Die Vienna Design Week wird fünf. Zeit zum Feiern, aber auch zum Nachfragen: Wo steht das Festival heute? Und wie geht’s weiter?
Am Anfang war kein Masterplan. Sondern die Überzeugung, dass für das Thema etwas getan werden muss. 2006 veranstalteten Tulga Beyerle, Thomas Geisler und Lilli Hollein erstmals die sogenannten Passionswege, die zum festen Kern eines sich schnell entwickelnden Festivals werden sollten: In Wien ansässige produzierende Unternehmen werden dabei mit Designern zu einem Projekt zusammengespannt, die Ergebnisse anschließend bei der Vienna Design Week präsentiert – von temporären Installationen bis zu Serienprodukten. Womit wir auch schon beim ersten Erfolg sind, den sich die Macherinnen der Design Week (Thomas Geisler arbeitet mittlerweile als Designkurator im MAK) auf die Fahnen heften: Dass das Festival nachhaltige Initiativen gesetzt hat und eine Menge von Wiener (Traditions-)Betrieben für die Zusammenarbeit gewinnen konnte.
Als Erfolg verbucht wird auch die internationale Anerkennung: »In der Designszene gelten wir als eines der besten Festivals Europas«, so Beyerle, die sich der internationalen Konkurrenz bewusst ist, schließlich gibt es ähnliche Veranstaltungen unter anderem in Berlin (DMY Festival) und Budapest (Budapest Design Week), Laibach (Month of Design) und Prag (Designblok). Geholfen hat in Wien sicherlich, dass die kuratorische Handschrift der Initiatorinnen einen großen Teil des Festivals prägt und so ein Ausrinnen Richtung Messe-ähnlichen Auftritten eindämmt. »Außerdem ist es uns gelungen, nicht nur die Community, sondern ein breites Publikum anzusprechen«, so Beyerle weiter. 26.000 Besucherinnen und Besucher wurden im vergangenen Jahr gezählt.
Das rasante Wachstum hatte auch mit der permanenten Entwicklung weiterer Formate zusätzlich zu den Passionswegen zu tun: So gibt es etwa die »Carte Blanche«, bei der Designer ohne kommerziellen Druck ein Projekt verwirklichen können, oder das »Labor«, wo man Kreativen bei der Arbeit über die Schulter schauen kann. Darunter mischen sich wiederum rein kommerzielle Projekte von Möbelhändlern, die die Gunst der Stunde nutzen und neue Kollektionen ins Rampenlicht stellen. Das Programm hat sich vervielfacht, den Überblick zu behalten fällt allerdings schwer, auch wenn der Festival-Guide einen Weg durchs Dickicht zu schlagen versucht: »Es ist eben für jeden etwas dabei, für Spezialisten wie für Einsteiger oder für Kinder«, so Hollein. »Natürlich müssen wir da und dort auch Formate verbessern, aber deswegen stellen wir sie nicht gleich prinzipiell in Frage.«
Industrie und Kunst
Die »Kunstlastigkeit« des Festivals hat immer wieder Industriedesigner zu wenig freundlichen Kommentaren herausgefordert. Sie fühlen sich unterrepräsentiert und kritisieren das Bild vom experimentellen Designer, das der Öffentlichkeit fälschlicherweise vermittelt werde. Der Arbeitsalltag vieler Gestalter sehe nämlich anders aus: schnöde Verpackungen statt experimenteller Stühle, Konsumartikel statt One-Offs, Büroalltag statt Galerien-Flair. »Die Kritik ist durchaus berechtigt. Wir arbeiten daran, den Bereich des klassischen Industriedesigns stärker einzubinden«, verspricht Beyerle. Wobei die Festival-Managerinnen ihrerseits bemängeln, dass relativ wenige Industriedesigner Interesse zeigen würden. »Wer sich bei uns meldet, wird merken, dass wir sehr offen sind«, bekräftigt Hollein.
