Grant haben einen guten Namen, den Exzess im Nacken und vor allem: ein grandioses Debüt.
Es ist ja seit nun fast anderthalb Jahren das große Gerede um einen österreichischen Pophype, sogar die popkulturell eingeschlafene heimische und deutsche Presse berichtet über das Wiener Wunder, macht natürlich Wanda, Bilderbuch, Sargnagel und weitere ehemalige Underground-Heroes zu Covergestalten und Fernsehgästen. Und immer wenn sich ein Hype zusammenbraut, gibt es ein How-To, eine Erklärung des Wesens der einzelnen Teile, die Erfolg versprechen.
Es braucht zuvorderst den Exzess, es braucht natürlich gute Lieder und es braucht wohl einen Hang zur Italophilie. Die ist dem österreichischen Pop inhärent, schon uralt – man denke an »Strada del Sole« oder »Sehnsucht nach Florenz« – und wurde im Zuge des »Hypes« aktualisiert – man denke an Wanda, Bilderbuchs »Jesolo« oder »Venedig geht unter«, der Abgesangshymne von Der Nino aus Wien. Man könnte wohl eine Top 50-Playlist mit italophilen Austro-Songs machen, die mal negativ, aber meistens positiv von Italien schwärmen. Eine Generation, im Sommer aufgewachsen an Bademeisterstränden der Adria. Grant, fünf Anfangzwanziger aus Klosterneuburg finden ihren Sehnsuchtsort in Triest.
Überhaupt ist der Vergleich zu Wanda aufg’legt, auch wenn da musikalische Welten dazwischen liegen: Lange im Wettbewerb, wen Stefan Redelsteiner zum Pop-Olymp führen sollte, sprang zumindest ein Album bei Nino-Produzent Patrick Sischka down in Albern, heraus. Veröffentlicht wird auf dem auch neuen Label Milchwald. In das Label darf man ruhig große Erwartungen setzen, das ist sympathisch old school und DIY.
Man muss Grant im Auge behalten
Dima Braune, der Sänger und Texter von Grant, der mit Oversize-Sakko, Slim Tie, Doherty-Hut und selbstzerstörerischem MacGowan-Gestus wie ebenjene Verkörperungen des Exzess’ auftritt, erzählt auf dem Debütalbum viel von Literatur. Er macht Joseph Roth zu seinem Personal Jesus, versucht sich an neuen Leiden des jungen W. und gelingt auf dem wohl besten Stück des Albums und potenziellem Song des Jahres »Babajaga« das Kunstück, eine alte osteuropäische Mär neu zu definieren. In der Elegie, die mit dezentem Balkan-Shanty-Pop untermalt wird, schafft er eine Art osteuropäische Gesellschaftsstudie und glänzt mit Sätzen wie »Ein Mann hielt Boschina am Herzen fest« oder »Ich putz’ ihm Schuh’, ich putz’ ihm Haus, ich fick ihm die Dämonen raus, im Wahn sagt er vielleicht „Ich liebe dich“«. Überhaupt: Die Texte. Fernab jeglicher Peinlichkeit skizzieren sie mal fiktive Figuren, mal werden sie Ausdruck der vielzitierten Befindlichkeit, wie etwa in »Verwunschen«, dem zweiten allzu großen Stück des namenlosen Debüts. Braune offenbart da großes erzählerisches Talent, ähnlich dem des jungen Nino Mandl.
Musikalisch ist viel dabei: Neben vereinzeltem Balkan-Pop und Westcoast-Funk-Rock ist es vor allem Gitarrenpop, den uns Grant präsentieren, manche mögen das durchaus auch stinknormalen Rock nennen. Für das noch junge Alter ist das handwerklich durchaus top, vor allem die Leadgitarre vermag zu entzücken.
Wer sich da jetzt aufgrund der gemeinsamen Geschichte die neuen Wanda sieht, wird wahrscheinlich enttäuscht werden. Was Grant auf dem Debüt zeigen, geht textlich deutlich tiefer, daher nicht ganz so gut ins Ohr. Wer sich darauf aber einlässt, wird mit einem, wenn nicht sogar dem besten österreichischen Album dieses Jahr, belohnt. »Grant« kann die Platte des aktuellen Ösi-Hypes sein, die alle gehabt haben wollen. »Wir haben’s ja schon immer gewusst«, jaja. Eines ist aber klar: Man muss ein Auge auf Grant haben.
»Grant« von Grant erschien am 14.11. via Milchwald.