Der Nino aus Wien alias Nino Mandl ist einer der umtriebigsten Musiker*innen des Landes. Jetzt hat er sein erstes Buch veröffentlicht. Das war ebenso überfällig wie naheliegend.
»Kochbuch Take 16« heißt das Resultat, erschienen bei Redelsteiner Dahimène Edition. »Als Stefan Redelsteiner seinen Verlag gegründet hat, habe ich gesagt, wenn ich mein Buch mache, dann bei ihm. Er war auch der einzige, dem ich das Skript geschickt habe. Ich wollte es nicht wochenlang an Verlage schicken und hoffen, dass es irgendwer rausbringt«, erzählt der 36-Jährige.
Es ist ein eigenwilliges Debüt geworden. In Versform gibt Mandl in 16 Kapiteln (»16 ist meine Glückszahl«) mit Tagebuch- und Notizbuchaufzeichnungen, neuen und alten Songtexten, Gedankenfetzen, Aphorismen, Beobachtungen, Kalauereien und Verballhornungen Einblicke in seine Dichterseele.
»Ich dachte, ich werfe alles aus 20 Jahren in einen Kochtopf, rühre um und lasse es köcheln«, erzählt er. Rausgekommen ist ein Buch in einem »genau hingeschmierten Stil«, das zu einem chaotischen und witzigen Ritt gerät, der »so schnell gelesen wie ein Film geschaut« ist.
Rezepte gibt es in diesem Kochbuch keine, zumindest nicht im klassischen Sinn mit Mengenangaben oder gar foodgestylten Bildern. Essen und Trinken nehmen in den Zeilen dann aber doch einen prominenten Platz ein. Mitunter auch, wenn Mandl selbstironisch seinen eigenen Werkkatalog zerpflückt: »Wie ein Schwammerl saugst du das Jetzt auf. Meshuga. Spumante Abissi.« Aus Schaumwein geborene Abgründe also, oder wie er im Interview festhält: »Der Kopf kann auch ein Kochtopf sein, in dem es brodelt und der übergehen kann, wenn der Druck stärker wird.«
Nino, wir werden jetzt gleich sehr viel über Essen reden.
Nino Mandl: Ja, ich habe in den letzten Tagen sehr viele Fragen zu Essen beantwortet. Aber kein Wunder, wenn man ein Buch »Kochbuch Take 16« nennt.
Erste größere Aufmerksamkeit hast du ja vor fast 15 Jahren beim Protestsongcontest im Rabenhof mit dem »Spinat Song« erhalten. Hast du mittlerweile Frieden mit diesem Gemüse geschlossen?
Damals ging mein Bewusstsein nicht über den Cremespinat von Iglo hinaus. Ich dachte, es gibt nichts anderes, und habe ihn gehasst. Alleine schon der Geruch hat mich aggressiv gemacht. Mittlerweile bin ich aber draufgekommen, dass frischer Spinat vom Feld etwas Tolles ist. Vor Kurzem war ich zum Essen eingeladen und der Gastgeber hat Tafelspitz mit Cremespinat gekocht. Es ist noch immer nicht mein Lieblingsessen, aber es ist okay.
Bei deinem Buch hat man nicht selten das Gefühl, dass du auch ein paar Rezepte dafür lieferst, wie du Musik machst. Täuscht der Eindruck?
Es ist irgendwie schon auch ein musikalisches Buch geworden. Es kommen auch einige ausgewählte Songtexte darin vor. Ich habe ja noch nie Songtexte abgedruckt, weil ich immer dachte, es ist spannender, wenn man selber herausfindet, was ich singe.
Du erwähnst in einer Zeile im Buch, dass du dein Musiker-Ich sympathischer findest als dein Dichter-Ich …
Ja, das ist so. Musikmachen ist für mich einfacher. Ich schreibe auch lieber, wenn ich eine Gitarre in der Hand habe. Mein literarisches Ich ist irgendwie verkopfter, ein wenig umständlicher und vor allem strenger.
Und wie gefällt dem strengen Literaten-Ich das Buch?
