Düsterer Kammerpop für von Robert Schumann Geschädigte: Vienna Rest in Peace überzeugen auch auf Album Nummer zwei.
Schauder! Wenn manche nur den Titel »Album für die Jugend« hören, werden gleich die Kindheitstraumata Auferstehung feiern, Bilder von weinenden Kindern der »Elite« vor den elterlichen Pianinos, Robert Schumann verfluchend. Kein Wunder, dass der ins Irrenhaus musste – hat er auch verdient, der Saubartel, der elendige. Auch Vienna Rest in Peace, die bewährten Chronist*innen für alles Makabre, Pessimistische und Abgründig-Jenseitige, die noch immer einen dicken Mantel des Schweigens über sich selbst hüllen, weil es darf ja auch einmal das Was und nicht nur das Wer zählen; aber beim genaueren Hinschauen erkennt man schon Bekannte, jedenfalls: Auch die sind dem Schumann ziemlich verbunden, widmen ihm das zentrale, gar romantisch-bombastische Kernstück auf ihrem zweiten Album.
Parallelen werden gezogen, gipfelnd in der wohl schönsten Zeile überhaupt: »Wir waren doppelt so traurig wie Kurt Cobain«, die vom Emotionalen her so ziemlich die Marschrichtung für das gesamte Album vorgibt. Es geht um die Scherben des Individuums in der Gegenwart und auch um das Aufkehren genau jener Splitter vom Selbst, von Versuchen, etwas zu werden, und vom krachenden Scheitern aller Vorhaben.
Schumann und Cobain
Musikalisch ist es – und das ist jetzt ein Bogen, den es für die Gruppe zu spannen gilt, Legolas, pass auf – so ziemlich eine Mischung, also von Robert Schumann und Kurt Cobain. Tendenz aber zum Älteren: Nachdem bereits das erste selbstbetitelte Album aus dem Jahr 2017 sich nicht zu schade für die ganz große musikalische Geste war, zelebriert die Gruppe nun orchestralen, aber dem Sujet entsprechend ziemlich düsteren Kammerpop, der immer wieder aus diesem klassischen Korsett ausbricht, schließlich finden auch immer wieder Americana und dessen twangy Gitarren, und sogar klassisches Wienerlied Einzug in das Klangbild, das genau deshalb in den schönsten Farben malt.
Außerdem – auch sehr super – Preis-Leistungs-Verhältnis, jeden Schilling umdrehen und so: vom Qualitativen, aber auch vom Quantitativen her eins a mit Sternchen. Elf Songs, 74 Minuten, keiner kürzer als fünf, einer sogar neun. Das zahlt sich aus. Vielleicht sogar mehr als Klavierunterricht. Für die Seelenhygiene auf jeden Fall.
Das »Album für die Jugend« von Vienna Rest in Peace erscheint am 23. Oktober 2022 bei Trauerplatten. Das Album wird am 1. November im TAG – Theater an der Gumpendorfer Straße in Wien live präsentiert.