Kein Urlaub auf der Insel – Wien Modern zu Gast im Theater am Werk

Ein Abend, eine Reise, drei Stationen: Wien Modern vereint im Theater am Werk im Kabelwerk eine Klanginstallation und zwei Konzerte. »Das ist doch lächerlich«, heißt es dort. Ist es das?

© Marie Schrentewein

Durch die schwere Glastür hereingekommen, wird man von braunen Pappkisten begrüßt. Sie schreien einen geradezu an. Formen sich zu einer Höhle, in die man eintreten kann, sofern man sich traut. Erst auf den zweiten Blick bemerkt man, dass es Bananenkisten sind. Nicht weil es nicht offensichtlich wäre – immerhin sind zig Bananen darauf aufgedruckt –, sondern einfach, weil diese so alltäglich wirken. Bananenkisten eben. Genau die gleichen, in denen sich zuhause die Putzmittel stapeln. Oder die abgelaufenen Konserven im Keller. Die Klanginstallation »Verlagerung/Disloacation« von Arnold Haberl aka Noid fängt alle Menschen im Foyer des Theaters am Werk im Kabelwerk ab. Sie zu umgehen ist schwer. Sie zu überhören unmöglich.

Lässt man die Bananen zurück, führt der nächste Programmpunkt hoch hinaus. Die Klanginstallation ist nämlich nur ein Teil eines vollen Abends im Kabelwerk in Meidling. Daneben gibt es noch zwei musikalische Termine. Der Ausflug in den zweiten Stock führt zum ersten davon, nämlich zum Trio Amos. Dieses spielt zunächst eine Komposition von Jack Sheen, die das Publikum nach Sasebo bringt. Die anschließende von Francesca Verunelli lässt es dann ruhig durchatmen. Zwei Zwischenstopps, bevor es eine Stunde später zur dritten und letzten Station des Abends geht.

Noch einmal vorbei an den Bananenkisten – sie schreien immer noch – offenbart sich im unteren Saal das Paradies. Neun Ensembleinseln sind zu erkennen. Anlässlich des fünfzigsten Geburtstags des Oesterreichischen Ensembles fuer Neue Musik lässt der Komponist Clemens Gadenstätter die Musiker*innen ausfliegen: »Archipel Life«.

»Verlagerung/Disclocation« (Bild: Marie Schrentewein)

Alles importiert

Damit beginnen fünfzig Minuten, die sich anfühlen, als wäre Urlaub noch nie so fern gewesen. Als hätte man sich verbucht. Weniger Insel – mehr Irrgarten. Was beim Publikum ankommt, sind optische und akustische Überforderung. Man weiß gar nicht, auf welche Insel man schauen, welcher man zuhören soll. Aber eine muss man sich aussuchen, denn um sie gemeinsam zu erfassen, passen sie zu wenig zusammen. Also verfolgt man jede Insel für sich, konzentriert sich auf einzelne Personen. Hier eine Frau, die auf ihr Klavier hämmert. Dort ein Mann, der in seine Tuba schreit. Neue Klangwelten, die Clemens Gadenstätter zu uns importiert hat.

»Das ist doch lächerlich«, hört man. Nicht leise aus dem Publikum, sondern lautstark durch die Lautsprecher. Die Insel in der Mitte meldet sich. Geneviève Strosser spielt Viola und spricht dabei regelmäßig in ihr Mikrofon: »Das ist doch lächerlich. Sehr erschreckend. Du bist wie alle anderen.« Dies verstärkt ein Gefühl, das man ohnehin schon hat. Ein Irrgarten. Es scheint, als sprechen die Instrumente durcheinander. Klagen ihr Leid, diskutieren, wem es wohl schlechter geht. Die Verteilung des Ensembles verstärkt diesen Eindruck auch optisch. Und in diesem Tun – jede*r für sich – sind sich alle wahnsinnig ähnlich.

Das Publikum klatscht. Steht langsam auf, bewegt sich nach draußen. Alle in ähnlichem Tempo. Garderobennummer 68. Dankeschön. Auf dem Weg zur schweren Glastür schaut man noch einmal auf die Bananenkisten. Jetzt schweigen sie. Sind importiert. Bestimmt von irgendeiner schrecklich lauten Insel. Lieber erstmal keine Bananen mehr. Da ist man sich dann einig – und ist damit wie alle anderen.

Die Ausstellung »Verlagerung/Dislocation« von Noid, das Konzert von Trio Amos sowie jenes des Oesterreichischen Ensembles für Neue Musik waren als Teil des Programms von Wien Modern am 23. und 24. November 2025 im Theater am Werk im Kabelwerk zu erleben.

Dieser Text ist im Rahmen eines Schreibstipendiums in Kooperation mit Wien Modern entstanden.

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