Josef Jöchl artikuliert in seiner Kolumne ziemlich viele Feels. Dieses Mal beschäftigt ihn die Angst der Kulturarbeiter*innen vor der KI.
Eine Freundin fragte mich vor Kurzem, ob ich mich auch bei Chat GPT bedanke. »Bedanken?«, antwortete ich verwundert, »ich bedanke mich doch bei keiner Maschine!« Zumindest bei keiner ohne Plastikgehäuse. Für einen Tintenstrahldrucker habe ich nach einem soliden Inkjob schon mal ein paar aufmunternde Worte. Doch der Diskurs über künstliche Intelligenz geht mir als Contentmaus gelinde gesagt auf die Nerven. Wenn du deinen Lebensunterhalt damit verdienst, Inhalte für ein undankbares Internet zu produzieren, empfindest du Chat GPT wie ein neues Familienmitglied, das alle plötzlich viel lieber haben als dich. Jedes Mal fühlte ich die nur dürftig verhohlene Verzweiflung von Kreativen, wenn sie sich auf sozialen Medien darüber lustig machten, dass die Auswürfe von Large Language Models gar nicht so menschlich klingen wie sie selber.
In unserer Jugend hatte man uns weisgemacht, dass unbedingte Selbstverwirklichung zu einem guten Leben dazugehöre, und nun haben wir den Salat. Wofür sollte ich mich also bedanken? Viel eher würde ich Chat GPT einen gemeinen Spitznamen wie Stink GPT geben und es so von innen zerstören. Auch so ein Gedanke, an dem sich mein stark limitiertes Skillset ablesen lässt. Doch was ist die Alternative für Kreative mit guter Deutschmatura? Wovon sollen wir in Zukunft leben?
Eine Zukunft in der Daseinsvorsorge
Für Menschen mit betuchten Eltern stellt sich diese Frage natürlich nicht. Ärzt*innen- und Professor*innenkinder hatten seit jeher mehr Beinfreiheit in der Kulturarena. Besagte Freundin war hingegen nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren. Für die Theaterwissenschaftlerin war die Arbeit in der freien Szene mehr Luxus als (Öfferl-)Broterwerb, weshalb sie schließlich beim AMS anheuerte. »Was willst du denn beim AMS? Solltest du nicht eigentlich über Performanz in der zeitgenössischen Dramatik dissertieren?«, fragte ich sie besorgt. »Hoffnung ist doch auch nur ein Mangel an Information, Heiner Müller«, antwortete sie abgeklärt, während sie ihre Zigaretten für die Mittagspause vorrollte.
Sie war längst nicht die Einzige in meinem Umfeld, die sich beruflich auf einen Job im öffentlichen Bereich verlegte. Ein befreundeter Schauspieler wurde Volksschullehrer, aus einem Künstler wurde ein Straßenbahnchauffeur, eine Webdesignerin interessierte sich plötzlich für die Fahrdienstleitung bei der ÖBB. Sie alle stellten die Realisation ihrer lange gehegten Sehnsüchte hintan, um in der Daseinsvorsorge ein wenig Sicherheit zu finden. Was mich am meisten irritierte: Während ich mich täglich vom blinkenden Textcursor in MS Word hypnotisieren ließ, schienen ihnen ihre neuen Berufe sogar Spaß zu machen.
Was die Leute wirklich wollen
Der ehemals kulturarbeitende Lehrer freute sich über dankbares Publikum, das die Interaktion nicht scheute und dafür nicht mehr wollte als einen glitzernden Sticker im Hausübungsheft. Die Webdesignerin-cum-Fahrdienstleiterin meinte, das Zugnetz wäre letztlich auch nur wie das Stylesheet einer sehr gebirgigen Website. Vor allem der Bimfahrer, der sich jahrelang an den Hürden des Kunstbetriebs abgearbeitet hatte, war begeistert: »Auf den meisten Openings stehen die Leute auch nur herum wie im 49er. Nur dass sie dort erst abhauen, wenn der billige Weißwein ausgesoffen ist.«
Der Tenor ihrer Berichte war einhellig: »Weißt du, Josef, es fühlt sich einfach gut an, etwas zu machen, was die Leute wirklich wollen.« Das brachte auch mich ins Grübeln. Welcher Karriereweg könnte sich mir in Bund, Ländern und Gemeinden öffnen? Welche meiner Skills ist dem allgemeinen Interesse zuträglich? Was Soziales kam nicht in Frage. Ich hatte schon genug Zeit mit Leuten verbracht, die nicht über meine Witze lachten.
Euch hol ich locker ein!
»Ich könnte Müllmann werden. Müllmänner verdienen gut!«, erzählte ich einer frischgebackenen Polizistin, die zuvor Soziologie studiert hatte. Soziologinnen sind nämlich bei Kreativen mitgemeint. »Josef, du schaffst es ja nicht mal, deine eigene Wohnung aufzuräumen. Wie soll dir das für einen gesamten Stadtteil gelingen?«, erwiderte sie, »außerdem hat dein Fahrrad kein Licht und du hattest heute bestimmt mehr als zwei Bier. Das macht dann 70 Euro.«
Auf dem Heimweg zermarterte ich mir das Hirn. Die ewige Frage, ob ich davon leben könne, hatte mich mürbe gemacht. Könnte der Fachkräftemangel nicht auch für mich eine Chance sein? Würde ein pensioniertes Boomerchen nicht auch eine Lücke lassen, in die ich passte? Vielleicht holte ich die anderen ja auch locker ein und machte meinen Prompt Engineer! Zu Hause klammerte ich mich an den letzten Strohhalm. Ich fragte Chat GPT nach Berufen für mäßig erfolgreiche Komiker im öffentlichen Bereich. Die Antworten ließen zu wünschen übrig: »Comedy-Workshopleiter, Social-Media-Influencer, Podcast-Host« und noch ein paar weitere Grausamkeiten. Danke für nichts, Chat GPT! Danach schlief ich zufrieden ein. Vermutlich ist diese künstliche Intelligenz doch noch nicht so weit, wie alle sagen.
Josef Jöchl ist Comedian. Sein aktuelles Programm heißt »Die kleine Schwester von Nett«. Termine und mehr auf www.knosef.at. Per E-Mail ist Josef unter joechl@thegap.at zu erreichen, auf X (vormals Twitter) unter @knosef4lyfe.