Home Is Where The Hatred Is

Gebt diesem Mensch alle Stipendien! Kimyan Law ist die vielleicht größte, unbekannteste Musik-Versprechung in dieser Stadt.

Dann hast du dich selbst mit Youtube erzogen?

Ziemlich. Und alle, die ich kenne, haben etwas abgedeckt. Ich hab in vielen Indie- und Funk-Bands gespielt. Meine Mutter hat Reggae, Soul gehört. Mein Vater HipHop. In der Schule Beatles, Pink Floyd.

Ist Drum’n’Bass bei euch daheim gelaufen?

Gar nicht. Meine Mama weiß, dass ich Fraktal-Drum’n’Bass mache. Es gibt ja Jungle, Tech-Step, Neurofunk, Lounge Core – was man eigentlich Liquid Drum’n’Bass nennt – und jetzt gibt es eine relativ neue Art, die die Labels Autonomic nennen. Was ich mache, weiß ich eigentlich nicht.

Die Platte klingt ja nicht einmal sonderlich nach Drum’n’Bass.

Das mein ich ja. Der Grundrhythmus ist da, der Baukasten, die Drum-Schemata, alles andere darüber ist meine Interpretation. Das war auch mein Ziel.

Hast du musikalische Vorbilder?

Weniger individuelle Vorbilder, eher Klangwolken aus verschiedenen Regionen als Vorbilder. Afrikanische, chinesische, japanische Musik. Es gibt dort eine andere Harmonik. Alles in Richtung Koto und Zither. Ich arbeite auch mit afrikanischer Polyrhythmik, die man hier gar nicht notieren kann.

Du verwendest ja viele Sounds, die einen kurzen Sustain haben, harmonisch machst du dann Cluster aus diesen Sounds.

Ja, Steps, Klacks, alles, was gezupft ist und perkussiver. Wenn man genau hinhört, haben viele Stücke einen plagalen Schluss. Die Harmonien werden anders aufgelöst. Hier ist ja seit Jahrhunderten geradlinig, Radetzkymarsch.

Gustav Mahler hat die Harmonien schon aufgelöst.

Mahler ist super.

Ist Afrika nicht viel zu groß, um von »afrikanischer Musik« zu reden?

Jein. Für moderne afrikanische Musik gibt es drei Hauptlieferanten, die demokratische Republik Kongo, Nigeria und Südafrika. Ich rede aber von Instrumenten, vom Klang, von Rhythmik und den Obertönen. Viele davon habe ich auch zuhause und nehme das für meine Musik auf.

Wenn du von Obertönen redest, sind die für dich fundamental anders.

Ich habe als Kind gemerkt, dass ich um einiges besser als meine Mutter höre – und die hört verdammt gut –, ich war sehr sensibel auf hochfrequente Töne. Ich nehme das anders wahr. Ich kann hier in diesem Café was aufnehmen und in zwei Tagen gebe ich dir einen Track. Weil man aus allem Musik machen kann. Ich kann dir sagen, (schaut auf die Trackliste des Albums und zeigt auf verschiedene Titel) sehr viel Holz, da extrem viel Glas, hier Müll – schon mit Handschuhen –, bei diesem ist alle Mögliche drin von Ping Pong-Schlägern, gefrorene Erde, Reis bis zu Sticks. Und da auf »Solange« sind meine Schwester und ich von einer VHS-Kassette drauf, als wir gestritten haben. Der Track heißt so nach meiner Tante, die ich noch nie gesehen habe.

Warum das?

Sie wohnt zu weit weg, im Kongo. Mein Vater hat 21 Geschwister, manche kennt er selbst nicht, manche sind schon gestorben. Ich kenne selbst nur die Hälfte, weil es wirklich teuer ist, in den Kongo zu fliegen, und weil meistens Bürgerkrieg dort ist. Meine Großeltern waren mit dem Ex-Präsidenten befreundet.

Mobutu Sese Seko?

wa Zabanga, und so weiter, ja.

War Mobutu Sese Seko ein guter Politiker?

(lacht) Kongo ist das korrupteste Land, das ich kenne. Der größte Importeur von Rolls-Royce. Es wurden sieben Präsidenten bei Anschlägen ermordet. Meine Onkeln und Tanten sind aber wahrscheinlich an Altersschwäche gestorben.

Wie viele Sprachen sprichst du?

Muttersprache französisch. Deutsch, englisch. Halbwegs Gebärdensprache, seit vier Monaten lerne ich japanische Kanji.

Salute ist ja gerade nach London gezogen [Anm.: Wir wurden darauf hingewiesen, dass er aktuell noch in Brighton wohnt, aber London bald kommt]. Dem scheint es dort gut zu gehen. Überlegst du das auch?

Ja, das ist nur eine Frage der Zeit. Und vor allem des Geldes. London ist halt extrem, extrem teuer. Wenn Salute dort leben kann, Respekt, dann hat er es geschafft. Ich habe neben London auch in Manchester und Plymouth Verwandte. Wohin genau ist nicht sicher.

Trishes meinte in seinem Text, dass du nicht sehr in Wien verwurzelt bist.

Nicht wirklich.

Wo bist du so unterwegs?

Am Tag gar nicht. Ich bin nachtaktiv, ich mag Licht nicht. Im Stehbeisl, Kaffee Kafka, innere Bezirke, überall, wo ein bisschen mehr Kunst ist als sonst. Ich mag Clubs eigentlich gar nicht, ich hör auch bei Vollkontakt nur zu und bin nicht der Typ, der dort tanzt.

Magst du österreichischen Film?

Ich mag den »Knochenmann«, mehr als Haneke. Der Hader ist ein Wahnsinn. Ich mag auch Düringer, obwohl den fast niemand mag. Stipsits ist auch lustig und Viktor Gernot.

Liebster Würstelstand?

Ich mag ein paar. Ich leg aber echt Wert auf frisches, gutes Essen, weil ich mal Koch war. Bei vielen bin ich gleich weg.

Linie U2, Masken, Sbtrkt, politische Musik.

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