Moderne Kommunen in Niederösterreich. Ein Widerspruch in sich? Nein, gerade hier gibt es besonders viele. Geteilt wird so einiges. Von Gebrauchsgegenständen bis hin zur gemeinsamen Zeit und Nein, du Schuft, keine Sexualpartner, sorry.
30 Menschen, 30 Rasenmäher, 30 Gartenzwerge, und jedem sein eigenes Auto. Diese Verteilung ist Menschen, die nach dem Co-Housing Prinzip leben, fremd. Sie kombinieren das Leben in Privatsphäre mit den Vorzügen einer Gemeinschaft. Und die reichen von Dingen, die sich leicht teilen lassen, bis hin zur gegenseitigen Unterstützung bei verschiedenen Tätigkeiten. Aufgaben, die sonst jeder bei sich daheim macht, werden oft gemeinschaftlich erledigt, so spart man Zeit und Geld. Das ist aber eigentlich nur ein Nebeneffekt, es geht den Menschen um neue und intensivere Formen des Zusammenlebens, die immer mehr Zuspruch finden – weg davon, dass man nicht weiß, wer eigentlich der Nachbar ist.
Es gibt heute wieder mehr Menschen, die abseits von kleinbürgerlicher Idylle mit Hobbykeller und Schrebergarten leben, natürlich auch in Niederösterreich. Wir haben uns auf die Suche gemacht und verschiedenste Formen gemeinschaftlichen Wohnens und Lebens gefunden.
Freiheit als Zwang?
Dabei ist der Begriff der "Kommune" hierzulande nicht sonderlich positiv besetzt. Man verbindet damit in erster Linie eins: Otto Muehl und seine Kommune am burgenländischen Friedrichshof. Die Absage an den Privatbesitz und an Zweierbeziehungen, der Aufbruch alter Familienideale und freie Liebe wurden hier großgeschrieben. Diese scheinbare Idylle für Anhänger des polyamoren Lebensstils findet 1991 mit der Verurteilung Otto Muehls ein Ende. Muehl wird wegen Kindesmissbrauchs und weiteren Delikten zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt. Später wird klar, dass statt Freiheit ein autoritärer Führungsstil, sexuelle und emotionale Gewalt den Alltag prägten.
Eine solch klassische Kommune findet man heute nicht mehr in Niederösterreich. Es sind schlicht neue (oder alte) Formen des Zusammenlebens mit der Sehnsucht, sich wieder in einer Gemeinschaft gegenseitig unterstützen zu können – moderne Kommunen könnte man sagen. Jedes Projekt hat seine eigenen Beweggründe und Werte. Meist sind sie durch ein Zusammenleben mehrerer Generationen und verschiedene Gemeinschaftseinrichtungen gekennzeichnet.
Land der Äcker und Kommunen
Das Lebensgut Miteinander etwa, ein gemeinsam bewohntes Klostergut im Bezirk Lilienfeld, bei dem generationenübergreifendes Leben und Arbeiten im Vordergrund steht, und das Tagesbetreuung für Kinder und ältere Menschen verbindet. Oder der Niederhof, zu dem auch eine reformpädagogische Schule mit Öffentlichkeitsrecht gehört. Die Schule ist hier das verbindende Element – Menschen mit pädagogischem Hintergrund haben sich zusammengefunden und leben in unabhängigen Wohneinheiten, verbunden durch ungezwungenen gemeinschaftlichen Kontakt und einigen Ritualen, die im Laufe der Zeit entstanden sind. Die Menschen leben wie in einem Dorf im Dorf. Manchmal spielt sich sogar der gesamte Kreislauf des Lebens hier ab: Kinder werden hier geboren, sie gehen hier zur Schule, teilen gemeinsame Bräuche und auch ein Begräbnis in der "dorfeigenen" Kapelle eines älteren Mitglieds der Gemeinschaft hat es schon gegeben.
Andere, ähnliche Projekte in Niederösterreich sind am Entstehen, wie das Co-Housing Projekt Pomali und die Gemeinschaft B.R.O.T. in Pressbaum, um nur einige zu nennen.
Ein Wohnzimmer für 32 Kinder
Das erste Co-Housing Projekt in Österreich war der Verein Lebensraum in Gänserndorf. Die einzelnen Wohnungen sind vollwertig und werden durch Gemeinschaftseinrichtungen ergänzt. Keiner wird zu Gemeinsamkeit gezwungen, jeder bestimmt selbst, wie weit er involviert sein möchte. Es ist modern, einladend, aufgeräumt hier. Keine Spur von chaotischem Kommunen-Flair der Siebziger. Viel eher wirkt es hier wie in einer gut funktionierende Nachbarschaft. Man kann sich einbringen und austauschen bei gemeinsamen Aktionen, oder aber sich zurückziehen.