West, Süd, Ost
Was dem Festival ohne Zweifel von Anfang gut getan hat, ist die internationale Ausrichtung – und das nicht nur nach West-, sondern auch nach Süd- und Osteuropa. Gerade in diesem Raum sind in den vergangenen Jahren extrem dynamische Szenen entstanden, die gehörig Aufsehen erregen. So legte das diesjährige Design Week-Gastland Polen bereits 2010 im Mailänder Triennale-Museum einen furiosen Auftritt hin. Im internationalen Umfeld ist es für heimische Kreative allerdings nicht immer leicht, zu bestehen. So sind die jüngeren Designerinnen und Designer aus Wien heuer nur spärlich vertreten. »Da gibt es schon eine gewisse Lahmarschigkeit, um es drastisch zu sagen«, so Hollein. »Man bietet ihnen die Plattform – aber es kommt derzeit leider nicht viel«, ergänzt Beyerle. Und das ausgerechnet, nachdem das vergangene Jahrzehnt einen beachtlichen Aufschwung für die hiesigen Studios brachte.
Doch während die Kolleginnen und Kollegen aus Polen oder Ungarn sich mit professionellen Konzepten und viel Herzblut in die Sache reinhängen, glauben manche junge »Einheimische« offenbar, es genüge bereits, Absolvent der Angewandten zu sein, um automatisch zum Nachfolger von EOOS, For Use oder anderen österreichischen »Stars« ausgerufen zu werden. Über die genauen Ursachen für die momentan grassierende Passivität wundern sich Beyerle und Hollein selbst, eine Erklärung dafür haben sie nicht. Ist es pure Naivität? Platte Hochnäsigkeit? Akuter Realitätsverlust? Oder möglicherweise Desinteresse an einem Wiener Event, weil nur internationale Auftritte cool sind?
Eine explosive Sparflamme
Jedenfalls gäbe es gerade für den Nachwuchs viel Know-how abzuholen, ist doch die Design Week nicht bloß ein Festival, sondern mittlerweile ein ganzjährig von vielen genutztes Kompetenzzentrum, das in dieser Form hierzulande einzigartig ist. Die private Initiative ist längst zur international vernetzten Institution geworden – dennoch muss jedes Jahr um jeden Cent für die Finanzierung gekämpft werden. Langfristig könne man nur sehr eingeschränkt planen, von einem Drei-Jahres-Plan nur träumen. Ganz zu schweigen von der bescheidenen Infrastruktur, zurzeit agiert man von einem kleinen Büro in Wien-Margareten aus, das eher an einen Kreativ-Sweatshop erinnert denn an den Sitz der aktivsten Wiener Anlaufstelle für Design. Daher ist trotz allem Enthusiasmus bei Hollein & Beyerle eine gewisse Genervtheit zu spüren, wenn’s um die Kohle geht: „Es wird zwar grundsätzlich anerkannt, dass wir etwas bewegen. Nur ist gerade unser Engagement auch für manche ein Grund, uns finanziell auf kleiner Flamme köcheln zu lassen. Man verlässt sich darauf, dass wir ohnehin weitermachen.“
Dazu kommt das typische Dilemma von Design als Disziplin zwischen Wirtschaft und Kultur – in letzterem Bereich fehlt manchmal noch immer das grundlegende Verständnis dafür, als vollwertige künstlerische Tätigkeit gilt Design wiederum auch nicht. Doch man wolle nicht jammern, so Tulga Beyerle und Lilli Hollein, denn das sei typisch österreichisch. Und wenn die Vienna Design Week etwas bewiesen hat, dann dieses: Dass sie kein kreativer Kleingartenverein in Rot-Weiß-Rot ist. Es wäre höchst an der Zeit, das nicht nur gönnerhaft anzuerkennen, sondern auch für die »Rahmenbedingungen« (wie es in der Politik immer so unsäglich heißt) zu sorgen, damit auch in Zukunft ordentlich aufgekocht werden kann.
Die Vienna Design Week findet von 30. September bis 9.Oktober in diversen Locations in Wien statt. Mehr Infos auf: www.viennadesignweek.at