Stolz und Hackebeil

Melange aus der Trash-Kiste: Mashups vermischen Klassiker der Literatur oder die Lebensgeschichte historischer Personen mit Elementen aus Zombie- oder Vampirstorys. Das ist absurd, macht aber einen Heidenspaß. Solange sie sich selbst nicht allzu ernst nehmen.

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Dieser Text beginnt mit einer wenig überraschenden Feststellung: Wohlhabende Männer und Zombies haben unterschiedliche Bedürfnisse. Die Wünsche der Herren hat die britische Autorin Jane Austen zu Beginn ihres Schlüsselwerks »Pride and Prejudice« in einem der berühmtesten Einstiegssätze der Literaturgeschichte zusammengefasst: »It is a truth universally acknowledged, that a single man in possession of a good fortune, must be in want of a wife.« Ähnliches tat der New Yorker Autor Seth Graham-Smith in seinem Debütroman für die Wünsche der Zombies: »It is a truth universally acknowledged that a zombie in possession of brains must be in want of more brains.»

Gewisse semantische Übereinstimmungen sind nicht zufällig. Graham-Smith nahm sich den Grundplot des klassischen Werks um die komplizierte Verheiratung dreier Schwestern im England des späten 18. Jahrhunderts vor und ergänzte ihn mit Elementen moderner Untoten-Geschichten, inklusive zahlreicher Kampfszenen und Ninjas. »Pride and Prejudice and Zombies« stürmte die New York Times-Bestseller-Liste und begründete mal eben ein neues literarisches Genre: die Mashup Novel. Mashups sind keine reinen Parodien. Die Autoren remixen Literatur, ganz ähnlich wie im Musikbereich. Zwei Quellen werden zu etwas Neuem kombiniert, der Schöpfer des Originals wird dabei im Normalfall weiter als Co-Autor geführt. Der Bastard-Pop der 90er Jahre – »A Stroke Of Genius« wurde vom Guardian zur wichtigsten Single der Nullerjahre auserkoren – hat heute völlig zu Recht keine Bedeutung mehr, stand aber für die Herangehensweise Pate, ebenso wie es Parallelen zur Travestie-Literatur vergangener Jahrhunderts gibt.

Dem Erfolg der Zombie-Austen-Melange folgten schnell einige Nachahmer. »Sense and Sensibility and Sea Monsters«, »Queen Victoria, Demon Hunter« oder „»Android Karenina« heißen mehr oder minder erfolgreiche Werke des Genres. Auch Graham-Smith, Vater der Mashups, legte nach. Erst mit seinem gerade verfilmten Zweitling »Abraham Lincoln, Vampire Hunter«, heuer im April folgte mit »Unholy Night« eine Mischung aus Weihnachtsgeschichte und dem homoerotischen Gemetzel in »300«. Auch in den deutschsprachigen Raum ist das Phänomen bereits vorgedrungen. Die Autorin Claudia Kern versuchte sich mit »Sissi, die Vampirjägerin. Scheusalsjahre einer Kaiserin« an der Neuinterpretation einer österreichisch-bayrischen Ikone.

Altbekanntes, neu betrachtet

Das Ganze ist natürlich im höchsten Maße absurd. Wenn die Hauptfigur Elisabeth Bennet einen überraschenden Heiratsantrag nicht nur zornig zurückweist, sondern gleich mit dem Zweihandschwert beantwortet oder der Kampf zwischen Verstand und Gefühl um den Kampf gegen Seemonster ergänzt wird, fragt man sich unweigerlich, was zum Teufel das alles soll. Aber gerade an solchen Stellen offenbart sich das Wesen der Mashups: Sie bedienen sich an den bekannten und zentralen Punkten ihrer Quellen, ohne diese zu verraten. Deshalb auch die Vorliebe für Altbewährtes: »Pride and Prejudice« ist immer noch eines der beliebtesten Bücher des Vereinigten Königreichs, und die Handlung kennt im Grunde jedes Schulkind. Genauso wie die wichtigen Stationen des Lebens von Abraham Lincoln jedem Amerikaner bekannt sind. Die Eckdaten der Geschichten bleiben in den Mashups erhalten und erfüllen eine Doppelfunktion: Der Leser kann sich an diesen bekannten Fakten entlanghangeln und wird durch neue Perspektiven immer wieder überrascht. So schafft Lincoln die Sklaverei in dem Roman weniger aus politischen oder moralischen Gründen ab, sondern um seinen blutsaugenden Gegnern auf Seiten der Konföderierten die Nahrungsquelle abzudrehen.

