Nach den "Contradictions" der nächste Widerspruch, diesmal nur als rhetorische Figur. Vom Man Of The Year – Schoolboy Q.
Nenn es einfach mal Detox. Denn wenn es im Hip Hop einen Sankt Nimmerleinstag gibt, dann ist das die wohl nie Realität werdende Veröffentlichung von Dr. Dres Album „Detox“.
„Oxymoron“ von Schoolboy Q drohte ein Ähnliches zu werden. Ellenlange Wikipedia-Artikel zu noch nicht erschienenen Alben verheißen naturgemäß nichts Gutes. Nach Kendrick Lamars Riesenerfolg verpflichtete sich Q dazu, "Oxymoron" mindestens auch einen Klassiker werden zu lassen. Also wurde bereits Mitte 2012 mit der Produktion begonnen. Sampleprobleme, Perfektionsdrang und Verzögerungen jeglicher Art führten letztendlich zu einer unfassbar ewigen, zweijährigen Schaffenszeit. So lange wurde kein Hip Hop-Release in den 10er Jahren bis jetzt erwartet. Aber alles von Anfang an.
Back in the days, 1997, beschließt der Durchschnitts-Compton-G Anthony „Top Dawg“ Tiffith mit dem Straßenhustle aufzuhören und ein Studio, mit seinem eigenen Namen [sic!], zu starten, um dort Rapper aufzunehmen. Dies erfolgt nach einer ganz pragmatischen und gewinnorientierten Überlegung: Rapper können in kürzerer Zeit mehr Material als Sänger aufnehmen. Nix da dedication.
Good grades, skipped school
Ein Baby Death Row Records, so umschrieb Steve Marsh im Magazin GQ dieses Label namens Top Dawg Entertainment, kurz TDE. Dessen Besitzer Anthony Tiffith – im selben Artikel als TDEs Suge Knight (Deathrow-Präsident in den 90ern und Szene-Legende) bezeichnet – empörte sich umgehend. Doch der Vergleich ist gar nicht mal so falsch. Immer schon war TDEs Labelkonzept andere, ähnlich geartete Entourage-Plattenfirmen nachzuempfinden. Sie wollten dort Rappercharaktere schaffen, das und eine geballte Gruppendynamik sollten auch TDE auf die Rapkarte der Westküste setzten. Also streckt Tiffith seine Fühler aus und gönnt einigen lokalen Jungtalenten gratis Studiozeit. Unter ihnen ein bei den Hoover Crips aktiver Junge, den ob seiner Intelligenz alle auf der Straße nur Schoolboy nennen.
Dieser Schuljunge ändert im Laufe seiner Jugend seine Prioritäten, weg von Schulbank hin zum Gangbusiness. „ Good grades, skipped school “, rappt er etwa auf "Break tHe Bank". Trotz massenhaft Fehlstunden schreibt Schoolboy mühelos einen GPA von 3.3 (ziemlich gut). Gegen Ende seiner High School-Zeit wird es knapper – Q schafft seinen Abschluss gerade noch – und landet kurz darauf im Gefängnis. Als er wieder draußen ist, hat das Top Dawg-Studio Zuwachs erhalten. Eine Crew wird geplant – am Reißbrett. Jay-Rock, ein gleichaltriger Homie, den Q schon seit der Gangzeit kennt und die beiden um ein Jahr Jüngeren: der feierwütige Ab-Soul, und ein junger Lyrikstreber namens Kendrick Lamar komplettieren das Quartett namens Black Hippy.
Tatoo tear
In dieser Boygroup hat jeder sein eigenes Image. Schoolboy Q ist der etwas verrückte – selbstbetitelte – „intelligente Gangbanger“. Wobei er das eher in Richtung Drogenbeschaffung als in Richtung Sex meint. Aber auch nur eher. Hinzu kommen eine Leidenschaft für langsame Drogen und ein nicht gerade freies Leumundszeugnis, was durch eine Knastträne, die er als Jahrgang 86 anachronistisch am rechten Auge trägt, bewiesen wäre. Auch heute noch bezeichnet sich Q nicht unstolz als Crip.