Im August feiert Napalm Records im Zuge des Metal On The Hill Festivals in Graz sein beachtliches 25-jähriges Bestehen. Trotz Büros in New York und Berlin ist der Firmensitz des Metal- und Rock-Labels nach wie vor im obersteirischen Eisenerz angesiedelt und dort ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor in einer krisengeschüttelten Region.
Der Ort Eisenerz ist außerhalb der Steiermark wohl den wenigsten ein Begriff. Bekannt sind höchstens der Erzberg, das auf diesem stattfindende Motocross-Rennen namens Erzbergrodeo, das Langlauf-/Biathlon-Zentrum oder die Tatsache, dass im Gemeinderat die KPÖ noch verhältnismäßig stark vertreten ist.
Eisenerz war einmal – wie viele andere Städte und Dörfer im nahegelegenen Mur- und Mürztal – ein wichtiger Bergbau- und Industriestandort. Ab 1881 wurde der Erzberg im Etagenabbau richtiggehend abgetragen. Ein brutales Verfahren, bei dem von der Natur nur wenig übrig bleibt. Einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebte Eisenerz beginnend mit dem Zweiten Weltkrieg, der die Stadt mit Zwangsarbeitern, Todesmärschen und den Eisenerz-(Kriegsverbrecher-)Prozessen aber auch in den Geschichtsbüchern verewigen sollte. Von 1939 bis 1981 zählte die Stadt über 10.000 Einwohner. Die Krise der Eisen- und Stahlindustrie ab den 1980er-Jahren führte schließlich – wie in der ganzen Obersteiermark – zu Bevölkerungsabwanderung und Überalterung. 2017 lebten laut Statistik Austria nur noch knapp über 4.100 Menschen in Eisenerz, 63,3% davon in der Altersgruppe 50 plus.
Ganz oder gar nicht
Die jüngere Geschichte von Eisenerz ist natürlich auch jene von Markus Riedler. Der Gründer und CEO von Napalm Records, heute Mitte 40, ist in der Stadt aufgewachsen. Bereits als Schüler begann er CDs zu veröffentlichen und einen Vertrieb aufzubauen. Nach der Matura musste er sich entscheiden: »Ganz oder gar nicht«, wie er sich im Interview erinnert. Und er entschied sich für die Unternehmensgründung – ohne Fremdkapital, was ihn immer wieder vor »verzwickte Herausforderungen« stellte. Doch sein Großvater sei ihm, wenn es mal eng wurde, zur Seite gestanden, so Riedler.
Das ehemalige Ein-Personen-Unternehmen ist heute einer der Vorzeigebetriebe der Region: Insgesamt 37 MitarbeiterInnen in Eisenerz, Berlin und New York. Dazu noch viele Externe. Während in der Steiermark Logistik und Buchhaltung angesiedelt sind, seien Berlin und New York laut Riegler die »kreativen Zellen« von Napalm Records. Die Anfangstage des Labels sind jedenfalls nicht immer einfach gewesen: »Natürlich hat mich am Anfang keiner für voll genommen, aber wir leben halt in keinem Land der Visionäre, sondern in einer Gesellschaft voller Neid und Missgunst. Der Wohlstand hat unser Denken versaut.« Das Misstrauen in der Provinz lag auch in den zu Beginn veröffentlichten und vertriebenen Black-Metal-Bands begründet. Nach Kirchenbrandstiftungen und Morden in der berüchtigten Black-Metal-Szene Norwegens hatte das Genre einen zweifelhaften Ruf. Mit Abigor und Summoning wurden aber genau von Napalm Records zwei der etabliertesten österreichischen Szenevertreter aufgebaut und veröffentlicht.
15 Millionen Jahresumsatz
Mittlerweile hat sich die öffentliche Meinung geändert: Mit 15 Millionen Euro prognostiziertem Jahresumsatz für das Jahr 2018 zählt Napalm Records zu einem der wichtigsten Betriebe der Region. Laut Riedler sehe man die Firma dort nun als florierendes Unternehmen. Dadurch werde aber auch die Anzahl der Bittsteller immer größer. Das kann zu Enttäuschungen führen: »wenn es für den nächsten Trachtenverein keine Unterstützung gibt«, so Riedler. Grundsätzlich geht der CEO aber schon davon aus, »dass man uns wertschätzt, aber es ist halt noch immer der Berg, der das regionale Denken beeinflusst«.
