Spielzeug-Electronica, New Wave-Psychedelic und Lo-Fi-Folk: Matthias Peykers aka A Thousand Fuegos wandelt auf seinem neuen Longplayer »The Treachery Of Things« zwischen Vintage-Ästhetik und elektronischem Experiment.
A Thousand Fuegos hat in der Nostalgie die Selbstauflösung gefunden: Polyphone Gitarrenwände und hymnische Electro-Synthesizer schlafwandeln im Irrgarten der bipolaren Gegensätze; der traumwandlerische Mantra-Gesang Peykers und die psychedelische Echo-Lyrik tun ihr übriges, um irgendwann das Gefühl für Zeit und Raum zu verlieren. Ernsthafter Hippie-Quatsch, unterschwelliger Pathos und außerkörperliches Selbstmitleid und lassen nebenher Melodien entstehen, die 2012 wie das neue 1982 klingen lassen. Doch ganz so oldschool ist »The Treachery Of Things« dann doch wieder nicht.
Die 30 Jahre, die vergangen sind, seit Bands wie My Bloody Valentine, Slowdive, Cocteau Twins oder Young Marble Giants ihre Stimmen aus dem Untergrund erhoben haben, um mit Feedbackorgien seltsame Befindlichkeiten in poetische Verzerrungen zu verpacken, scheinen wie verflogen, wenn die Band mit den tausend Feuern den dissoziativen Neo-Shoegaze zelebriert. »The Treachery Of Things« ist trotz dem getragenen Glamour, der hallenden Dissonanz und der musikgeschichtlichen Referentialität kein Verrat an der Ästhetik vergangener Alben. Das Fuego-typische Lo-Fi-Geschrammel ist immer noch da, nur operiert es mittlerweile im Hintergründigen, während der Vordergrund sich in elektrifizierten Soundcollagen badet. Doch zwischen den Fugen der maschinellen Abstraktion liegt ein digitaler Purismus verborgen: In jedem Song steckt ein Kern, der nach Lagerfeuer und Heu riecht.
Der mythische Unterbau der Loslösung
Als sich Peyker 2011 in ein Haus am Fuße des Affenbergs zurückzog, stand die Idee im Raum, das leerstehende Gebäude für drei Monate als musikalischen Rückzugsort zu nutzen, um abseits den Ablenkungen der Stadt konzentriert arbeiten zu können. Im Hall der ländlichen Kirchenräume fand A Thousand Fuegos die Parallele zur Inszenierung der städtischen Clubs, eine Analogie zur Liturgie des Einsatzes von Licht, Stimme, ritualisierter Gestik und mythischem Unterbau. Statt Folk-Electronica-Miniaturen übernahmen Loops und unkonventionellere Songstrukturen die Atmosphäre des Klanggeflechts. Die Songs sollten sich, so Peyker, vom systematischen Aufeinanderschichten von Spuren am Computer befreien: »Die Tracks entstanden aus der Arbeit an Samplern und Loopmaschinen und resultierten aus experimentellen Improvisationen. Hier steht der elektronische Klang, sonst eher im urbanen Kontext verortet, im Spannungsfeld mit der geografischen Abgeschiedenheit.«
Parallel zu der Bewegung hin zu elektronischen Klängen und deren Bewegung in Kreisen, Schleifen und wiederkehrenden Themen entstand in der geografischen und sozialen Isolation ein Gefühl der Auflösung: »The treachery of things, der Verrat der Dinge, liegt in ihrer Eigenschaft, passiv zu verharren, während ihnen allerseits identitätsstiftende Attribute angedichtet werden. Nie können wir auf den Grund der Dinge kommen, losgelöst von ihren subjektiven Zuschreibungen und Bedeutungen. Auch die Texte des Albums drehen sich um das Spiel mit dem Gedankenexperiment, die Dinge von ihren zugeschriebenen Eigenschaften zu befreien.«
Verhalten und sphärisch beginnt das Album mit dem Track »Naenie«. Der Winterfrost zeichnet Spuren ans Fenster, die Häuser draußen sind grau, die innere Sehnsucht in Technicolor: »We‘ve got nothing to live up to from now on«. Aber was tun mit der Welt im Kopf, außer, sie zur Hymne werden zu lassen? Die offene Songstruktur von verschachtelten Widersinnigskeitshymnen wie »I Am Not There« oder »Savant Summer« bieten sich als Pforten der subjektiven Assoziation an. Es sind Lieder über den ewigen Zwischenzustand, in denen der Kopf hoch oben in den Wolken verweilt. »There is past and there is future and there is the moment in between moments«, singt Peyker in der Single-Auskopplung »No Up And Down«. Die Loslösung passiert hier auf mehreren Ebenen: Die Musik losgelöst von traditionellen Songstrukturen; die elektronischen Sounds, die dazu tendieren, sich vom eindeutig Emotionalen, Intimen leicht zu distanzieren; der immer wieder auftauchende rote Faden Hall, der Raum und Distanz schafft. Es ist ein zeitgeistig rückwärts gerichteter, dabei aber prägnant gegenwärtiger, überbelichteter Dunkelkammer-Disco-Pop.
»The Treachery Of Things« von A Thousand Fuegos erscheint im Frühjahr 2012 via Seayou Records.