Immer wieder pirschen sich Menschen an mich ran, einfach um zu erfahren, wie ich es denn anstelle, etwas so Wichtiges wie das innere Gleichgewicht nicht zu verlieren.
Üblicherweise antwortete ich auf derartig persönliche Anschläge mit dem Verweis, dass ich eigentlich doch stolzer Besitzer eines sehr schlichten Gemütes bin.
»Ironie, vor allem die Selbstironie, ist so was von 00er-Jahre«, stieg mich unlängst ein Hipster-Weibi an, der ich, um meine Ruhe vor ihr zu haben, lügend erklärte, wie mich Trinkübungen vorm Fernseher und Rechner fit halten. Dass die 00er Jahre das Scheißhaus unter den Dekaden sind, vierschwieg ich aber vorsichtshalber. Ich war mir nämlich nicht sicher, ob ich dann der restlos coolen Braut erklären hätte müssen, dass die Doppelnull eine international gängige Abkürzung für Toiletten ist. Der Umstand nämlich, dass auf ihrem sehr knapp bemessenen T-Shirt in fetten Lettern »Stil vor Talent« geschrieben stand und das hippe Persönchen gerade eben das Ende der Ironie propagierte, veranlasste mich zu einer derartigen inneren Überheblichkeit ihr gegenüber. Denn das bedeutete ja, dass sie ihre T-Shirt-Botschaft ernst meint und somit eine Oberflächlichkeit propagiert, die im schlimmsten Fall die Menschheit noch tiefer in irgendwas reinreitet. Ein bisschen so wie ein Dyson-Designerstaubsauger, der harmlos cool aussieht und einem dann trotzdem fürchterlich das Genital verletzt. Die dürfte also nicht gerade das hellste LED-Lämpchen im Club sein.
Abgesehen davon gibt es eigentlich nichts Mühsameres, als Gespräche über Toiletten zu führen. Wobei ich schon zugeben muss, dass ich auf diesem Gebiet ein echter Topchecker bin. Wenn man mich zum Beispiel fragt, welche von vier Klo-Kabinen statistisch die sauberste ist, weiß ich sofort die Antwort. Und zwar für den Damen- und Herren-Abort.
Die Klosteuer spült das Geld, das nicht stinkt
Regelmäßig nerve ich auch meine Mitmenschen mit einem immer gleichen historischen Exkurs, der ins antike Rom führt und die Geschichte erzählt, wie Kaiser Vespasian die Erleuchtung bekam, mit einer Klosteuer Geld in die leere Staatskasse zu spülen. Seitdem ist übrigens der Satz »Geld stinkt nicht« ein geflügeltes Wort, das nahezu immer passt.
Manchmal etwas weniger. Zum Beispiel beim hochtalentierten Grafiker, der ein endgeiles Etikette für die WC-Ente zusammenbastelt und kleine anarchische Insidergags an den Entscheidungsträgern vorbeischummelt. Manchmal mehr, wie bei einem alten Schulkollegen, der wegen Latein mehrmals am Aufstieg in die nächsthöhere Schulstufe gehindert wurde und den ich unlängst beim Schrubben einer öffentlichen WC-Anlage wiedererkannte. Ich war mir sicher, dass er nicht eintönig latrina, latrinae, latrinae, latrinam, latrina, latrina, latrinae, latrinarum, latrinis, latrinae, latrinis, vor sich her murmelt, wenn er den Wischmop geübt über die Fliesen bewegt. Das eine oder andere Mal wird er sich aber schon »pecunia non olet« gedacht haben.
Stil und Talent
Ja, ja. So ist das mit mir und dem Klo. Wo dieses Episödchen herkommt, sind noch einige andere zu Hause. Um sie zu beschreiben braucht es aber leider Stil und Talent zu gleichen Teilen. Und das – im obigen Absatz konnte ich es gerade wirklich für mich selbst wieder einmal feststellen – hab ich leider nicht. Versuchen muss ich es aber trotzdem ab und an. Warum? Keine Ahnung. Vergleichbar ist das etwa mit dem merkwürdigen Drang rhythmisch völlig unbegabter Menschen, sich nach einigen smoothen Drinks zum großen Gebalze auf die Tanzfläche zu wagen. Im besten Falle legen sie dann einen klassischen Liam Gallagher hin und schaukeln mit verschränkten Armen hinterm Rücken am selben Platz verharrend von einem Bein aufs andere. Ein Move, der sich übrigens schon seit über 17 Jahren hält und irgendwie immer geht. Immer. Auch zu total verrückten Electro-Klezmer-Sounds! Wobei, dazu schaut es fast besser aus, wenn man die Grundposition vom Gallagher erweitert und mit den Händen noch so tut, als spiele man einen Schellenkranz – also ein bisschen dazu klatscht. Am besten leicht asynchron zum Takt.
Mehr von Allem
Aus irgendeinem Grund wollte die Hipster-Lady nicht von mir ablassen. Großmäulig erklärte ich ihr daher: »Die Antwort auf die Ironiekrise der beginnenden 10er Jahre sollte nicht weniger, sondern muss mehr Ironie sein!« Der Satz erschien mir in dem Moment irgendwie richtig, ich hab ihn nämlich in letzter Zeit in abgewandelter Form sehr oft gelesen und gehört. »Die Antwort auf die Eurokrise darf nicht weniger Demokratie, sondern muss mehr Demokratie sein.« »Die Antwort auf die Bildungskrise, darf nicht weniger, sondern muss mehr Bildung sein.« »Die Antwort auf die Probleme mit der Steuererklärung darf nicht weniger, sondern muss mehr Steuer sein.« Da ist also sicher was dran. Das war der Coolen aber egal. Sie kramte nur in ihrer Tote Bag, ein stinkfades Stoffbeutel-Souvenir, das sie unlängst erst aus London mitgebracht hat, herum und fischte eine Mineralwasserflasche heraus. »Ich glaube ja, dass knochentrockener Zynismus das neue Ding ist«, sagte sie und nahm einen großen Schluck aus der rosa Plastikflasche. Sonderedition Brustkrebs. Die gab’s mal bei einem Event, wo sie geladen war. Sie hat sie jetzt immer dabei und füllt immer nur Leitungswasser ein. Um ein Zeichen zu setzen. Für Nachhaltigkeit und Solidarität. Cool. Ich verschwieg ihr, dass man PET-Flaschen nicht so oft wieder befüllen soll und ihnen Hitze nicht gut tut. Könnte Krebs auslösen – sagt man. Aber erstens weiß ich nicht ob das stimmt, zweitens ist es gut fürs innere Gleichgewicht, manchmal den Mund zu halten und drittens hätte sie es wohl ironisch verstanden.