In meinem Print-Leben war ich so etwas wie ein Layouter-Schreck. Stundenlang saß ich neben den armen Kollegen. Nicht, weil ich sie ärgern, mobben oder vollquasseln wollte – sondern weil ein Layout über den Erfolg oder Misserfolg von jedem Cover und jeder Story entscheidet. Aber das ist eine Binsenweisheit aus der Zeitungswelt.
Jetzt bin ich 9.648 Kilometer in die Zukunft geflogen, von Wien nach Mountain View im Silicon Valley. Ich hospitiere bei OZY, einem Online-Magazin, das US-amerikanische Universitäten als Vorbild für modernen Journalismus rühmen – wegen des brillanten Storytellings, aber auch wegen der grafischen Eleganz.
Für das optische Design ist Ryan verantwortlich, „OZY’s Head of Product“. Der Mann hat den Ruf einer Legende, obwohl er erst 38 Jahre alt ist. Er war Mitgründer von Politico, der wichtigsten Nachrichten- und Analysewebsite für die Washingtoner Politelite. Der Preis für ein Einzelabo von Politico beträgt übrigens bis zu 25.000 US-Dollar pro Jahr (kein Tippfehler). In der Hauptstadt der Vereinigten Staaten schrieb Politico journalistische Erfolgsgeschichte.
Bei OZY lerne ich, dass die Büros von Legenden acht Quadratmeter klein sein können. Ryan checkte für OZY Webdesigner auf der ganzen Welt, bis er in Großbritannien den Besten der Besten fand. Schlicht, stilvoll, elegant, edel, ohne optisches Geschrei: OZY.com.
Geduldig erklärt Ryan mir, dem „Printman from Austria“, den Unterschied zwischen digitaler Moderne und Internet-Steinzeit.
MODERN = OZY = „RESPONSIVE WEBDESIGN“
„Responsive“ bedeutet „auf etwas reagieren“. Ryan: „Wir haben EINE Website, die sich ohne viel Aufwand sowohl an den Desktop als auch an das Smartphone anpasst.“
LEGACY (VERALTET) = WASHINGTONPOST.COM = SPIEGEL.DE = DERSTANDARD.AT = DIEPRESSE.COM = KRONE.AT = KURIER.AT = OE24.AT = …
Der Internet-Auftritt des Weltblattes Washington Post beispielsweise ist „old Technology“. Ryan: „Die haben eine mobile Website UND eine Desktop-Website. Für den User und den Publisher macht das alles um vieles komplizierter.“
Auch in Deutschland und Österreich ist „Responsive Webdesign“ ein Fremdwort. Ich zeige einem OZY-Editor die Websites von Spiegel.de, derstandard.at, diepresse.com, krone.at, kurier.at und oe24.at. Er wirkt belustigt und ein wenig perplex: „Welcome to the Stone Age.“
AD PERSONAM
Wolfgang Ainetter (hier auf Twitter) war Ressort-Leiter bei der Bild Zeitung, Chefredakteur der Gratis-Zeitung Heute und zuletzt Chefredakteur bei News – als längstdienender Chefredakteur nach dem Gründer. Diesen Sommer über bloggt Ainetter für The Gap über seine Hospitanz bei OZY im Silicon Valley.
WEITERLESEN:br />Erster Teil des Blogs – Die Bewerbung und die Vorgeschichte