Der erste Schritt, im Fahrwasser der Klangwolke zu agieren, war ja genial. Dann aber kam beim Linzer Festival Kohle ins Spiel.
»Sie ham es versabelt« – ich glaube, auf Deutsch heißt das: Sie haben es versägt, dazustückeln geht nicht mehr. Der Name »Museum der Zukunft« für das Festivalzentrum wirkt ja schon, als wolle man die Utopien mit Gewalt in die Köpfe der Besucher pressen. Man merkt aber früh, dass es nur eine Marketing-Strategie ist, ähnlich dem Satz, der die Krise prägt: »Wir sind gut aufgestellt«. Dies versägte Werkstück betrifft leider nicht nur die Ars Electronica, sondern auch das ganze Image einer Stadt. Zusätzlich wird einem Kunstgenre, das wirklich einmal für Utopien gesorgt hat, der Boden unter den Füßen weggezogen. Vielleicht ist es der Nähe zur Politik geschuldet. Oder man hat vergessen sich abzugrenzen. Man hätte eine künstliche Barriere, ähnlich einer Grenzkontrolle, zu den parteipolitischen Interessen installieren sollen, dadurch hätte viel Schaden für die Stadt Linz verhindert werden können. Das Image der sauberen Stadt der Neuen Medien ist nun ein wenig angekratzt, was natürlich wieder auf die Politik zurückfällt.
Der Konstruktionsfehler
Am Anfang war es ein genialer Plan: Im Schatten der Klangwolke, bei der die Massen und die Parteipolitik zufriedengestellt wurden, gab es ein kleines Festival für elektronische Kunst. Das hat anfangs auch prächtig funktioniert. Fakt ist aber, das nun dieses Werkstück versägt wurde. Diese »Versabelung« könnte man beim Bau des Ars Electronica Centrum (AEC) ansetzen. Oder vielleicht begann sie auch schon früher, Mitte der 80er Jahre, bei der Aufteilung des Festivals zwischen Brucknerhaus und ORF Zentrum Linz. Im Brucknerhaus war das Laboratorium aufgebaut, die praktische Versuchsanstalt, die das Ganze sehr lebendig machte, und im ORF-Zentrum waren die »sauberen« Medien, z.B. Videokunst beheimatet. Diese wurden dann auch bald mit dem Kapital der Industrie unterstützt. Mit dem Neubau eines Festivalzentrums wurden dann die Fehler dieser Konstruktion deutlicher.
Die Sache mit dem Labor
Es war ein Trend der Zeit, Kunst nicht mehr in Ausstellungen zu zeigen, sondern sie fand immer mehr in Laboratorien statt. Die inhaltlichen Architekten jener Zeit haben das ja auch gesehen und einen großen Teil des AEC mit einem Labor ausgestattet. Dieses Labor hatte dann auch schon wieder so einen klingenden Namen: Futurelab. Aber leider hat da jemand nicht kapiert, worum es damals eigentlich ging. Darum nochmals an die Stadt Linz und die Leitungen solcher Museen und Festivals: Labore sind nicht dazu da, Geld zu generieren, sondern die Labore sind das Herz der Kreativität in diesem Bereich. Wenn es um Kunstkontext und Utopie gehen soll, dann können diese nicht in Abhängigkeit eines wirtschaftlichen Erfolges stehen. Kunst muss Dinge erfinden, die nicht zwangsläufig einen Nutzen haben. Argghhh … ihr Penner, ihr habt es wirklich verschlafen!
Vorgeführt von den Naturwissenschaften
Nun, 20 Jahre nach diesem Fehler und einer Wüste, die das AEC mit seiner Ars Electronica hinterlassen hat, werdet ihr vorgeführt von den Naturwissenschaften, bei denen es eigentlich um einen Nutzen für die Menschen gehen soll. Diese Labore in den Naturwissenschaften haben inzwischen mehr mit dem Thema zu tun als euer gesamter »Betrieb der Zukunft«. Anton Zeilinger mit seinem Institut für Quantenphysik wurde nicht zuletzt deshalb auch zur Documenta nach Kassel eingeladen, um dort eine neue Sicht auf die Dinge der Welt zu präsentieren. Dabei wäre es so einfach gewesen. Der erste Schritt, im Fahrwasser der Klangwolke zu agieren, war ja genial. Man hätte diesen Trick auch weiter anwenden können. In einer massenkompatiblen und parteipolitisch gefälligen Institution hätte man ein paar kleine Freiräume (Labore) installieren müssen, in denen dann wirklich an interessanten Dingen gearbeitet wird. Ein anderer Weg, politische Erfordernisse zu erfüllen, wäre es, ein populäres elektronisches Musikfestival wie das Elevate oder das Sonar nach Linz zu holen.
Die Realität ist anders: Im AEC werden Entwicklungen der Wirtschaft und Industrie als Innovationen vermittelt, mit den Entwicklungen im Futurelab des AEC wird wiederum die Wirtschaft und Industrie unterstützt. Ein Modell, das sicher kurzfristig Kohle einspielt, aber keine Dauerlösung ist. Denn die meiste Kohle wird dafür verwendet, die Erde hinter sich zu verbrennen.
Franz Xaver ist Künstler und Beobachter der Neuen Medien, war bis 2003 in Wien tätig, dann Leitung des Medienkunstlabors in Graz und seit 2009 Mitarbeiter der Stadtwerkstatt Linz.
Die Ars Electronica findet von 5. bis 9. September in Linz statt. Es wird um Erinnerung gehen.