Das namenlose Debüt der Wiener Gruppe Zinn ist ein Riesentrumm von einem Album: anmutiger Dark Folk im Dialekt, bewusst doomig instrumentiert.
Tief im Westen gibt es keine Kreisverkehre. Du kannst nur ins Tal hinein oder aus dem Tal heraus. Nur ein kleines bisschen Entscheidungsfreiheit, weil: Auch im nächsten Tal scheint nie die Sonne. Je weiter du nach Osten fährst, desto mehr Auswahl hast du. Erste Ausfahrt, zweite, dritte, oder eben wieder retour. Aber, so ist das halt bei »uns«: Düster bleibt es überall, geistiger Horizont und so. In der Hauptstadt sind die Möglichkeiten zwar unbegrenzt, aber auch hier wieder: dieses Morbide. Du kommst ihm einfach nicht aus, in der Musik schon gar nicht. Was jedoch die aus Salzburg stammende Margarete Wagenhofer, die schon vor Ewigkeiten über die Kreisverkehre – zweite Ausfahrt quasi – nach Wien gefahren ist, gemeinsam mit Lili Kaufmann und Jasmin Strauss aus dem Sujet macht, ist aller Ohren wert.
Die gemeinsame Band Zinn begibt sich – einem diabolischen Bund mit dem Beelzebub entsprungen (»Der Typ is da Teifl und wir san jetzt z’samm’«, heißt es etwa in »Black Lake«) – mit ihrem Debüt auf die Spuren des Vergänglichen. Die drei instrumentieren ihren Dark Folk höchst anmutig: bewusst doomig, mit düsterjazzigen Flächen, die aus eigentlich knackigen Popsongs (im weitesten Sinne) sanft-somnambule Elegien zaubern. Diese klingen gleichzeitig vulnerabel und doch vehement. Acht Stücke auf 40 Minuten.
Ein Meilenstein der Melancholie
Den Instrumenten – es sind zumeist die besonders finsteren und bassigen – wird jener Raum zum Atmen gelassen, den sich die Texte, die mantrahaft in die Synapsen gebrannt werden, nicht erlauben. Schließlich sind die Melancholie und die belastende Schwere des Lebens monothematisch: In »Diogenes«, der ersten Aufnahme der seit 2018 gemeinsam konzertierenden Gruppe geht’s um die Schwere der Last auf den eigenen Schultern, in der zweiten Single »Lethargie« um die Schwere, wenn gar nichts mehr geht. Prototypisch für die im Dialekt vorgetragenen Stücke – ein Muss bei diesem Sujet – steht aber vor allem eine Zeile aus »Quahlia«: »Manche lieben sich so schee / Und bei anderen tuat’s immer nur weh«. Man kann nur raten, wie das bei Zinn ist. Aber wie so oft: Das Leiden zahlt sich aus. Schließlich ist »Zinn« ein Riesentrumm von einem Album, ein Meilenstein der Melancholie.
Das Debütalbum von Zinn erscheint am 16. April 2021 bei Numavi Records. Am 20. April ist das Trio als Teil der Numavi Records Label Night gemeinsam mit den Bands Baits und Crush im Livestream aus dem Großen Sendesaal im Wiener Radiokulturhaus zu sehen.