Mit ihrem Debütalbum »Tschuschistan« meinen es Esrap ernster denn je. Zusammen mit Producer-Schwergewicht Freshmaker schmieden sie an ihrer Karriere im Deutschrap.
»Wien-Ottakring, Frühjahr 2019. Österreich steht im Bann einer Regierung, die es sich zum Ziel gemacht hat, die Gesellschaft zu spalten. Doch jeden Donnerstag stehen Tausende Menschen auf der Straße, um dagegen zu protestieren. Mittendrin sind Esrap.« So steht es im Pressetext zu Esraps Debütalbum »Tschuschistan«. Mit einer ähnlichen Attitüde sind das letzte Mal Rage Against The Machine auf ihre Reunion-Tour gegangen, wo sie mit Stimmungsmache gegen die letzte Bush-Regierung die halbe Welt angezündet haben.
Partyfreudig, heimatlos
So sympathisch Esra Özmen – neben ihrem Bruder Enes die Rap-Hälfte von Esrap – auch sein mag, sie versteht es gut, Ottakring mit ihrer Delivery rücksichtslos in Flammen zu setzen oder auch den Rathausplatz bei den Wiener Festwochen zu rasieren. In den Texten geht es um Esraps Leben als partyfreudige Heimatlose. Keine richtigen TürkInnen, keine richtigen ÖsterreicherInnen, in einem Land voller Hindernisse. Sie leben in ihrem eigenen Staat namens »Tschuschistan« und fallen da so blöd auf, wie sie wollen.
Feminismus und türkische Refrains sind dabei selbstverständlich, Rassismus und Hipster-Shit eher unerwünscht. Während »Der Tschusch ist da« partytaugliche Arabeske ist, oder »Para Queen« die Erfolgsformel Dancehall-Beat verwendet, zeigen Esrap mit »Gecelere Bak« oder »Tschuschistan« auch düstere und sphärische Seiten, bei denen man das eine oder andere Mal schlucken muss. Die paar Stilreferenzen auf Kollegah und Farid Bang machen die deutlichsten Schwächen des Albums aus, eine Richtung, in die sich Esrap hoffentlich nicht entwickeln werden.
Platinträger Freschmaker
»Tschuschistan« orientiert sich trotz des starken Wienbezugs klar an einer internationalen HörerInnenschaft, denn die gibt es überall. Das ist nicht zuletzt der Wiener Deutschrap-Fixgröße und dem Platinträger Freshmaker zu verdanken. Er nennt sich scherzhalber selbst den David Guetta des Hip-Hop und hat die meisten Nummern des Albums produziert. Wenn es nach ihm geht, reihen sich Esrap irgendwann neben Eko Fresh, Chakuza, Dame oder Frenkie ein, mit denen Freshmaker derzeit zusammenarbeitet. Shoutouts an Testa und Kid Pex als Protagonisten von Kids Of The Diaspora sowie Uwe Felchle dürfen an dieser Stelle nicht fehlen.
Esrap machen mit diesem Release einen großen Entwicklungsschritt, auch wenn sie sich noch nicht ganz festlegen wollen, in welche Richtung ihre Musik gehen soll. Es fühlt sich jedenfalls danach an, als hätte Wien einen weiteren fixen Rap-Act im Repertoire, von dem es hoffentlich regelmäßigere Releases geben wird.
»Tschuschistan«, das Debütalbum von Esrap, ist am 28. Juni 2019 beim Berliner Label Springstoff erschienen.