Insgesamt bin ich mit dem Resultat glücklich. Auch weil ich viel Energie reingesteckt und mir einiges dabei gedacht habe. Manchmal allerdings traue ich mich nicht, es anzuschauen. Es ist mir dann fast ein bisschen peinlich. Wie so eine betrunkene SMS, die man nicht rückgängig machen kann. Es ist schon ein gar nicht so unkompliziertes Verhältnis.
Du könntest dein »Kochbuch« ja vertonen?
Es werden auf meiner nächsten Platte auch Texte aus dem Buch vorkommen. Einiges aus dem Buch wird sich wohl eingesungen auf dem nächsten Album finden. Aber das Buch so vertonen, dass es auch aufgenommen werden kann? Eher nicht.
Also wird es keine gesungenen Frühstückstipps für »Kaviar Toast mit Mayonnaise und Zitrone« von dir geben. Wie stehst du eigentlich zum Frühstück?
Ich bin mehr der Dinner-Typ. Aber langsam komme ich ins Frühstücken rein und verschmähe es im Hotel auch nicht mehr so oft wie früher. Ich bemühe mich, um zehn Uhr beim Frühstück zu sein.
Eine Alterserscheinung?
Irgendwie schon. Vor zehn Jahren war es undenkbar, dass ich Frühstücken gehe – jetzt genieße ich es. Aber ein bisschen ein Problem habe ich mit der Atmosphäre in diesen Frühstücksräumen. Es sind ja dort sehr viele Leute auf einmal versammelt und ich weiß nicht immer, wie ich mich dann am besten verhalten soll – ich bin ja sehr schüchtern. Außerdem überlege ich sehr lange mit dem Teller in der Hand, was ich machen soll …
Was lädst du dann üblicherweise auf?
Am liebsten eine Semmel mit Salami, Käse und Butter. Aber wenn es Fisch gibt, freue ich mich auch. Den gibt es aber nur in den feineren Häusern.
Was steht denn so in eurem Band-Rider, wenn es um Verpflegung geht?
Mittlerweile bin ich der Einzige in der Band, der noch kein Vegetarier ist. Dementsprechend haben meine Kollegen sehr viel Gemüse, Obst, Datteln, Aufstriche und Hummus angeführt.
Und du?
Ich habe nur Cola Zero und Pistazien reingeschrieben. Das reicht mir. Aber ich nasche dann natürlich schon beim Hummus mit.
Wie wichtig ist euch dabei Bio-Qualität?
Das steht jetzt nicht dezidiert im Rider. Aber ich stelle schon an mir fest, dass sich mein Bewusstsein in diese Richtung hin verändert hat. Früher habe ich halt einfach irgendwas gegessen die ganze Zeit. Ich habe mir auch abgewöhnt, immer eine Salami oder Kantwurst zu Hause zu haben. Heute schaue ich genauer nach, was ich einkaufe und woher etwas kommt.
Auch beim Gerstengras und Kümmelöl, die du im Buch erwähnst?
Schwarzkümmelöl. Kümmel und Schwarzkümmel sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Ich trinke jeden Tag ein Stamperl davon und irgendwie steh ich mittlerweile auch auf den Geschmack. Man könnte sagen, ich bin schon fast ein bisschen süchtig nach meinem Stamperl Schwarzkümmelöl.
Sicher gut für die Gesundheit …
Ja, das dürfte das Immunsystem stärken. Ich war ein ganzes Jahr nicht erkältet. Corona habe ich zwar trotzdem bekommen, aber es war ein sehr milder Verlauf. Vielleicht wegen dem Schwarzkümmelöl. Aber Gerstengras kann ich auch nur empfehlen.
Du giltst ja als leidenschaftlicher Fernseh-Seher. Was isst du so beim Fernsehen?
Was ich gerade als Abendsnack sehr gerne mag sind Soletti mit Liptauer. Man muss nur den Fernseher lauter drehen, weil es halt schon sehr knistert. Ich bin echt gerade in einer großen Soletti-und-Liptauer-Phase. Die Soletti wurden ja Ende der 1940er-Jahre in Feldbach in der Steiermark erfunden und ich frage mich, wie sie am Anfang im Vergleich zu heute ausgesehen und geschmeckt haben. Ob sie größer waren, dicker oder ob schon immer Steinsalz drauf war?
