Sex and the Lugner City: Unter dem Milky Way

Josef Jöchl artikuliert in seiner Kolumne ziemlich viele Feels. Dieses Mal zum Thema Liebe. Und er fragt sich, wie man eigentlich jemanden anspricht.

© Ari Yehudit Richter

In Sachen Liebe greife ich nach den Sternen. Oder, unlängst im Spar, nach Tofu, Soja-Schnetzel und Oreos. Zwischen den Gängen hatte ich einen besonders süßen Veganer entdeckt, der rein optisch keine Zweifel an seiner Ernährungsweise ließ. Er trug einfach die größten Tunnel-Ohrringe, die ich je gesehen habe. Wenn ich süße Veganer entdecke, passiert etwas mit mir. Augenblicklich verwandle ich mich selbst in einen Veganer. In erster Linie begreife ich mich nämlich nicht als Flexitarier, sondern als Sexytarier. Unauffällig legte ich eine Packung Buttermilch zurück ins Kühlregal und fortan ausschließlich tierleidfreie Produkte in meinen Einkaufswagen, den ich mit gespielter Abscheu an der Fleischtheke vorbeirollte.

Wenige Minuten später präsentierte ich ihm meine Beute auf dem Kassenband, doch der vegane Hottie würdigte sie keines Blickes. Noch während ich meinen ethisch einwandfreien Einkauf bezahlte, fiel er in die Arme einer jungen Frau, die auf seine Hunde aufgepasst hatte. Mit ihm wäre ich also eh nicht in der Bio-Kiste gelandet. Manche Sterne sind eben zu weit entfernt. Trotzdem stellte ich mein Flirt Game in Frage. Auf einmal schien es so unwahrscheinlich, dass ein Love Interest auf mich aufmerksam würde, nur weil ich was Ähnliches esse. Ich konnte nicht anders, als mich zu wundern: Wie spricht man eigentlich jemanden an?

Wie spricht man jemanden an?

Eine kurze Internet-Recherche bestätigte meine Vermutungen: überhaupt nicht. Niemals. Unter keinen Umständen sollte man jemanden ansprechen. Seriously, wie soll das funktionieren? Mit einer Pick-up-Line? Bist du ein Wi-Fi? Weil ich fühle eine Connection. Bist du verwandt mit Jean-Claude van Damme? Weil van Damme bist du sexy. Fühl’ mal mein T-Shirt? Weißt du, woraus es gemacht ist? Boyfriend Material. No pick-up lines, ever – meine Meinung.

Reden ist in den allermeisten Fällen peinlich. Wenn du einem potenziellen Polarstern IRL begegnest, solltest du nicht zu viel machen. Vielleicht mal kurz in seine Richtung schauen und dann irgendwie seinen Insta-Handle rausfinden. Denn die mittlerweile einzig vertretbare Art, jemanden kennenzulernen, ist Instagram. Dort kannst du ihn auschecken und dann, wenn es passt, einen Quick React auf eine Story abfeuern.

Aber, wichtig: nicht durchdrehen und gleich sein ganzes Profil durchliken. Das kommt eher needy rüber. Nur hin und wieder etwas liken und dann irgendwann den Chat auf ein cooles Gesprächsthema lenken, wie zum Beispiel »Midnights« von Taylor Swift. Dann über der Frage bonden, welchen Track man gerade am härtesten fühlt, und so hat man dann jemanden kennengelernt. Funktioniert vielleicht nicht in 100 Prozent aller Fälle, aber das war bis vor Kurzem mein Approach. Bis mich mein Real Life vor eine Herausforderung stellte.

He’s a 10, but … he’s a 10!

Es war eine sternenklare Nacht. Ein Freund hatte mich zu einem Dinner eingeladen. Mir gegenüber saß ein absoluter Cutie, der mir noch nie begegnet war. Süßes Lächeln, angenehme Präsenz, eine glasklare Zehn. Ich war komplett überfordert. Sofort fiel ich in alte Verhaltensmuster zurück und begann exakt gleich zu essen wie das Objekt meiner Begierde. Sekundengleich stach ich meine Gabel in dasselbe Gemüsestück wie er. Nahezu synchron tunkten wir die Bissen unserer Spinatknödel in zerlassene Margarine. Parallel hoben wir unsere Gläser mittelpreisigen Weißweins. Es war mir ein starkes Bedürfnis ihn anzusprechen, doch wie sollte ich das anstellen?

Als ich eine rauchen ging, kam er mit auf die Terrasse, um mir Gesellschaft zu leisten. Unter freiem Himmel gab er sich als Astrophysiker zu erkennen. Was sollte ich darauf sagen? Worüber reden? Panisch suchte ich die wenigen Informationen über das Weltall zusammen, die mir ohne Google zur Verfügung standen. Angestrengt presste ich ein paar Fragen heraus. »What’s your research about?« und »What’s driving innovation in the field of astrophysics?«, hörte ich mich selber sagen und starrte dabei auf meine Füße.

Doch dann passierte, was immer passiert, wenn jemand über seine Forschung spricht: In meinem Kopf begann eine Mariachi-Band zu spielen. Leise hörte ich den Cutie etwas von Sternendynamik und dunkler Materie erzählen, während sich Bläser und Rhythmusfraktion zu Höchstleistungen antrieben. Erst nach der Zigarette verstummte die Musik und er zeigte mir endlich den Großen Wagen, den Großen Bären, den Löwen, den Fliegenden Fisch, den Fuhrmann, das Füchslein und das Haar der Berenike. Wir haben uns dann noch ganz nett unterhalten. Er ernährt sich außerdem vegan.

Josef Jöchl ist Comedian. Sein aktuelles Programm heißt »Die kleine Schwester von Nett«. Aktuelle Termine sind auf seiner Website www.knosef.at zu finden. Per E-Mail ist Josef unter joechl@thegap.at, auf Twitter unter @knosef4lyfe zu erreichen.

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