Im Schnittpunkt Ottakring und Hernals hält ein neues Festivalformat Einzug – das Urban Bloom will eingeschlafene Plätze rund um den Yppenplatz und den Gürtel mit mehr als einem sanften Schubser aufwecken. Im Gespräch mit der Leiterin Teresa Novotny.
Performances, Installationen, Konzerte, Diskurs-Beiträge und Clubbings locken von 19. April bis 4. Mai nach Hernals und Ottakring. Electric Indigo, Brenk Sinatra, Kreiml & Samurai, Die Happy Few, Renate Pittroff, Una Steiner…. die Liste der MusikerInnen und KünstlerInnen, die überwiegend in Off-Locations zwischen Elterleinplatz und Gürtel zur Darbietung laden, klingt vielversprechend. Bespielt werden unter anderem der Vronihof und der Rote Bogen, Geschäfte in der Umgebung, aber auch Gürtellokale wie das Rhiz oder das Loft.
Besonders wichtig sei es laut Festivalleitung rund um Teresa Novotny, lokale UnternehmerInnen, KünstlerInnen und vor allem auch AnrainerInnen einzubinden und so »Geschichten und Utopien im Bezirk sichtbar und erfahrbar zu machen«. Man will, so die Initiatorin, vor allem das durch Leerstand geprägte Gebiet beleben und neues Publikum sowohl für lokale KünstlerInnen und MusikerInnen, als auch für die Unternehmen selbst, erschließen.
Wir haben mit Festivalleiterin Teresa Novotny über Börek, Beef Tartar und den Schokoladengeruch der Manner-Fabrik gesprochen:
»Eine Wiederbelebungsmaßnahme für sterbende Orte in einem ganz besonderen Grätzl« – eure Beschreibung lässt erahnen, dass die InitiatorInnen eine gewisse Liebe zu diesen Bezirken haben. Woher kommst du? Bist du Hernalserin oder Ottakringerin? Welche Beziehung hast du zu diesen Bezirken?
Großgeworden bin ich in Favoriten, hatte aber Familienbedingt immer Bezug zu Hernals, da meine Großmutter hier auch noch wohnt. Beim Engelmann habe ich Eislaufen gelernt – so wie mein Sohn jetzt. Er ist auch der Grund weshalb ich meine kleine Studentensinglewohnung in Margareten aufgegeben habe und mit ihm vor bald drei Jahren hierher gezogen bin, zu Beginn wars noch eine ziemlich verrückte WG mit meiner Schwester, ihrem Freund, einem afghanisch-iranischen Flüchtlingspaar und zeitweise auch noch meinem damaligen Freund. Jetzt hat sich diese Wohnsituation entspannt, aber es war eine großartige Erfahrung, die ich nicht missen möchte! Und mein Bild von dem tristen Bezirk, wo wir grad mal in den Wintermonaten die Familie treffen hat sich natürlich radikal geändert.
Hernals hat für mich immer etwas von diesem familiär Durchmischten, Dichten… je gürtelnäher, desto enger – wobei es auch gleichzeitig leerer – auch im Sinne von Leerstand – wird. Das finde ich spannend, und das triggert mich auch bei der Umsetzung vom Festival. Da gibt es für mich immer noch sehr viel zu entdecken, und das genieße ich sehr, weil dabei das Bild, das ich von der Gegend habe, ständig neu gezeichnet wird.
Was sind deine Lieblingsplatzerl in dem Gebiet?
Uh, schwierige Frage. Ich muss zugeben, ich habe den perfekten Platz um mich aufzutanken außerhalb meiner eigenen vier Wände in unmittelbarer Nähe noch nicht gefunden (da wäre es mein Schlafzimmer, mit der großen Kastanie und Himmel vor dem Fenster.)
Um entspannt Freunde zu treffen geh ich klassisch am liebsten ins C.I. am Yppenplatz und mit meinem Kleinen ist es der Engelmann (siehe oben) im Winter und der Huberpark/Ortliebpark im Sommer.
