idealerweise über der Abwasch. Manchmal im Abstellraum, wenn mir mein eigener Anblick dabei zu deprimierend ist. Zum Naschen dann gerne mal ein Proteinshake, die Kohlenhydrate hole ich mir beim Auslecken von Chipsschüsseln auf Partys.
Mit dieser Lebensart bin ich die letzten Jahre ganz gut gefahren. Wie oft habe ich im Gespräch die intensiven Bemühungen, zwölf Minuten Geschirrspülen zu vermeiden, zu meiner ureigenen puristischen Ästhetik erhoben! Bis ich jemanden kennengelernt und beschlossen habe, die Person dauerhaft in meine Küche und mein Leben zu lassen. Die Facts: Koriander – yes; Nutella und Fleisch vom Biobauern – no, weil er vegan lebt. Anders als für viele Comedians ist Veganismus für mich nämlich kein Dealbreaker. Im Gegenteil: Wenn es mir gerade gut in den Kram passt, behaupte ich sogar selbst, Veganer zu sein. Was eine viel größere Befremdung in mir auslöste: seine Freude am gemeinsamen Kochen.
Was gibt es Neues?
Wenn du jemanden etwas näher an dich ranlässt, findest du den gemeinsamen Nenner am leichtesten beim Frühstück. Einfach beobachten, welche Aufstriche und Brotbeläge dein Gegenüber gerne isst, und sie dann nachkaufen, bis du sie irgendwann selber magst. Zusammen kochen jagt mir jedoch seit jeher einen Schauer über den Rücken. Ein Horrorszenario kommt in mir hoch: An einem Freitagabend pantsche ich mit einem Partner, den ich aufgrund unserer gemeinsamen Labradormischung »Vati« nenne, diverse »Hello Fresh«-Kochboxen zusammen, während im Hintergrund ein Fernsehsender läuft, der nur Wiederholungen von »Was gibt es Neues?« zeigt.
Niemals wollte ich so ein Leben führen! Doch nun stand ich plötzlich im Gourmet Spar und klebte Minus-25-Prozent-Sticker auf die Zutaten für vegane Sommerrollen. »Haben wir noch Tofu? Oh, die Schalotten sind aber nicht aus Österreich! Wie ist das noch mal, magst du eigentlich Koriander oder nicht?« Schon meinte ich, aus dem Lautsprecher die Stimme von Oliver Baier zu vernehmen.
Jede Beziehung steht und fällt mit der Kommunikation. Das weiß ich als Sexkolumnist natürlich. Doch es ist oft leichter geschrieben als getan. Zu Hause ließ ich die Einkaufstaschen auf die Anrichte fallen und schlug einen ernsthaften Ton an. »Du, es läuft eigentlich ganz gut zwischen uns, aber mit so Dingen wie gemeinsam vegane Sommerrollen zubereiten habe ich ein Riesenproblem!« Ich beendete den Satz viel lauter, als ich ihn begonnen hatte, und erschrak vor meinen eigenen Emotionen.
Vertrocknete Landjäger
Ich sah meinem neuen Freund seine Verwirrung an. Er sagte: »Du hast doch selbst vorgeschlagen, mal diese veganen Sommerrollen auszuprobieren. Das sind ziemlich gemischte Signale, Josef.« »Das ist nicht der Punkt!«, erwiderte ich etwas zu energisch, während ich eine meiner schwer zu bändigenden Locken wegpustete, die sich auf meine Stirn verirrt hatte. »Weißt du eigentlich, dass unter meinem Bett eine Packung vertrocknete Landjäger liegt, an der ich immer lutsche, wenn du schon eingeschlafen bist?« Doch mein neuer Freund legte nur den Arm um mich. »Na und? Solange du dir die Zähne putzt!« Dann küsste er mich. Wenig später verteilten wir Glasnudeln gleichmäßig auf feuchtem Reispapier. Die Unterschiede schienen gar nicht mehr so groß. Wesentlich ist ohnehin, was zwischen Topf und Deckel passiert.
Josef Jöchl ist Comedian. Sein neues Programm heißt »Erinnerungen haben keine Häuser« und feiert am 24. September im Kabarett Niedermair Premiere. Alle Infos auf www.knosef.at. Per E-Mail ist Josef unter joechl@thegap.at zu erreichen, auf X (vormals Twitter) unter @knosef4lyfe.