Was passiert, wenn plötzlich jedermann via Internet Tools zur Verfügung hat, die zuvor nur den professionellen Kreativen zur Verfügung standen? Anlässlich des Symposions „Do it yourself: Wer braucht noch die Profis?“ (diesen Freitag und Samstag an der FH in Dornbirn!) sprachen wir mit Peter Troxler, der das Phänomen „Open Design“ ausführlich erforscht hat.
Können Sie uns definieren, was Sie unter dem Begriff „Open Design“ verstehen?
Open Design ist eine Art zu Designen, also Dinge zu entwerfen, die ihre grundlegenden Arbeitsprinzipien aus der Welt der Open Source Software entlehnt und diese in der Domäne des Design anwendet. Dabei geht es darum, das Entwurfswissen transparent zu machen, zusammen mit den Entwürfen weiter zu geben, und die Weiterverwendung von Entwürfen und Entwurfswissen frei zu geben. Open Design ist eine Form von Peer-to-Peer-Produktion bzw. Peer-to-Peer-Entwurf. Es basiert auf einer Infrastruktur aus Werkzeugen, Methoden und Erfahrung, die allgemein zugänglich ist. Damit gibt Open Design die Hoheit über den Einsatz der eigenen Produktivkraft zurück an den Einzelnen.
Welche größten Vorteile gibt es daraus?
Der allergrößte Vorteil von Open Design ist das Teilen und Bewahren von Wissen. Teilen ist nämlich die beste Art, dieses vor dem Vergessen zu schützen. Wenn zum Beispiel wichtige Know How Träger sterben oder wertvolle, zentral angelegte Sammlungen vernichtet werden, ist dies nur solange tragisch, wie das Wissen nirgends anders auch verfügbar ist. Wissen kopieren kostet nichts, und redundant angelegte Wissenssammlungen sind Katastrophenresistent.
Ein weiterer Vorteil liegt in der Transparenz von Entwürfen. Ein idealer offener Entwurf teilt selbst mit, wie und warum er entstanden ist. Das ist praktisch, wenn ein Entwurf verändert oder angepasst werden soll oder wenn Störungen oder Fehler behoben werden müssen. Produkte, die auf Open Design beruhen, leben potenziell länger, weil sie dank der Transparenz besser (oder überhaupt) reparierbar sind. Open Design hat drittens den gesellschaftlichen Vorteil, dass es ermöglicht, starre, historisch gewachsene oder durch Monopolisten künstlich geschaffene Grenzen der Arbeitsteilung zu überwinden.
Welchen Zeithorizont sehen Sie für diese Veränderung der Designwelt?
Die Veränderung beginnt jetzt zu greifen. Einige jüngere Designer steigen auf diesen Zug auf. Wenn es ihnen gelingt, damit durch zu halten, ist in zehn Jahren Open Design eine Realität wie heute Open Source Software eine Realität ist. Interessant zu sehen, dass bereits ein Markt für Open Source Hardware (typischerweise Elektronik) existiert; nach Schätzungen des Make Magazin soll er bis 2015 ein Volumen von einer Milliarde US-Dollar erreichen.
Welche Auswirkungen hat „Open Design“ für Produkt- oder Grafikdesigner? Wie verändert sich ihr Berufsbild? Ist die Arbeit professioneller Designer dadurch bedroht?
Designer, die den Open Design-Weg einschlagen wollen, müssen drei grundsätzlich neue Dinge dazu lernen: Dokumentieren, Teilen und Loslassen. Dokumentieren heißt nicht, Entwürfe für das eigene Portfolio schön darzustellen, sondern Entwürfe – und noch viel schwieriger: den Entwurfprozess – zu beschreiben und transparent zu machen. Teilen heißt, gestalterischen Einfluss aufgeben und fremden, gestalterischen Einfluss zulassen, vielleicht sogar von Nicht-Designern. Und Loslassen bedeutet, zusehen zu können, wie andere den „eigenen Entwurf“ verändern.