Vielleicht lässt sich das ‚Lieblingsplatzerl‘ aber vielleicht auch anders umfassen, für mich sind´s eher Momente, die die Lebensqualität für mich hier auszeichnen; ich genieße es zB. total im Sommer in lauen Nächten mit dem Rad in meine Gasse einzubiegen und nur mehr steil bergab bis vor meine Haustür zu fliegen. Das ist super. Oder wenn ich an manchen Tagen der Wind den Schokoladengeruch der Manner Fabrik bis in meine Gegend trägt. Oder im »Lercherl von Hernals« Hirn mit Ei auf der Speisekarte zu finden – auch wenn ich´s nie bestellen würde, aber mir graust bei dem Gedanken immer so schön. Oder im »Tea Please!« auf einen grünen Tee bleiben und mit dem Besitzer über Wirtschaft und Musik reden oder in der Früh dem »Foto Holub« im Auto winken, der in seine Garage einfährt. Das macht die Gegend mittlerweile für mich aus.
Im 16. Bezirk findet auch jährlich das Soho in Ottakring Festival statt. Ein urbanes Kunst- und Kulturfestival, das sich ebenfalls mit Themen wie Leerstand, Raumnutzung, etc. beschäftigt. Arbeitet ihr mit dem Soho-Team in irgendeiner Form zusammen? Was unterscheidet euch vom Soho? Was wollt ihr anders, was neu machen?
Wir haben uns mit Teilen des Teams von Soho ausgetauscht – da gibt es einfach bereits einen großen Erfahrungsschatz in der Zusammenarbeit und Umsetzung mit Institutionen vor Ort, das war zu Projektstart für uns sehr hilfreich und aufbauend. Aufgrund der geografischen und auch zeitlichen Distanz der Veranstaltungen kommt es im Fall von Urban Bloom jedoch zu keiner direkten Zusammenarbeit.
Aber dass es da Themenüberschneidungen gibt auf beiden Seiten spricht einfach für das Gesprächs- und auch Handlungsbedürfnis. Das spiegelt sich auch im Feedback vieler KünstlerInnen und Kulturinitiativen wieder – oder überhaupt den Themen, die andere Veranstaltungsformate und Festivals aufgreifen, siehe allein Wienwoche 2017, wo es um Konsequenzen und Alternativen zu kapitalistischen Arbeitsstrukturen ging. Da geht’s letzten Endes dann auch gar nicht mehr so viel um etwas ‚anders‘ oder ’neu‘ im Sinne von ‚Unterscheidungsstrategien‘ zu machen sondern vielmehr um Räume zu schaffen, in denen man auch das eigene Handeln nochmal verhandeln und die Perspektive erneut ausrichten kann – um letzten Endes im besten Falle tatsächlich zu einem neuen Ansatz, einer tatsächlichen Alternative zu gelangen. Dass diese Bedürfnisse nicht von einem Festival oder einer Initiative allein abgedeckt werden können, ist klar, dazu sind die Themen und Probleme zu komplex – deshalb ist es auch gut, wenn da an mehreren Stellen dran gearbeitet wird.
Bei Urban Bloom gehts zB. nicht vorwiegend um Leerstandsfragen, diese können in diesem Kontext eher als Symptom der neoliberalen Strategien begriffen werden, die wir hinsichtlich kultureller und ökonomischer Produktionspraxen untersuchen wollen. Und da wollen wir die KünstlerInnen, UnternehmerInnen und auch Kulturinitiativen einbinden und fragen „wie wollen wir von dem, was wir tun, am besten leben?“
Und das ist eben spannend in genau dem Gebiet hier – auf der einen Seite Geschäftssterben und auf der anderen Seite die spannendsten Geschichten!