Innerhalb von 25 Jahren hat sich Napalm Records zu einem der international führenden Labels der Rock- und Metalszene entwickelt (alleine die Facebook-Page hat über 460.000 Likes). Und das in einer Zeit, in der die Musikindustrie eigentlich schwer zu kämpfen hatte. Nach den Anfangstagen als Black-/Pagan-/Viking-Metal-Label, verbreiterte sich das Artist-Roster zunehmend. Von Mittelalter-Rock (Saltatio Mortis) über Dark-Rock (Lacrimas Profundere) bis hin zu Power-Metal (Powerwolf) war alles dabei. Mittlerweile sind auch Größen des Metal-/Rock-Genres (Monster Magnet, W.A.S.P., Hammerfall, Alter Bridge) bei Napalm Records unter Vertrag, dessen Vertrieb über Universal Music läuft. Für Riedler ist ein derart breites Roster kein Problem: »Wir möchten uns selbst nicht mehr limitieren.«
Ein weiterer Erfolgstreiber sei immer schon der Versandhandel gewesen: »Der physische Verkauf war sicher ein wichtiger Bestandteil für unser Wachstum. Vor allem sehe ich hier den D2C-Verkauf (Direct-to-Consumer, Anm. d. Red.) – direkt am Kunden zu sein, Wünsche und Bedürfnisse zu verstehen und Kaufverhalten zu analysieren.« Chefeinkäufer Christian Albers, früher beim Versandhandel-Konkurrenten EMP tätig, kommt hier eine zentrale Rolle zu, wie Riedler ausführt: »Da unsere Lagerkapazität begrenzt ist, brauchen auch wir schnelldrehende Produkte, die Umsatz bringen.«
Die etablierte heimische Metal-Szene weiß das zum Imperium herangewachsene Unternehmen Napalm Records durchaus zu würdigen. Thomas Spiwak, Veranstalter des Extreme-Metal-Festivals Kaltenbach Open Air, sieht darin etwa das »mit Abstand größte und renommierteste Label Österreichs. Napalm Records ist definitiv ein wichtiger Bestandteil der heimischen Szene und man muss neidlos anerkennen, dass hier über die Jahre hinweg sehr gute Arbeit geleistet wurde.« Mike Seidinger vom Online-Magazin stormbringer.at schlägt in die gleiche Kerbe: »Natürlich ist Napalm Records heute ein Big Player, nicht nur am heimischen Markt – insofern ist es natürlich auch wichtig, Österreich als Musikmarkt international zu platzieren und zu repräsentieren.«
Trendige Nachmacherei
Anders bei den für den Artikel befragten Vertretern des heimischen Metal-Undergrounds: Diese sehen teils mittlerweile so wenige Berührungspunkte zu Napalm Records, dass sie sich mit Interviewfragen zu dem »Mainstream-Label mit dem fürchterlichen Roster, bei dem kein roter Faden zu finden ist, der peinlichen – weil trendigen – Nachmacherei, samt deren Kapitalistenpreispolitik und beschissenen nationalistischen Clothing-Line« nicht näher beschäftigen wollen, weil der Bezug dazu einfach total fehle. Wofür das Label aber auch von dieser Seite sehr wohl gelobt wird, ist die Tatsache, dass – zumindest in den Anfangsjahren – viele österreichische Bands rausgebracht, aufgebaut, re-released und lizenziert wurden.
