Sex and the Lugner City: Ich hasse Porridge

Josef Jöchl artikuliert hier ziemlich viele Feels.

© Ari Yehudit Richter

Manchmal stehe ich morgens auf und koche mir ein Porridge. Dann mache ich Ö1 an, steche den ersten Happen aus und fühle mich wie die Spitze der Menschheit. »Das mache ich jetzt jeden Tag«, schwöre ich mir, während die ersten Haferflocken in mir quellen. Doch schon am nächsten Morgen greifen meine üblichen Verhaltensweisen: Kaffee wie Wasser saufen und mir zu oft ins Gesicht fassen. Wie jeder Mensch brauche ich im Durchschnitt 66 Tage, um eine neue Gewohnheit zu etablieren. Selten gewöhne ich mich an etwas so schnell wie an »Germany’s Next Topmodel«, wovon ich nur zehn Minuten gesehen haben muss, um ein halbes Jahr lang jeden Donnerstagabend an Heidi Klum zu verpfänden. Die meisten Gewohnheiten brauchen Zeit. Dieses Frühjahr fasste ich den Entschluss, mir das Rauchen abzugewöhnen. Das Einzige, wovon ich in Zukunft körperlich abhängig sein wollte, waren Speisen von Yotam Ottolenghi. Die Umgewöhnungs­phase dauerte länger als gedacht.

Das Geheimnis reiner Haut

An meinem fehlenden Willen lag es nur bedingt. Ich befolgte akribisch alle Tipps, die das Internet zu bieten hatte: Ich legte ein Datum fest, schrieb eine Pro-und-Contra-Liste, entsorgte alle Feuerzeuge – und sogar den Stuhl, auf dem ich beim Rauchen gerne saß. Den ersten Tag bewältigte ich so ohne größere Blessuren, und die durchschnittlich weiteren 65 schienen wie geritzt. Befreit spazierte ich durch die Innenstadt und ließ meinen Blick über fremde Gesichter schweifen. Was mir dabei auffiel: Die meisten Menschen haben erstaunlich gute Haut. »Vermutlich rauchen die alle keine 20 Zigaretten am Tag«, dachte ich mir, und, was ich für wahrscheinlicher hielt: »Vermutlich verwenden die alle die Pflegeserie von Dr. Hauschka.«

Schnurstracks zog es mich in die nächste Pflegeprodukte führende Apotheke. Dort musste ich feststellen, dass der Überbegriff »problematische Mischhaut« meine eigene nur unzureichend beschreibt, weshalb ich mich auf der Stelle zu einer neuen Routine verpflichtete. Nur noch 66 Abende eine beige, grobkörnige Waschcreme, ein obskures Tonikum und ein milchiges Serum anwenden, dann wäre bis zum Sommer alles gut. Meine Selbst­zufriedenheit stieg.

Der Weg zum Beach Body

Ohne Tschick zum Kaffee konnte ich auch meinem Handy mehr Aufmerksamkeit widmen. Wie jedes Frühjahr postete eine Ex-Arbeitskollegin dieses eine Meme, auf dem steht: »How to have a beach body? Have a body, go to the beach.« Kurioserweise ist es dieselbe Ex-Arbeitskollegin, die gerne behauptet, dass ebenjener Beach Body in der Küche gemacht werde. Das inspirierte mich. Das Frühjahr ist schließlich nicht nur eine tolle Zeit, um nicht zu rauchen. Es eignet sich außerdem hervorragend, um sich über den Zustand seines Körpers Sorgen zu machen.

Da traf es sich gut, dass ich mich schon seit geraumer Zeit fragte, ob der wirklich so aussah, wie er aussah, oder ob ich schon an einer Körperschemastörung litt. Ich entschied mich für Ersteres – und verdonnerte mich in der Folge zu einem Notfallprogramm, das mich dem Beach Body in sechs Wochen näherbringen sollte: Ich warf meinen Kühlschrank auf den Müll, ernährte mich ausschließlich von Eiklar und lud »Freeletics« auf mein Handy, das mich fortan täglich zum Workout ermahnte. Dann drehte ich wieder Ö1 auf und hörte ein Radiokolleg über Selbstoptimierung im Neoliberalismus, während ich mir unentwegt mit der flachen Hand ins Gesicht schlug. Um die Durchblutung zu fördern versteht sich. Ich fühlte mich so toll wie nie.

Nie wieder Weißbrot

Später lachte ich Heidis Mädchen aus, weil sie sich beim Nacktshooting so blöd anstellten. Dabei fand ich eine Zigarette im Sofa. Plötzlich wurde mir klar, wie durcheinander mein Belohnungszentrum mittlerweile geraten war. Es ist eine Sache, ständig auf der Jagd nach dem besten Selbst zu sein. Toxisch sind die Minder­wertigkeits­gefühle, die einen dabei antreiben. Ich fragte mich: Würde es mir besser gehen, wenn ich bis in alle Ewigkeit meine Zero Vision lebe? Würde ein Leben ohne Selbsthass bedeuten, dass ich nie wieder Weißbrot essen kann? Am Herd entzündete ich meine letzte Zigarette. Mit Gewohnheiten kann man halt nicht so leicht Schluss machen wie mit irgendeiner Affäre: ihnen in die Augen schauen und sagen, man hätte Gefühle für sie entwickelt. Gewohnheiten sind eher wie S-Bahn-Fahrten. Keiner versteht sie wirklich. Man braucht durchschnittlich 66 Tage, bis man einsteigt ohne nachzudenken, bis sie irgendwann Routine werden. Außer morgens Porridge zu essen, das bleibt für immer ein Kraftakt.

Josef Jöchl ist Comedian. Sein gegenwärtiges Programm heißt »Nobody«. Aktuelle Termine sind unter www.knosef.at zu finden. Josef ist per Mail unter joechl@thegap.at sowie auf Twitter unter @knosef4lyfe zu erreichen.

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