Kulturerzeugnisse haben immer Vorläufer

Die Technik, sich aus verschiedenen Quellen Inspiration zu holen und sich an Bekanntem zu bedienen, ist natürlich nicht neu. Im Gegenteil: Es ist eine elementare Kulturtechnik, die sich durch die gesamte Film- und Literaturgeschichte zieht. Sämtliche Dramentheorien basieren auf der Annahme, dass es Grundkonstellationen, Figuren und zentrale Motive gibt, die zumindest für einen bestimmten Kulturkreis und seine Erzeugnisse universell sind. Dabei ist es natürlich unmöglich, die Henne-Ei-Frage zu beantworten: Kommt in nahezu jedem Skript ein Vaterkonflikt vor, weil die Zuschauer psychologisch darauf anspringen, oder springen die Zuschauer darauf an, weil er ihnen von Kindesbeinen an in jedem Erzeugnis der Kulturindustrie begegnet?


Die Antwort auf diese Frage ist letztlich egal. Manchmal entstehen aus Versatzstücken Werke, die für ihre Zeit stilprägend sind. Die »Star Wars«-Saga ist im Grunde buntes Kaleidoskop aus Elementen, die George Lucas aus Western, antiker Mythologie und Samurai-Filmen ästhetisch und dramaturgisch (weitgehend) schlüssig zusammengefügt hat. Es mag heute modern sein, den Tod des Originals auszurufen. Dabei vergisst man aber gerne, dass die Werke auch früher nicht im Vakuum entstanden. Shakespeares »A Midsummer Night’s Dream« – ein Stück, das Autoren und Filmemacher, von Botho Strauß bis Woody Allen, alle wie einen Steinbruch benutzt haben – geht auf mehrere Quellen zurück, unter anderem auf die Metamorphosen des römischen Dichters Ovid. Je länger die »Inspirationskette«, desto schwerer ist sie zurückzuverfolgen. Die Grenzen zwischen Inspiration und direktem Zitat sind dabei natürlich fließend. Letzteres wird übrigens durchaus unterschiedlich beurteilt: Horrorfans feiern meist jedes Bildzitat, während es sich ein Action-Regisseur heute nicht mehr erlauben sollte, vor einem Shoot-Out in Zeitlupe Tauben in den Himmel steigen zu lassen.

Existenzberechtigung durch Lächerlichkeit

Mashup, Inspiration, Bearbeitung, Zitate, Plagiat – die Grenzziehung ist in dem Bereich naturgemäß schwierig. Nicht alles, was auf den ersten Blick wie ein Mashup wirkt, ist es auch. Es reicht nicht aus, eine Geschichte in eine andere Epoche zu transportieren und Schwerter durch Kanonen zu ersetzen. Baz Luhrmanns »Romeo & Julia« aus dem Jahr 1996 gehört nicht zu diesem Genre. Als moderner Vorläufer kann aber zum Beispiel »From Dusk Till Dawn« gelten, der sowohl Splatterfilm als auch Roadmovie ist. Auch die indische Filmindustrie ist mittlerweile gut darin, westliche Klassiker mit den typischen Bollywood-Elementen zu vermischen.

Letztlich hält die aktuellen Mashups vor allem eine Sache zusammen: die Lust am Trash. Wer ihnen mit Ernst begegnet, hat sie nicht verstanden. Das zeigt sich auch am Scheitern der Verfilmung von »Abraham Lincoln, Vampire Hunter«. Das Problem sind weniger die überladenen Actionszenen oder die Änderungen, die das Skript vom Buch unterscheiden. Das Problem ist die Grundhaltung. Der Russe Timur Bekmambetov (»Wächter der Nacht«, »Wächter des Tages«) inszeniert den Film mit einem heiligen Ernst, ohne jedes Gespür für die Lächerlichkeit der Geschichte. Und beraubt sie dadurch ihrer Existenzberechtigung. Natürlich ist auch das Trash, was Bekmambetov da macht. Aber Trash im wörtlichen Sinn: unnötiger Müll. Und nicht Geschichten, die die Übertreibungsspirale so weit drehen, dass es schon wieder unterhält. Wenn etwas unnötig ist, dann sollte es sich dessen bewusst sein und Spaß machen. Eine Lektion, die Graham-Smith und die anderen Autoren verstanden haben.

»Abraham Lincoln, Vampirjäger« ist ab dem 4. Oktober in den österreichischen Kinos zu sehen.

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