»Veränderung hier und jetzt – in Zeiten wie diesen brauchen wir Solidarität und Protest«, skandieren die vier Performer*innen am Ende der Freistunde, in der kollektive Emanzipation, Solidarität untereinander, Zusammenhänge von politischen Kämpfen sowie das Rebellionspotenzial des Theaters thematisiert werden.

Jungen Menschen wird häufig abgesprochen, eine politische Haltung zu haben, die über nicht zu Ende gedachten Idealismus hinausgeht – dabei sind gerade sie es, die historische Veränderungen vorangetrieben haben und zentrale Akteur*innen in gesellschaftspolitischen Bewegungen waren. In der Retrospektive werden sie gefeiert, in der Gegenwart erwarten sie Repressionen, sobald sie widersprechen. Statt von ihnen Gehorsam einzufordern, sollten Jugendliche dazu ermutigt werden, einen eigenen moralischen Kompass zu entwickeln und aufrichtig füreinander einzustehen.
Zwischen live performten Rap-Solos, der Aufbereitung komplexer neokolonialer Zusammenhänge, Beschreibungen unterschiedlicher Freiheitskämpfe und dem Adressieren aller Jugendlichen sowie Lehrkräfte im Raum gelingt den vier Performer*innen eine mitreißende Show, die in allererste Linie ein Aufruf zu Protest, Solidarität und strukturellen Veränderungen ist. Die Inszenierung entpuppt sich als zeitgemäße Kritik am gesamtgesellschaftlichen Verhältnis zur Gen Z und ihrer unbeliebten Tendenz, auf Gewalt, Ungleichheiten und Missstände aufmerksam zu machen – also den Status quo zu kritisieren, statt ihn hinzunehmen.
»Könnt ihr euch an eure Jugend erinnern, an euren Gerechtigkeitssinn? Was würde in einer Gesellschaft passieren, wenn junge Menschen die Normen ihrer Zeit nicht infrage stellen?«, fragt ein Performer am Ende aufrichtig in den Raum. Dies ist nicht nur ein Appell an die jugendlichen Zuschauenden, sich politisch zu organisieren. Es ist auch eine aufrichtige Frage an alle Lehrkräfte im Raum, ob sie an die Jugendlichen, die sie unterrichten, wirklich glauben und diese in der Ausbildung eines eigenen Gerechtigkeitssinnes unterstützen. »Gen Z« ist eine unterhaltsame und einfühlsame Inszenierung, die wachrüttelt, das Verhältnis der weißen Mehrheitsgesellschaft zur Generation Z parodiert und selbst bereits tut, wozu sie die Zuschauenden auffordert: anderen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen.
Denn gerade Jugendliche sollten nicht unterschätzt werden – ihre instinktive Wahrnehmung von Gewaltverhältnissen, in denen wir leben, stimmt häufig. Die Forderungen und Realitäten von Jugendlichen ernst zu nehmen ist gerade in Zeiten, in denen die gewohnte Ordnung vollends auseinanderbricht, wichtiger denn je. Politische Kämpfe hängen zusammen und Veränderung wird kommen – was für eine, hängt von uns allen ab.

Gaza statt Goethe
»Wer darf sich mit Theater befassen und diese fancy Texte sprechen?« Die Performance thematisiert das Nachdenken über Politisierungspotenziale des Theaters und den Übergang künstlerischer Rebellion in politischen Widerstand – konkreter gesagt ist es auch ein Repopularising von Sturm & Drang, denn: »Wie sollen wir was verändern, wenn wir uns nur mit der Vergangenheit beschäftigen?«
In einem zugänglichen und zeitgenössischen Ton werden Fragen verhandelt, die uns alle, im Besonderen aber die kommenden Generationen, etwas angehen: das Auflehnen gegen und die Ablehnung von Gehorsam, die Grenze zwischen Meinung und Ideologie, das moralische Getue sowie die Doppelmoral von Erwachsenen, während diese die gewaltvolle Realität zu verantworten haben.
Einer der zentralen Widersprüche, die verhandelt werden, dass einerseits ein großes subversive Potenzial im Theater liegt, andererseits aber häufig alte Stoffe widergekäut werden, die schlichtweg nicht mehr zeitgemäß sind. Wie soll politisch etwas verändert werden, wenn in der Schule lieber Goethe gelesen wird, statt sich mit Palästina oder dem Sudan zu beschäftigen? Wie könnte also eine zeitgenössische Form von Theaterunterricht aussehen? Erfüllen vielleicht heute die sozialen Medien denselben Zweck wie zu Goethes Zeiten die Bühnen? Der Vorwurf, dass man in der Schule viel von vergangenen Freiheitskämpfen liest, während der Komplexität und Bewältigung heutiger Realitäten kaum Raum gegeben wird oder Repressionen gegen Aktivist*innen legitimiert werden, ist höchst valide.
Die Inszenierung thematisiert zudem die Ausschlachtung migrantischer Identitäten als Tokens in künstlerischen Kontexten, die Folgen von Stereotypisierungen und inwieweit rassistische Klischees sowie exemplarische Opfererzählungen bestehende Gewaltverhältnisse verfestigen. Auch hier lösen die Performer*innen live das ein, wozu sie appellieren – sie erzählen von Rassismuserfahrungen, unterschiedlichen Auswirkungen der Pandemie und ungerechten Verhältnissen, die durch Covid noch verstärkt worden sind. Insbesondere gilt dies gerade für jene, deren Eltern in den wirklich systemerhaltenden Jobs tätig sind, die keinen bougie Background haben und ohnehin am stärksten marginalisiert sind.

