100 Jahre Porno in Österreich

Lust und Tabu, Revolte und Fanatismus – Pornografie war schon immer ein heißes Eisen in Österreich. Eine Historiografie.

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© Künstlerhaus

Pornografie kann mehr sein als ein fünfminütiger Aufenthalt auf einer xxx-beliebigen Internetseite inklusive Cumshot-Finale. Zu beobachten ist das auch an der österreichischen Erotik-Landschaft, die facettenreich mit Film, Literatur, Print und Events ein breites Spektrum an erregendem Input liefert. Immer mit Tabuisierung und deren Bruch verbunden, entwickelte sich die Darstellung von Sexualität in den letzten 100 Jahren gemäß den internationalen Trends und in Relation zu den Grenzen der technischen Machbarkeit: Vom Stummfilmchen über das Schmuddelheft bis hin zum Internet. Juristisch gesehen lief es auf dem Gebiet der Pornografie im Gegensatz dazu leider immer schon recht österreichisch á la »Schau ma mal«-Leitsatz ab: Gesetze wurden oft erst Jahrzehnte später geändert, reformiert und dem sich bereits etablierten Mainstream angepasst. In Österreich ließen sich zum Glück aber nicht alle von der hinterherhinkenden Gesetzeslage entmutigen und sorgten damit für feuchte Träume abseits des kalifornischen Porn Valley. 

1906

gründete Johann Schwarzer die erste österreichische Filmproduktionsgesellschaft Saturn-Film. Aufgrund der großen Nachfrage spezialisierte man sich auf erotische Kurzfilme, die – ganz dem Voyeurismus verschrieben – meist eine sich im Laufe der Handlung entblößenden Frau zeigten. Schwarzer produzierte in den folgenden Jahren insgesamt 52 Filme, die 1911 allerdings aufgrund des freizügigen Bildmaterials von der Polizei beschlagnahmt wurden. Seine Stummfilmpornokarriere endete hiermit.

Saturn Film © Filmarchiv Austria

Außerdem erschien 1906 der anonyme Erotikroman »Josefine Mutzenbacher. Die Geschichte einer Wienerischen Dirne. Von ihr selbst erzählt«. Angeblich soll er aus der Feder des österreichischen Autors Felix Salten stammen, der vor allem für das unschuldigste Werk schlechthin bekannt wurde – »Bambi«. Der Mutzenbacher-Roman wurde bis 1990 wegen seines obszönen und teils pädophilen Inhaltes als jugendgefährdende Schrift eingestuft und löste im Laufe des 20. Jahrhunderts immer wieder juristische Diskurse zwischen Kunst und Pornografie aus.

Nach dem Zweiten Weltkrieg fürchteten Kirche und Co. den moralischen Verfall der Gesellschaft in Österreich. Die Kampagne »Schmutz und Schund« sollte zwischen

1945 und 1965

mit Gesetzesverschärfungen und eigenen Kommissionen – wie die »Katholische Filmkommission« –entgegen wirken. Gegen die aufkommenden Swinging Sixties waren aber selbst die überzeugtesten Fanatiker machtlos und so verlief der Kampf gegen Unzucht und Unmoral im Sand.

1968

Mit dem »Tapp- und Tastkino« sorgte Performance-Künstlerin Valie Export für Furore. Mit ihrer Installation präsentierte sie ihren eigenen nackten Körper als ersten »direkten Frauenfilm« in Fußgängerzeilen der Öffentlichkeit.

1970

© Constantin Film

…kam der erste Teil der »Der Schulmädchenreport«-Reihe in die österreichischen Kinos. Diese Kult-Schein-Doku von Regisseur Ernst Hofbauer, der den Film mit pseudowissenschaftlichen Kommentaren versah, avancierte zum Educational-Porn des Jahrzehnts. Kritik hagelte aus allen Richtungen, was dem Erfolg aber keinen Abbruch tat: Die bis 1980 entstandenen 13 Teile lockten weltweit 100 Millionen Neugierige in die Kinos, in Deutschland rangiert der erste »Schulmädchenreport« auf Platz 7 der erfolgreichsten deutschen Kinoproduktionen aller Zeit.

Im Dezember 1970 fand auch die erste Erotikmesse in Wien statt – die »Intim 70«. Sie sorgte erfolgreich für Neugier und Empörung und wurde 1971 mit der »Sexpo 71« im Künstlerhaus weitergeführt. Während die »Intim 70« als reine Verkaufsmesse von Dessous bis Sexspielzeug für Händler und Konsumenten interessant war, lockte die »Sexpo 71« hingegen vor allem Schaulustige an, die oft nur Augen für die Live-Shows der extra eingeflogenen skandinavischen Erotik-Models hatten.

© Künstlerhaus

Die 1970er

In den 70ern gründete Peter Janisch in Österreich das erste, sich europaweit etablierende Sexmagazin – das »Österreichische Kontaktmagazin«, kurz »ÖKM«. Vorgängerzeitschriften von anderen Herausgebern wie »Die Schlange«, »Pin-Up« oder »Liebes-Perle« fielen der Zensur zum Opfer und mussten schon nach wenigen Ausgaben eingestellt werden. Das »ÖKM« setzte sich aber durch und war neben dem Sex-Content vor allem für seine Kontaktanzeigen bekannt, die oft auch zur medialen Zufluchtsstätte für sexuelle Randgruppen wurden.

Als »Pornojäger« machte sich der katholische Aktivist mit Rechtsdrall Martin Humer in österreichischen Medien einen Namen. Ab

1981

sagte er der Pornografie in all ihren Facetten den Kampf an, protestierte gegen Aufklärungsunterricht, Homosexualität, Abtreibung oder den Life-Ball und kassierte dabei insgesamt 22 Vorstrafen und zwei Gefängnisaufenthalte.

1988

startete die »Ö3-Sexhotline«, eine Live-Talksendung rund ums Thema Sex. Jeden zweiten Freitag Abend stellte sich ein fachkundiges Beratungsteam – allen voran die Wiener Psychotherapeutin und Autorin Gerti Senger – den Fragen und Problemen der Ö3-Zuhörerschaft. Die »Ö3-Sexhotline« entwickelte sich bis 1992, bis sie schließlich auslief, zu einer wahren Ratgeber-Institution.

1997

erst wurde § 220, der gleichgeschlechtliche Pornografie als Form der »Unzucht« strafbar machte, aufgehoben. Bis dahin war dargestellte Homosexualität nach österreichischem Recht mit Pädophilie und Sodomie gleichgestellt.

2005

gewann Renee Pornero den Eroticline Award in der Kategorie »Beste Darstellerin Europa«. Als bis dato erfolgreichste österreichische Pornodarstellerin mit über 200 Pornodrehs beendete sie 2008 ihre Karriere vor der Kamera und versuchte sich als Regisseurin.

2013

Adrineh Simonian © Arthouse Vienna

…gründete Adrineh Simonian die Produktionsfirma Arthouse Vienna, die eine Alternative zum gewöhnlichen, männerdominierten Porno-Einheitsbrei bieten will. Simonian, die sich als Opernsängerin europaweit einen Namen machte, möchte mit einem ästhetischen und feministischen Ansatz das Zerrbild der Mainstream-Pornografie aufheben.

2016

veröffentlichte Die Internetplattform Pornhub Statistiken über das weltweite Nutzer-Verhalten. Österreich stach vor allem in der Kategorie »am häufigsten angeklickt« hervor: »Mature« hat es den Österreicherinnen und Österreichern bei der Porno-Suche besonders angetan.

Dieser Text ist Teil des Schwerpunkts zu Sex und Liebe aus The Gap 160

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