Unter dem Kleiderhaufen, da wartet die Melancholie – »Dämonen« im Dschungel Wien

Das dokumentarische Tanztheater »Dämonen« ist eine tiefgehende Auseinandersetzung mit Gefühlen, die uns vor große Herausforderungen stellen. Dabei bleibt vielleicht die größte davon, darüber zu reden. Was dabei hilft? Diese Inszenierung!

© Christian Herrmann

Unter dem Kleiderhaufen, der auf der Bühne liegt, da wartet die Melancholie. Und in ihr liegt Ives, dem es gerade nicht gut geht. Sehr schlecht sogar, so schlecht, dass er überhaupt nicht mehr aufstehen kann – oder will. Ives wird von einem seiner Dämonen heimgesucht. Und diesen Dämonen, so kündigt die zweite Protagonistin Nora an, denen wollen wir uns heute stellen.

So wird den bösen Geistern auf der Bühne buchstäblich der Teppich ausgerollt. Und die Dämonen kommen. Heraufbeschworen werden sie von Nora und Ives, die sie für uns ertanzen, die sie mit ihren Körpern und mithilfe von Kleidungsstücken und Ballons formen. Fremdartige Gestalten sehen uns eindringlich an, stapfen, rollen, wirbeln über die Bühne. Mal elegant, mal grotesk, mal beides zugleich. Der Dämon der Traurigkeit hat seinen Auftritt. Dann der Dämon der Wut, der Vermeidung. Der Dämon der Angst. Nora und Ives zeichnen ihre Konturen mit Tanz und Performance; wir erhaschen einen Blick auf sie an den Rändern von Anekdoten. Sie werden greifbar und bleiben doch verschwommen.

»Dämonen« (Bild: Christian Herrmann)

»In der Nacht sind die Menschen ehrlicher.«

Hierbei handelt es sich allerdings nicht um eine diskrete Aufzählung von imaginierten Emotionen. Vielmehr ist es eine offene Collage über den kontinuierlichen Bereich des Fühlens, die das Ergebnis einer intensiven Recherche mit Kindern und Jugendlichen ist. Ausschnitte aus diesen Gesprächen werden immer wieder eingespielt. »In der Nacht sind die Menschen ehrlicher«, meint eine der Stimmen. Vielleicht seien die Menschen auch zu Fremden ehrlicher, fügt Nora hinzu, denn die jungen Menschen hätten ihnen so einiges erzählt. Und das merkt man: Sie erzählen vom Traurig-Sein, vom Sich-allein-Fühlen und auch vom Nicht-mehr-Können, sogar Nicht-mehr-leben-Wollen.

Auf der Bühne geht es stellenweise recht schnell voran, so dass manchmal der Wunsch aufkam, noch etwas länger an der einen oder anderen Stelle verweilen zu können. Immerhin wird es dadurch auch ohne Handlung nie langweilig. Spätestens wenn man dann zuhause vor dem eigenen Kleiderhaufen steht, eröffnet das Theatererlebnis auch die Möglichkeit sich mit den eigenen Dämonen zu beschäftigen – so lange und so intensiv man es denn möchte. Man muss ja nicht gleich mit ihnen tanzen. »Dämonen« ist eine Inszenierung, die mal traurig, mal komisch anmutet, jedoch nie in Hoffnungslosigkeit verfällt, sondern sogar ein bisschen mit dem Menschsein versöhnt. Und vor allem motiviert, darüber zu reden. Ein spielerischer Spaziergang entlang des tiefen, tiefen Schmerzes des Daseins, während dem man auch mal lachen kann und schreien darf.

»Dämonen« (Bild: Christian Herrmann)

»Dämonen« war am 6. März 2025  im Rahmen des SLUP Festivals im Dschungel Wien zu sehen.

Dieser Text ist im Rahmen eines Schreibstipendiums in Kooperation mit dem Dschungel Wien entstanden.

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