In den USA tobt eine unsinnige Diskussion darüber, wie Tarantino in seinem neuen Film mit der Sklaverei umgeht. Wer „Django Unchained“ in diesem Punkt kritisiert, hat die Herangehensweise des Regisseurs nicht verstanden.
Eine Klarstellung zu Beginn: Dieser Artikel will keine Filmrezension sein. Deshalb soll dieser Teil auch relativ schnell abgehandelt werden. „Django Unchained“ ist ein klassischer Tarantino. Gewalttätig, skurril, durchgehend cool – und vielleicht 15 Minuten zu lang. Christoph Waltz ist großartig (seine Rolle ist ihm allerdings auf den Leib geschrieben), auch Leonardo DiCaprio und Samuel L. Jackson überzeugen, während Jamie Foxx eher blass bleibt. Trotz mancher Schwächen definitiv sehenswert.
Nein, dieser Artikel soll ein Missverständnis ausräumen. Ein Missverständnis im Bezug auf Quentin Tarantino.
Obwohl er als einer der zumindest größten Regisseure unsere Zeit gelten kann, gibt es zu ihm kaum Konsens. Manche feiern ihn als den heißesten Scheiß der Popkultur und Gott der intelligenten Zweitverwertung. Andere kritisieren seinen überbordenden Formalismus und weisen darauf hin, dass seine penibel durchchoreografierten Einzelszenen nicht immer schlüssige Gesamtwerke ergeben. Aber vor „Django Unchained“ haben wenige seiner Filme eine Diskussion ausgelöst, die über die Flmseiten hinausgehen.
Das Sujet wird missverstanden
Django stieß in den USA nicht nur auf Gegenliebe. Jelani Cobb vom Institute for Afro-American Studies griff Tarantino im New Yorker ziemlich an. Der Tenor: Die Darstellung der Sklaverei wäre grob falsch und könnte sich auch nicht mit dem Verweis auf eine „alternative reality“ herausreden. Gerade darin läge nämlich das wirkliche Problem: „The primary sin of ‚Django Unchained‘ is not the desire to create an alternative history. It’s in the idea that an enslaved black man willing to kill in order to protect those he loves could constitute one.“ Es gab eben keineswegs den „one nigger in ten thousand“, der für seine Freiheit kämpfte. Sondern allein in den Nordstaatenarmeen knapp 200.000 freiwillige schwarze Soldaten. Sprich: Djangos Singularität, gerade im Kontrast zu den untätigen oder aktiv devoten Sklaven wie Steven, würde ein gefährlich passives Bild der Sklaverei zeichnen.
Der Artikel begeht aber einen Kardinalsfehler. Genauso wie die Journalisten, die „Django Unchained“ jetzt in eine Reihe mit Spielbergs „Lincoln“ stellen, um eine große Aufarbeitung dieses amerikanischen Themas zu konstruieren.
Das Missverständis ist zu glauben, Tarantino hätte einen Film über Sklaverei gedreht. Das hat er nicht. Das Sujet von Django ist nicht die Sklaverei. Es ist der Spaghetti-Western.
Tarantino ist ein Meister des Formalen. Seine Filme sind Auseinandersetzungen mit einzelnen Genres, nicht mit der Zeit oder Umgebung in die er sie versetzt. Das müsste gerade aufgrund seines immer wieder gelobten Hangs zu Zitaten klar sein. Die letzlich recht simplen Geschichten um Rache oder Coups sind nahezu zeitlos. Ob er „Kill Bill“ in den Siebzigern oder den Nullerjahren anlegt ist eine ästhetische Frage, keine inhaltliche. Nicht falsch verstehen: Ästhetische Fragen sind das wichtigste an Tarantinos Filmen. Aber darum geht es ja gerade.
„Django Unchained“ ist kein Film über die Sklaverei. Er ist ein klassisches, dann doch recht klug doppelbödiges Tarantino-Stück. Ein Film über eine Spielart des B-Movies, der auch als B-Movie funktioniert. Die Kulisse nicht unwichtig, aber sie ist nicht der Kern des Werks.
Man kann „Django Unchained“ und den Regisseur natürlich kritisieren. Aber man sollte ihn zumindest verstehen.
„Django Unchained“ ist ab dem 18.1. in den österreichischen Kinos zu sehen.
EDIT: In der vorherigen Version fand sich der missverständliche Satz: "Tarantino ist das Thema inhaltlich relativ wurscht." Das ist natürlich so nicht richtig, wie der Regisseur in vielen Interviews betonte. Er hat aber mE eben trotzdem keinen Film über Sklaverei gemacht. (Anmerkung des Autors)