Für die neue Projektschiene »KUB Billboards« des Kunsthaus Bregenz bespielt die in Wien lebende Künstlerin Anna-Sophie Berger gegenwärtig Plakatflächen im öffentlichen Raum.
Anna-Sophie Berger studierte in der Modeklasse und der Klasse für Transmediale Kunst der Universität für angewandte Kunst Wien. Bereits während des Studiums verortete sich ihr Umgang mit Mode und Modefotografie im Bereich der visuellen und bildenden Künste. Berger beschäftige sich mit performativen Ansätzen in der Mode und der Erweiterung des Objektbegriffes. Hinzugekommen ist die künstlerische Auseinandersetzung mit gegenwärtigen semiotischen Strukturen, der differenzierte Umgang mit sprachlichen Zeichen im Kontext zunehmender Repräsentation durch Bilder.
Keine narrative Logik
Anna-Sophie Berger hat für die Billboards in Bregenz Bilder aus ursprünglich unterschiedlichen Kontexten und Materialien ausgewählt, die zunächst keine narrative Logik aufweisen. Sie hat sich bewusst gegen eine linear lesbare Abfolge entschieden. Diese konzeptionelle Einschreibung ist nicht zuletzt dem Ort an dem die Serie präsentiert wird zu verdanken: ein Un-Ort für Kunst im öffentlichen Raum, eine vielbefahrene Straße. Betrachterinnen und Betrachter entscheiden sich nicht aktiv für die Betrachtung der Werke von Berger, sondern nehmen diese beiläufig wahr. Die passive Hilflosigkeit der Öffentlichkeit und die kritische Haltung gegenüber der Kunst im öffentlichen Raum nimmt Anna-Sophie Berger zum Anlass, um den gängigen Diskurs um die Aufmerksamkeit der Bilder zu kommentieren.
IOS-Motive, Hexen und Mandalas
Die Re-Medialisierung von Materialien und Dingen, oft durch ein spezifisches Handwerk, ist eine zentrale künstlerische Praxis, die Berger verfolgt. Das Mandala, »22nd June«, überlagert von Sätzen – persönliche Sätze über einen regnerischen Morgen: horrible morning, unable to get up, glad for the rain – ursprünglich eine Arbeit einer 14-teiligen Serie an Druckgrafiken, welche die Künstlerin im Zuge einer »fiktiven« Selbsttherapie anfertigte, wurde eingescannt und bildgebendes Material für ein Billboard. Die dystopische Landschaft mit wolkenverhangenem Himmel, durch den schmale Lichtstrahlen dringen, ein Screenshot eines IOS-Handyspiels, mit dem Berger ihre Zeit verspielt. Eine Reproduktion eines Holzschnitts von Hans Baldung aus dem Jahr 1510 zeigt Frauen bei der Zubereitung der sogenannten Flugsalbe, ein Motiv aus der Hexenmythologie. Ein Selfie der Künstlerin ist ursprünglich ebenfalls Teil einer komplexen Arbeit, die Identität und Selbst als performativen Ansatz thematisiert. Bei der Salbe, die Anna-Sophie Bergers Gesicht markiert, handelt es sich um ein selbst hergestelltes Produkt, basierend auf einer pharmazeutischen Rezeptur. Die Künstlerin, die auf dem Land sozialisiert wurde, interessieren auch im Bezug auf Bregenz als Örtlichkeit Fragen nach Identität und Selbst und der disparaten, anderen Öffentlichkeit. Wie repräsentiert sich Identität und das Selbst und wer ist die andere Öffentlichkeit? Die Follower, ein ländliches Etablissement oder der Citoyen? Indem Berger mit ihrem Arrangement mehrere Rezeptionsmodelle anspricht, nähert sie sich den unterschiedlichen Konsumentinnen und Konsumenten ihrer Billboards an und sensibilisiert diese für den Umgang mit Bildern.
Mit der Befüllung von einfachen Oberflächen mit unterschiedlichen Bildern generiert Berger ähnliche Momente, wie wir sie aus Social Media Plattformen oder Instagram kennen. Die ausgewählten Sujets auf den Billboards sind formal gleichberechtigt. Das Individuelle drängt bei Berger in den öffentlichen Raum. Konkrete Referenzen aus dem Lebensalltag der Künstlerin werden in eine neuen Konstellation in die Pseudo-Öffentlichkeit überführt.
In weiterer Folge offenbart sich, dass die Anordnung der scheinbar zusammenhangslosen Bilder auf das Interesse der Künstlerin an der mehrfachen Überlagerung unterschiedlicher Bildformeln und -sprachen im digitalen Alltag zurück geht: homogene Inhalte und unterschiedliche dramatische Dimension einer Vielzahl von Bildern als Überinformation schreiben sich gleichwertig in unsere Aufmerksamkeit ein. Die Serie schließe damit, so Kuratorin Eva Birkenstock, in ihrer Heterogenität an die Bilderlogik der heutigen Medien an, bei der der Text im Kommunikationsprozess durch Bilder übersetzt wird. Bilder werden jenseits einer künstlerischen Praxis von vielen genutzt und benutzt. Alles wird zum Inhalt durch Bilder, die zirkulieren. Die Visualität der Bilder kann verführen, ohne das diese kritisch reflektiert werden. Bergers Strategie könnte man als Aufklärung des Aufzeigens bezeichnen.
Durch die Re-Medialisierung und dadurch entstehende neue Sichtweisen möchte Berger neue Aufmerksamkeiten arrangieren, einen differenzierten Umgang mit Bildern entwickeln und Genauigkeit und kritische Reflexion im Seh- und Wahrnehmungsprozess provozieren. Der Zusammenhang zwischen den heterogenen Einzelbildern wird dabei jeweils erst durch das Subjekt hergestellt. Im Falle von Bergers Arbeiten wird dann aber doch noch deutlich, dass es sich um eine konkrete Auseinandersetzung mit der weiblichen Identität handelt und darum ein Gefühl von Identität an einem (Un-)Ort zu (re-)konstruieren.
Die »KUB Billboards« von Anna-Sophie Berger sind noch bis zum 17. Mai in der Seestraße Bregenz zu sehen.
© Anna-Sophie Berger und Kunsthaus Bregenz