Sind die Zeitungsverlage die „Chain Gangs“ der Google-Diktatur?

In einem riesigen Park am Stadtrand von Mountain View befinden sich die Google-Headquarters. Die 11.332 Mitarbeiter können dort zwischen 18 Kantinen wählen.

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Auf dem Areal verteilt stehen rund 1.300 grün-gelb-rote Google-Fahrräder, die nicht gesichert sind und auch von Besuchern kostenlos genutzt werden dürfen. #Google = The Smell of Money.

Ein großer Teil des sogenannten „Googleplex“ war früher ein Arbeitslager für Strafgefangene. Zynische, polemische, geschmacklose Frage: Sind die Zeitungsverlage die „Chain Gangs“ der Google-Diktatur?

Längst werden die „World News“ nicht mehr in den klassischen „Publishing Houses“ bestimmt, sondern hier im Silicon Valley. Zeitungen und Provider klagen, dass sie durch knallharte Verträge an die übermächtigen Giganten Google, Apple und Facebook gekettet seien. Dass sie wenig bis gar nichts für ihre Content-Leistungen bekämen – und Qualitätsjournalismus deshalb nicht mehr finanzierbar sei.

Ein paar Fakten zur digitalen Weltherrschaft:

GOOGLE zählt täglich 3,5 Milliarden Suchanfragen, das sind 40.500 pro Sekunde. Drei von vier Usern auf der Welt googeln, wenn sie im Internet etwas wissen wollen. Google diktiert, welche Meldungen auf der Seite 1 der Ergebnisliste stehen, also relevant sind – und welche Nachrichten niemanden zu interessieren haben (und das sind erfahrungsgemäß alle Treffer ab der zweiten Seite).

FACEBOOK hat knapp 1,5 Milliarden Nutzer, also mehr als ein Fünftel der Weltbevölkerung. Auch dieses soziale Netzwerk kann Geschichten liken – oder ohne Angabe von Gründen zensieren und löschen. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ druckte ein kluges Zitat des US-Rechtsprofessors Jeffrey Rosen: „In der Bestimmung dessen, wer reden und auf dem Globus gehört werden kann, hat Facebook mehr Macht als jedes Verfassungsgericht, jeder König oder Präsident.“

APPLE verkaufte bislang eine Milliarde iOS-Geräte (iPhones, iPads und iPods touch). Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres machte das in Cupertino ansässige Unternehmen 18 Milliarden Dollar Gewinn – ein solches Quartalsergebnis hatte vorher noch nie eine Firma geschafft. Zu diesem Rekord haben Apple auch die Verlage verholfen: 30 Prozent vom Umsatz, den die Apps erzielen, behält Apple für sich. MacGierig, MacNimmersatt – Apple Mac.

Eine letzte erstaunliche Zahl: Weltweit werden 69 Milliarden Dollar pro Jahr für mobile Online-Werbung ausgegeben. Marktführer ist Google mit 35 Prozent, dahinter liegt Facebook mit 19 Prozent (Quelle: eMarketer). Zum Mitschreiben: ZWEI Unternehmen bekommen mehr als die Hälfte des gesamten Werbekuchens ab. Um den Rest dürfen sich Millionen und Abermillionen Websites streiten.

Google, Apple und Facebook betrachten die traditionellen Verleger höchstens noch als Zulieferer. Ich will Sie jetzt nicht mit den Stichworten „Instant Articles“ oder „Leistungsschutzrecht“ quälen.

Mich interessiert vielmehr: Wie sehen die Journalisten im Silicon Valley ihre allmächtigen Nachbarn? Sind Google und Co. eine Bedrohung „for Media as the Fourth Estimate of Democracy“?

„Nein“, sagt Samir, Co-Founder des Online-Magazins OZY. „Im Gegenteil. Google ist keine Gefahr, sondern hilft uns, dass die User unsere Geschichten schneller finden und unser Qualitätsjournalismus verbreitet wird.“

Im Silicon Valley führe kein Journalist Diskussionen über Google, assistiert eine Jungredakteurin. „Warum versuchen in Europa Verlagshäuser, die Zukunft aufzuhalten? Hier liest nun einmal fast niemand mehr Zeitung. Es ist nicht fair, Google dafür die Schuld zu geben.“

Gleich zwei Silicon-Valley-Größen hat OZY an seiner Seite. David Drummond, Googles Chefjurist und Vizepräsident der Unternehmensentwicklung, ist OZY-Mentor und Investor. Und Laurene Powell Jobs, Witwe des Apple-Genies Steve Jobs und mit 18,4 Milliarden Euro die sechstreichste Frau der Welt, war OZYs erste Geldgeberin.

Gute Netzwerke sind nun einmal, verzeihen Sie mir die Platitüde, die beste Lebensversicherung für Startups. Und das gilt auch für altgediente Verlagsmanager.

AD PERSONAM

Wolfgang Ainetter (hier auf Twitter) war Ressort-Leiter bei der Bild Zeitung, Chefredakteur der Gratis-Zeitung Heute und zuletzt Chefredakteur bei News – als längstdienender Chefredakteur nach dem Gründer. Diesen Sommer über bloggt Ainetter für The Gap über seine Hospitanz bei OZY im Silicon Valley.

WEITERLESEN:br />Erster Teil des Blogs – Die Bewerbung und die Vorgeschichte

Tag 1 in den Ozy Headquarter

Tag 2 Gastauftritt Kurt Kuch

Tag 3 Kein Wlan im Biergarten

Tag 4 Welcome To The Stone Age

Tag 5 Larry Page, Marissa Mayer und der Telefonzellenfabrikant

Tag 6 Anforderungsprofil für Silicon-Valley-Journalisten

Tag 7 Kann man mit Online-Journalismus Geld verdienen, Mister OZY?

Tag 8 Fingernägel, Nasenrotz und andere Erfolgsgeheimnisse

Tag 9 Friseure sind die besseren Schreiber

Tag 10 Nachts im Silicon Valley

Tag 11 The same procedure as every day and every week.

Tag 12 OZY = Apple = CNN = eBay = Google = Time Warner = White House

Tag 13 Redakteure Gates, Bush, Blair, Rice und Shriver

Tag 14 Gute Fotos sind die Feindbilder der Controller

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