Designer müssen auch besser darin werden, das, was sie bisher „Inspiration“ nennen, als „Kopieren von“ oder besser „Gelernt von“ zu bezeichnen. Denn Kopieren an sich ist für mich in keiner Weise negativ belastet, solange die Quelle der „Inspiration“ klar genannt ist. Zum Stichwort „Wer braucht noch die Profis?“: Einerseits werden die Profis nach wie vor ihren Platz haben – so wie die Copyshops die Grafiker nicht überflüssig gemacht haben, Youtube die Filmindustrie nicht usw. Andererseits: Nur weil jemand ein Diplom vorweisen kann, muss er noch lange kein „guter“ Designer sein.
Es gibt immer wieder Proklamationen, die von neuen demokratischen Möglichkeiten im Internet schwärmen. Doch welche Rolle ist für einen Laien am Designprozess tatsächlich vorstellbar?
Dass „Laien“ im Designprozess eine Rolle spielen, ist für all jene Designer, die direkt für Kunden arbeiten, überhaupt nichts Neues. Dass Laien vielleicht völlig andere ästhetische Normen haben als ausgebildete Designer, ist an sich auch keine Neuigkeit – Pimp-my-car und Case Modding produzieren laufend entsprechende Beispiele. Für den Laien gibt es eine Reihe mögliche Rollen im Designprozess. Die Bandbreite geht dabei vom reinen Konsumenten, der das Designprodukt in seinen eigenen Kontext stellt, über die persönliche Ausführung eines parametrisch veränderbaren Objekts bis hin zum Übernehmen und Manipulieren eines bestehenden Entwurfs. Je stärker integriert Laien sind, umso mehr müssen sie sich mit der Tätigkeit des Entwerfens auseinandersetzen – und umso mehr sind Designer (und Laien) mit den Herausforderungen vom Dokumentieren und Teilen konfrontiert.
Gibt es problematische Aspekte dieser Entwicklung?
Selbstverständlich. Open Design kommt nicht daher als ein Allheilmittel gegen schlechten Geschmack, ökologische Probleme, Überbevölkerung usw. Herausforderung Nummer Eins ist das Zulassen von Co-Existenz der alten Systeme. Nur weil jemand seinen Lebensunterhalt mit dem Bezug von Tantiemen, Lizenzgebühren etc. bestreitet, muss er oder sie nicht dumm oder böse sein. Doch zugleich müssen wir Gegenrecht fordern: Dass nämlich die Ideologen und Institutionen der staatlich verordneten Abgaben sich den zeitgemäßen Anforderungen offen zeigen und Royalty-freie kulturelle und technische Kreation als genauso gleichwertig akzeptieren und subito die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen so anpassen.
Autoren, Designer, Künstler sind gefordert, sich zu überlegen, wofür sie denn eigentlich Geld verlangen wollen. Dabei stellt sich eine durchaus existenzielle Frage: Was ist denn der Beitrag eines Designers zur Lebensqualität von Otto Normalverbraucher? Manche Enthusiasten hätten gerne, dass Open Source auch gleich so viele andere Probleme mit löst: Umwelt, Diskriminierung, you name it. Leider geschieht das nicht automatisch. Aber eins kann Open Design auf jeden Fall beitragen: Transparenz zu Design-Entscheidungen heißt auch Transparenz dazu, ob diese Kriterien überhaupt mit berücksichtigt wurden, und wenn ja wie. Und damit ist doch entschieden mehr erreicht, als mit PR-gängigen Hochglanzprospekten zur Corporate Social Responsability von globalen Design Brands.
Peter Troxler ist einer der Vortragenden beim Gestaltungssymposion „Do it yourself. Wer braucht noch die Profis?“, das diesen Freitag und Samstag (18./19.11.) an der FH Vorarlberg in Dornbirn stattfindet. Infos hier: www.fhv.at/veranstaltungen/diy
Infos zu Peter Troxler:
Foto von Marco Balwir (p) unter CC-BY-NC-SA Lizenz (ver. 2.5, NL)
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