Zusammenhänge und Zusammenschlüsse
»Gen Z« bedient sich dafür unterschiedlicher theatraler und medialer Mittel – neben den hervorragenden Performances der talentierten vier Darsteller*innen, allerlei bühnenästhetischen Effekten und einer grandiosen Soundkulisse gibt es mehrere Video-Einspieler. Unter anderem ist hier etwa ein Interview in einer früstücksfernsehhaften Talkshow mit vermeintlichen Expert*innen über zeitgenössische Krisen wie die Pandemie, psychische Probleme und Radikalisierungsprozesse zu sehen. Als es um die Überlastung der Lehrkräfte geht, stellt der einzige Jugendliche, der in die fiktive Show eingeladen ist, die berechtigte Frage, wieso diese nach unten treten und wieso die Regeln dieser Welt eigentlich für alle außer die Mächtigen gelten? Ist das nicht ein kollektives Versagen?
Die Inszenierung dreht den Spieß um und spricht sich entschieden gegen das altbackene Narrativ aus, dass die Reaktionen von Jugendlichen das Problem sind und benennt dabei das eigentliche Problem: ein Gewaltsystem, das fallen muss. Die Performer*innen verweisen auf Kontinuitäten in Ausdrucksformen politischen Widerstands gegenüber der versteiften Mehrheitsgesellschaft, fordern ein Frühlingserwachen jenseits eurozentristischer Maßstäbe, stimmen ein chorisches »Nazis aufs Maul hauen« mit allen im Raum an und plädieren dafür, zusammen zu provozieren und Geschichten aus jenen Perspektiven zu erzählen, die nicht die Gewinner*innen von Kriegen waren: »Geschichte in Beziehung, wie auch Beziehungen in Geschichte zu setzen«, wie es auf der Bühne heißt.
Diese Forderungen stützen sich nicht auf eine luftleere Erzählung. Die Performer*innen sprechen konkret über queere Befreiungskämpfe und den arabischen Frühling, über Palästina und Kurdistan. Sie betonen koloniale Zusammenhänge, die es seit Jahrhunderten gibt. Dass für viele Jugendliche Schweigen keine Option ist und es unheimlich wichtig ist, sich in einer Welt, in der diese Stimmen nicht gehört werden, zu trauen, laut zu werden und moralische Vorstellungen zu hinterfragen, wird in dieser Inszenierung konkret benannt. Am Ende werden dann künstlerischer und politischer Protest auf schöne Weise miteinander verbunden: Bei einer Mischung aus Livekonzert und Protestaufruf wird zum Abschluss noch einmal auf die Möglichkeitsräume, die wahre Solidarität eröffnet, verwiesen.
Wir müssen solidarisch füreinander einstehen und gemeinsam gegen jede Form von Unterdrückung. Die Performer*innen von »Gen Z« bieten einen aufrichtigen, witzigen und inspirierenden Abend, der eine wichtige Feststellung liefert: Die Verhältnisse und den Status quo zu hinterfragen, ist notwendig, um sie zu verändern. Das sollte nicht nur toleriert sondern sogar gefördert werden. Ohne diese Eigenschaft wären wir verloren, ohne sie kann es keine kollektive Befreiung geben.
Bitte also mehr solcher Theaterarbeiten für Jugendliche, die sie bestärken und Lehrkräfte dazu auffordern, den Gerechtigkeitssinn ihrer Schüler*innen zu fördern statt ihnen Respekt vor der Obrigkeit einzudrillen, sodass sie vor allem funktionieren, statt eigenständig zu denken.

»Gen Z: Heute wird zerstört!« war von 4. bis 7. März 2025 im Rahmen des SLUP Festivals im Dschungel Wien zu sehen.
Dieser Text ist im Rahmen eines Schreibstipendiums in Kooperation mit dem Dschungel Wien entstanden.