Mit Russkaja, Kontrust, Drescher, The Sorrow oder etwa Summoning sind auch heute noch ein paar heimische Bands unter Vertrag. Überhaupt gibt sich Napalm Records auffällig patriotisch: Als Maskottchen wird ein Doppelkopfadler, teilweise mit österreichischer Flagge, verwendet. Laut Riedler mit Absicht: »Klar darf das auch ein wenig patriotisch wirken, Österreich ist ein wunderbares Land, welches international große Anerkennung findet. Das soll auch zeigen, was von einem kleinen Land aus alles möglich ist: Ein Label, welches international rockt, gibt es nicht überall. Gerne könnte man es auch als Österreich-Werbung sehen.«
Die Vorwürfe, dass in der Vergangenheit Tonträger von politisch bedenklichen Bands aus der rechten Black-Metal-Ecke im Webshop erhältlich waren, will Riedler gar nicht leugnen: »Bei über 50.000 Artikeln kann aber leider immer wieder mal der eine oder andere Artikel den Weg ins Programm finden. Wir versuchen unser Sortiment frei von irgendwelchen politischen Ideologien zu halten, Musik sehen wir als Unterhaltung und nicht als Plattform für Hetze und Hass – egal ob von rechts oder links. Natürlich kennen wir nicht von jedem Künstler, von jeder Band die politische Gesinnung, orientieren uns aber hier am Index und an anderen Informationsquellen. Im Prinzip erwarten wir schon von unseren Partnern, dass sie keine bedenklichen Künstler im Angebot haben. Die Einkäufer und Warenannahme prüfen aber noch mal auf etwaige Hinweise.«
Keine Freundschaftspreise
Das 25-jährige Label-Jubiläum kann im August auch am selbst veranstalteten Metal On The Hill Festival in Graz gefeiert werden. Mit Powerwolf, Epica, Eluveitie, Sodom, Ellende und anderen ist das Programm sehr breit gefächert. Verantwortlich für das Festival ist der zweite Napalm-Records-Geschäftsführer Thomas Caser, der das Booking dafür auch selbst erledigt, wie er erzählt: »Die Idee dazu wurde inhouse geboren und es wird auch inhouse organisiert. Wir setzen uns – außer finanziell – keine Limits beim Line-up. Die Bands müssen nicht unbedingt bei Napalm Records unter Vertrag sein. Wir stehen natürlich mit anderen Festivals in Konkurrenz, d. h. ›Freundschaftspreise‹ von hauseigenen Bands gibt es nicht, wir müssen wie alle anderen die Marktpreise bezahlen.«
Dass das Festival genau in der Woche vor seinem Kaltenbach Open Air (von 23. bis 25. August in Spital am Semmering) stattfindet, ist für Thomas Spiwak kein Problem: »Definitiv nicht. Das Kaltenbach Open Air und Metal On The Hill arbeiten sehr eng und gut zusammen, und auch Napalm Records ist heuer wieder mit einem Merch-Stand bei uns vertreten. Unser Draht zu Napalm Records ist sehr gut und wir arbeiten gerne mit ihnen zusammen, da hier freundliche und professionelle Leute am Werk sind.«
Wenn die Hütte brennt
Der weltweite Erfolg von Napalm Records ist auch immer wieder Thema in den Medien. Die Zeit, die Kleine Zeitung oder Die Steirerin – sie alle haben die Firma im Schatten des Erzbergs bereits porträtiert. Riedler gibt sich auf die Nachfrage nach dem Interesse an seinem Lebenswerk bescheiden: »Natürlich ist es schön, wenn Leistung auch Anerkennung findet.« Gleichzeitig gibt er auch zu, dass das Feuer der Anfangstage, in denen es – ganz ohne Internet – »auf persönliche Kontakte, Fax und Briefe und viele Stunden am Telefon ankam«, einer Zeit, in der er »bei vielen Meetings und Besuchen bei Plattenfirmen, einiges lernen, sein Wissen erweitern durfte«, nicht mehr so stark brennt. »Es gibt Zeiten, da ist die Leidenschaft nur mehr auf kleiner Sparflamme, aber sobald der richtige Wind aufzieht, brennt die Hütte.« Napalm Records ist 2018 längst ein etabliertes Unternehmen und Teil des Metal-/Rock-Mainstreams. Für die nächsten Monate ist ein Relaunch des Online-Shops geplant, für den viel Geld in die Hand genommen wurde, um das Einkaufen, so Riedler, »für unsere Kunden noch angenehmer zu gestalten«. Das Ziel ist jedenfalls klar: weiteres Wachstum. Vielleicht dominiert künftig dann ja nicht mehr nur der Berg das regionale Denken in Eisenerz.
Das Metal On The Hill Festival findet am 17. und 18. August 2018 am Schlossberg in Graz statt. Über das umfangreiche Angebot aus dem Hause Napalm Records kann man sich auf napalmrecords.com informieren.