Ottakring und Hernals sind Bezirke mit zwei Gesichtern – auf der einen Seite gibt’s den coolen, hippen 16./17. Bezirk mit seiner Kunst- und Musikszene, den Yppenplatz auf dem Millenials Lilletspritzer schwenkend den Feierabend von der Terrasse des Wirr am Brunnenmarkt aus genießen und auf der anderen Seite gibt’s den bunten, lauten, manchmal dreckigen Bezirk als letzte Bastion für günstigen Wohnraum, günstiges Dosenbier und einem sehr hohen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund. Wenn ihr sagt, ihr wollt das Grätzl erfahrbar machen – wessen Geschichten sollen erzählt werden? Die, der GemüsestandverkäuferInnen und ShishabarbetreiberInnen oder die, der kleinen hippen Geschäftslokale/Galerien der Stadtrandbourgoisie? Himbeerkracherl oder Ayran? Börek oder Beef Tartar?
Das Spannende ist ja, dass es da auch noch Momente dazwischen gibt. Den kleinen überladenen Fotoladen. Die türkische Pizzeria. Die Familienbetriebs-Autowerkstatt. Das Nachbarschaftszentrum. Das Wollatelier. Den Teeladen, bei dem ich mich jedes Mal beim Rausgehen an dem Glastisch mitten im Raum anstoße, wir lauthals lachen, und ich höre, ich sei eh nicht die erste, der das passiert.
Die spannenden Geschichten kommen diesmal nicht aus dem Entweder/Oder zweier Gesichter und versuchen so keinem bereits etablierten Bild zu entsprechen, sondern einfach nur sich selbst.
Und auf der anderen Seite – wen möchtet ihr ansprechen? Wer ist euer Zielpublikum?
Durch die geplanten Touren im öffentlichen Raum besteht immer die Möglichkeit für Laufpublikum einfach mitzugehen, sich einzuklinken und den spannenden Geschichten und Anekdoten von Vanja Fuchs, unserem Guide, zu folgen. Sie hat mir bereits ein paar Hints gegeben, und das war schon so spannend!
Dann natürlich die Kundschaften der UnternehmerInnen aus der Gegend, sowie kulturaffines Publikum – das ist die eigentliche Zielgruppenverschränkung, wo sich das Entweder-Oder überlappen könnte.
Wie finanziert ihr euch? Reicht die Förderung der Shift Basis.kultur aus oder seid ihr noch auf andere Spender angewiesen?
Shift deckt einen großen Teil ab, aber leider nicht alles. Ein Teil wird durch den Vorverkauf und die Einnahmen für die Konzerte finanziert. Die Bezirke unterstützen uns auch so gut sie können.
Dann dürfen wir uns für ein großes Entgegenkommen vieler unserer KooperationspartnerInnen bedanken, darunter tragen die Kulturinitiativen durch ihre Zeit und Mitarbeit einen wesentlichen Teil bei, das Restaurant am Kalvarienberg unterstützt uns zB. mit Räumlichkeiten die uns zur Verfügung gestellt werden, uns die Venues an sich entgegenkommen und dann freuen wir uns noch über Sachsponsoring.
Insgesamt gibt es auch in diesem Festival viel zu viele Arbeitsstunden und Gesprächsstunden aller Beteiligten die nicht entsprechend finanziell wertgeschätzt werden können. Und auch sosehr wir es uns von Beginn an vorgenommen hatten aufzupassen und es besser zu machen – da es ja auch kritisches inhaltliches Thema des Festivals ist – so sind auch wir in die Selbstausbeutungsmaschinerie getappt.
War es euer Anspruch bei der Zusammenstellung des Programms, dass lokale – also vorwiegend aus den Grätzln stammende – KünstlerInnen und MusikerInnen vertreten sind? Ist euch das gelungen?
Der Anspruch war, mit möglichst vielen Kulturinitiativen aus dem Einzugsgebiet zu kooperieren – da machen auch wirklich viele mit, was super ist, das hat auf jeden Fall soweit gut geklappt.
