Home Is Where The Hatred Is

Gebt diesem Mensch alle Stipendien! Kimyan Law ist die vielleicht größte, unbekannteste Musik-Versprechung in dieser Stadt.

Jede U-Bahnlinie hat ja einen eigenen Charakter. Du bist viel auf der U2 unterwegs, oder?

Ja, die ist entspannt und am saubersten. Und allein von den Obertönen her sehr leise – im Gegensatz zu U3 und U6, das ist ein Wahnsinn, ohne Kopfhörer ist das wie inmitten von sehr lauten Meerschweinchen.

Welche Musiker mit Gesichtsbemalung oder Masken magst du noch?

Mir fallen gerade nur Horrorfilme ein. Ich bin ein großer Fan von Masken. Das am Cover ist ja eine kongolesische Maske. Ich war mal in Mauthausen und habe in einem riesigen Buch einen Nachnamen gelesen, den ich sonst nur von meiner Familie kenne. Im Archiv in der Herrengasse hab ich herausgefunden, dass das wirklich einer von uns war. Daraufhin haben wir Klans recherchiert. Und unser Clan war vor ein paar hundert Jahren wirklich der Chef-Klan im Kongo. Und das ist die Maske, die unsere Soldaten getragen haben.

Ich dachte, du sagst vielleicht Sbtrkt.

Nein, der geht mir am Arsch. Das passt für mich nicht zusammen. Das ist, als würde er eine Maske von den Osterinseln vergewaltigen. Ich sehe keine Verbindung zwischen dem Sound und der Maske. Wenn Klangkarussell Masken aufhätten, würde ich das mehr sehen, weil sie einen ethnischeren Klang haben. Ich zweckentfremde Dinge auch, aber ich mag es, wenn Dinge eigenständig sind. So wie Amon Tobin. Oder Burial.

Das Artwork wirkt fast poppig.

Der Grafiker, Scott Smith, wollte mich malen. Die Schriften sind typische Schriften der Barbershops im Kongo. Dort siehst du diese Buchstaben wirklich überall.

Wohin geht das nächste Album?

Es wird viel cinematischer, mit mehr Sounddesign. Nicht unbedingt düsterer, aber verschwommener, nicht mehr so unglaublich fröhlich.

Ist »Coeur Calme« für dich denn unglaublich fröhlich?

Nein, es ist scheiß melancholisch. Aber viele Songs heucheln eine Fröhlichkeit vor. Ich hab daran gearbeitet, seit ich 14 war, hab gelöscht, ausgebessert, gelöscht, andere Projekte gemacht, neu aufgenommen, andere Samples verwendet, Projekt nochmal gemacht, Projekt nachgebaut. 2013 hab ich mich dazu gezwungen, Schritt für Schritt durchzugehen, welche Tracks ich wirklich mag und hab dann extrem selektiv gewählt. Das deckt jetzt so ziemlich alles ab. Dass »Copperclock« so viele mögen, ist cool, weil es für mich eines der wichtigsten Lieder ist.

Da meintest du vorher schon mal, dass es dir da am schlechtesten ging.

Das war der absolute Tiefpunkt des Albums, ja. Meine Eltern haben mich süßer als Honig aufgezogen, ich hab eine perfekte Kindheit gehabt. Aber manche Dinge können Eltern nicht verstehen, wenn sie nicht davon betroffen sind – wie meine Schwester und ich, weil wir eben vermischt sind. Manche Dinge kann man nicht aufarbeiten, außer man hat ein Ventil dafür, und meins ist die Musik.

Dieses »vermischt aufwachsen« war also ein Mitgrund, warum es dir nicht gut ging?

Ein Haupt- und Mitgrund. Es kommt drauf an, auf welche Community du stößt. Wenn es nur Leute sind, die rechts außen am Wiener Stadtrand wohnen, dann hast du ausgeschissen, gerade dann, wenn du der einzige Schwarze bis zu achten Klasse bist – und nicht einmal schwarz bist.

Wäre das in London besser?

Schau, irgendwo hat das ja auch mein Wohlgefallen gefunden. Wenn man immer nur mit sich selbst rumhängt, akzeptiert man sich oder bringt sich um. Eins habe ich versucht, jetzt mache ich das andere. Ich merke vor allem, dass die Leute meine Musik schätzen. In London war ich letztens nach einem Set von mir draußen eine rauchen und sehe alles, von Dreiviertel-Kantonesen, Polen, Ungarn, Südafrikanern, da ist Rassismus in der Jugend kein Thema, das ist komplett egal. Hier hab ich alle Augen auf mir. Was auch klar ist, ich bin nur in Schwarz gekleidet, habe blaue Augen, goldene Zähne und einen Afro – aber trotzdem, es nervt.

Sind dir politische Aussagen ein Anliegen?

Noch nicht. Mich hat aber Nazar positiv getroffen. Das ist sozialpolitisch. Ich weiß, wo er herkommt, ich weiß wo ich herkomme. Wir hatten beide Probleme. Bei mir waren es halt Neonazis.

Du drehst auch Filme?

Genau, Kurzfilme. Ich male auch. Mache auch andere Musik. Alles zu seiner Zeit.

»Coeur Calme« von Kimyan Law ist bereits via Blumartenmusic erschienen und ist hier zur Gänze streambar. Kimyan Law könnte beim Popfest Wien auftreten.

Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...