Gebt diesem Mensch alle Stipendien! Kimyan Law ist die vielleicht größte, unbekannteste Musik-Versprechung in dieser Stadt.
Man vergisst schnell, dass er erst 20 ist. Kein Thema scheint ihn aus der Ruhe zu bringen, dafür erzählt er von Obertönen der Wiener U-Bahn-Linien, vom Sound gefrorener Erde, davon, als Camo & Krooked ihn auf Englisch angeschrieben haben und von Mikro-Drum-n-Bass. Sein erstes Album wurde kurz vor Weihnachten veröffentlicht, hierzulande fast unbemerkt, auch von uns (Stream hier).
Dabei steckt es voller Referenzen, eigenartiger, magischer, unglaublicher Töne und Rhythmen. Vermutlich, weil es auf einem englischen Label erschienen ist und zu Unrecht einen Stempel – Drum’n’Bass – trägt. Das darf sich ganz schnell ändern. [Anm.: Stelle gegenüber Print verändert] Blöd nur, dass ihn Wien immer wieder auf sehr ungute Art an seine Hautfarbe erinnert hat und er deshalb ein Ventil brauchte. Gut, dass das zum Teil die Musik für ihn war.
Du wohnst in Transdanubien?
Ja, ganz weit unten. Noch hinter dem Wald, drei Minuten zu Fuß bis zur Stadtgrenze. Es ist ziemlich ruhig da. Ich wurde dort geboren und bin dort aufgewachsen. Ich muss für die Arbeit an meinem zweiten Album manchmal extrem laut aufdrehen können, um zu merken, ob es satt klingt. Die heutige Jugend hört ja eher laut.
Dann siehst du dich selbst nicht als Jugendlicher? Du bist ja gerade mal seit Weihnachten kein Teenager mehr.
Körperlich. Ich habe in meinem Freundeskreis viele Sachen viel zu früh erlebt. Der besteht nur aus Künstlern, Musikern. Das kommt daher, weil meine Mutter nebenbei klassische Sängerin ist, meine Großmutter Musiklehrerin.
Hast du überlegt Komposition, zu studieren oder ans SAE zu gehen?
Ich habe zu meinem Labelchef zwar gesagt, ich brauch ein Diplom, das ist hier ein Land der Wische, ohne Titel bist du gar nichts. Der meinte dann, ich könne das alles schon. Eigentlich wollte ich mal an die Angewandte, war auch mal Koch, aber ich hab durchs Musikmachen dafür keine Zeit gehabt.
Wie hälst du Kontakt zu anderen, trefft ihr euch, läuft das übers Internet?
Ich hab gemerkt, dass man nie weiß, woher jemand kommt, der Musik macht und wie gut die dann ist. Es gibt sicher tausend andere Leute, die niemand kennt, die irgendwo in Tansania viel bessere Musik machen als wir alle. Aber Vollkontakt ist in Wien die Veranstaltung, auf der ich am häufigsten bin. Die buchen viel aus London, wo man wirklich guten Input bekommt. Dort habe ich auch Blu Mar Ten von meinem Label kennengelernt.
Gerade einmal elf meiner Freunde liken deine Page, wie konnte das passieren?
Ich habe mich nicht geweigert, Leuten Sachen zu zeigen, ich hab es nur nicht getan. Wenn ich etwas beherrschen will, verschwinde ich zehn Monate und komm raus mit dem Meisterwerk. Ich habe Blu Mar Ten das Album geschickt, der das dann in die Welt rausgehaut hat. Davor gab es überhaupt nichts. Erst da haben viele in meinem Bekanntenkreis zum ersten Mal gemerkt, dass ich Musik mache.
Und weil es ein britisches Label mit britischen Presseverteilern veröffentlicht hat, wissen hier noch immer nur wenige davon.
Genau. Camo & Krooked, die ich kenne, seit ich klein war, haben das auch nicht gewusst und mich auf Englisch angeschrieben. Worauf ich meinte, Deutsch geht auch, ich kenn euch ja aus dem Forsthauspark. Darauf sie: Tschuldigung wir wissen nicht genau, was du meinst. Dann ich: Markus, Reini, ich bin der Nico, ich war dieser kleine Sprayer mit dem Afro … Ah ok, was geht, komm zu FM4. Seither war ich da zwei, drei Mal.
Weiß Clara Luzia, dass du sie remixt hast?
Ich war mit meiner Klasse in dem Film »Oh Yeah, She Performs«. Da war sie auch da. Zwei, drei Jahre vergehen, ich klicke entnervt eine Greenpeace-Werbung bei Youtube weg und höre noch, das ist Clara Luzia mit »We Are Fish«. Da hab ich sie angeschrieben, das ging alles wirklich schnell. Ich mag ihre rauchige Stimme, aber in meinem Alter kennt sie ja fast niemand mehr.
Die anderen Vocals sind über das Label zustande gekommen?
Robert Manos ist ein renommierter Drum’n’Bass-Vokalist, der dort extrem berühmt ist. Ich hab den Track nur ans Label geschickt und sie gebeten was zu suchen, dann kamen die Spuren perfekt zurück.
Und die dritten Vocals … Sarah Taisha?
Das ist für sie, das ist eine kleine Schwester. Cherry Lane, also Kirschenallee, ist die Straße, in der sie geboren ist.
Du bist gleich mit House und Garage in die Musik eingestiegen. Für jemanden wie mich klingt das ziemlich ungewöhnlich.
Also, ich hab zuerst Schlagzeug gelernt, seit mittlerweile 16 Jahren, zuerst bei einem Professor vom Konservatorium. Wenn ein Instrument, dann das. Schlagzeug hat mir immer Drive gegeben. Ich hab mir dann ab der vierten Klasse Volksschule immer Musik auf Youtube angesehen. Jazz-Mixes. Per Zufall kam ich dann zu DJ Krush, dann zu Roni Size, Goldie, Logistix.
Mit Acht …
Ja. Ich dachte, das war irgendwie Jazz, aber anders, mehr Drums, schriller. Dann bin ich auf Breaks draufgekommen. Mit 13 hab ich dann gewusst, was Drum’n’Bass ist.
Weiter zum Sound von Erde und Glas, zum korrupten Kongo und Wien.