Es nehmen auch einige KünstlerInnen aus der Gegend teil, die entweder hier wohnen und/oder arbeiten, oder hier mal gewohnt haben und die Gegend kennen, der Umstand war aber nicht ausschlaggebend – auch bei den MusikerInnen war das kein Kriterium.
Durch den Open Call für die Kunst hat sich der Fokus damals auch nicht so streng gehalten – wichtig war und ist dass sich das Projekt gut im Festivalkontext zeigen lässt. Und das gilt genauso fürs Musikprogramm, das zuerst nach inhaltlichen Kriterien gestaltet ist.
Habt ihr beim Booking auch auf ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis geachtet? Wie sind die Geschlechterverhältnisse beim finalen Line-Up?
Das war mir und den Kuratoren auf jeden Fall für das Festival gesamt gesehen ein Anliegen. Da liegt auch gleich ein wichtiger Punkt – dass das Festival als ein Ganzes wahrgenommen und gedacht wird, und nicht als zwei getrennte Moment (Kunst vs. Musik) die einander gegenüberstehen.
Und bei der Programmgestaltung bestimmen nach den inhaltlichen Komponenten noch andere Parameter das Geschehen, da geht’s dann auch bald mal um die finanziellen Rahmenbedingungen – was ist da möglich, inwieweit kommt man einander entgegen? Und das gilt und galt für die MusikerInnen genauso wie für die KünstlerInnen.
Wenn man sich das Gesamtverhältnis anschaut, ist es recht ausgewogen: Das Kunstprogramm wird – was die Diskurspositionen als auch die künstlerischen Positionen angeht – ganz klar von einer Mehrzahl Frauen repräsentiert. Für das Musikprogramm gibt es trotz der männlichen Überrepräsentanz sehr starke weibliche Positionen wie zB. Electric Indigo, Misonica oder Canned Fit. Auch in der Kooperation mit Gürtel Squad gibt es ein gemischtes Line Up.
Letztendlich geht es bei allen Projekten aber darum, ein Gesamtbild im Festivalkontext zu zeichnen, und schließlich ob sich die Mitwirkenden da auch inhaltlich repräsentiert fühlen.
Was sind momentan die größten organisatorischen Herausforderungen vor denen ihr steht?
Die Touren zu organisieren und jetzt endlich mit der Umsetzung und dem konkreten Arbeiten mit den KünstlerInnen vor Ort zu beginnen. Da sich oft im letzten Moment noch Änderungen ergeben, wurde bis vor kurzem noch hart am Programm und den finalen Locations gearbeitet. Jetzt geht’s endlich los mit den Touren und dem feilen an den Details. Welche Geschichte wird wo und wie erzählt, was ist wann passiert, wie kommen wir von A nach B…? Wer braucht was wann wo? Jetzt wird’s endlich real.
Worauf freust du dich am meisten? Hast du eine besondere Empfehlung für uns?
Uuuuuuuh so viele! Da jeder Tag ja unter einem eigenem Thema läuft, hängt sich nicht nur die Gestaltung der einzelnen Touren daran auf, da wird jeder Veranstaltungstag speziell – und dann auch noch das Musikprogramm, immer gemeinsam denken.
Ich freu mich schon sehr auf die Tour mit dem Kammerjäger und anschließendem Filmscreening „Tarpaulins“ von Lisa Truttmann, Artist Talk, Performance von Brigitte Wilfing und mit den erlebten körperlichen, auditiven und visuellen Eindrücken zu Misonica und Electric Indigo! Oder aber auch auf die performativen Lesung von Walter Ego (Zitat „I have no Problem with my Problems“) und dem Forum mit den Kulturinitiativen, den Wiener Beschwerdechor und Canned Fit, aber auch auf den Destillationsworkshop und und und ….
Das Urban Bloom findet von 9. April bis 4. Mai in Hernals und Ottakring statt. Nähere Infos gibt´s hier.