Da müsste man vielleicht nach Feldbach fahren …
Ich war unlängst dort, aber ein Besuch in der Soletti-Fabrik ging sich leider nicht aus.
Machst du den Liptauer eigentlich selbst?
Nein, ich kauf ihn im Supermarkt. Meistens den von Wojnar. Der ist der einzige, der mit Brimsen gemacht wird. Dazu kauf ich dann eine kleine Packung Soletti an der Kassa. Das geht sich genau mit der Portion aus. Manchmal mach ich dann einen Soletti-Liptauer-Igel.
Schaust du auch Kochsendungen?
Jetzt nicht bewusst, aber wenn es wo läuft, bleib ich dran. Die Kochsendung, die ich momentan am liebsten mag ist »Mein Lokal, dein Lokal«, wo sich Restaurantbesitzer gegenseitig besuchen und bewerten. In letzter Zeit habe ich aber auch immer gerne »Silvia kocht« mit Silvia Schneider geschaut. Ich finde sie sehr sympathisch.
Was würdest du kochen, wenn dich Silvia Schneider zu sich in die Sendung einlädt?
Wenn es riskanter sein soll, würde ich mich für ein indisches Curry entscheiden. Wahrscheinlich würde ich aber Spaghetti aglio e olio machen. Sehr simpel, aber die habe ich gut drauf. Der Knoblauch darf nicht zu lange und nicht zu kurz braten und ich würde auch ordentlich Parmesan drüberreiben. Auch wenn das in Italien verpönt und ein richtiges No-Go ist. Aber ich bin halt ein Käsefan.
Könntest du ohne Käse leben?
Nein. Ich habe immer einen guten Käse im Kühlschrank. Ich muss aber sagen, dass ich vor Kurzem im Tolstoy, einem veganen Fast-Food-Restaurant am Naschmarkt, war und dort Mac and Cheese mit veganem Käse gegessen habe. Es war schon sehr gut. Eigentlich wie die Käsenudeln in meiner Kindheit.
Hast du noch andere Speisen, die dich zurück in die Kindheit katapultieren?
Ich komme ja aus Hirschstetten. Das ist ja quasi schon Marchfeld. Und das ist eine große Spargelgegend. Bei uns in der Familie wird das erste Spargelessen der Saison immer zelebriert. Dann kommen alle zusammen und meine Mutter, die den besten Spargel macht, kocht.
Ist also der Spargel der Geschmack deiner Kindheit?
Es ist schon was Vertrautes, aber ich muss auch sagen, dass ich gar nicht wirklich weiß, wie Spargel schmeckt, weil ich immer so viel Hollandaise dazugebe, was eigentlich sehr frech ist. Magst du Spargel?
Ja. Vor allem den grünen, weil der einfacher zu verarbeiten ist.
Ich traue mich nicht, Spargel selber zu machen. Einmal habe ich einen grünen Spargel gekauft, wo draufstand, dass man den nicht braten muss und einfach so essen kann. Ich habe ihn dann aber trotzdem kurz gebraten. Es war einfach, aber es hat keinen Spaß gemacht. Ich glaube, ich will lieber nur mit meiner Familie Spargel essen.
Du erwähnst im Buch auch dein Leibgericht – Spaghetti al nero di seppia. Was fasziniert dich an diesem Gericht?
Ich stehe schon sehr auf die schwarzen Spaghetti mit Tintenfisch. Als Halloween-Fan find ich sie auch optisch sehr ansprechend. Ich hätte gern eine Füllfeder mit Nero-di-seppia-Tinte und würde damit dann einen Gedichtband schreiben.
Eine Verneigung vor H. C. Artmanns »med ana schwoazzn dintn«?
Vielleicht. Mir gefällt vor allem das Bild, dass man mit der Tinte, die man isst, auch schreibt.
»Mein Cremespinat-Comeback seit Jahrzehnten. In Zusammenspiel mit Tafelspitz.« (© privat)
»Kalbsbutterschnitzel mit Erdäpfelpüree im ÖBB-Zug Wien–München, an den Platz serviert. Danke, Don!« (© privat)
»Selbst gemachte Berner Würstel nach einem Konzert. Mit einer Erfindung von mir: einer Mischung aus englischem Senf und Mayonnaise. Das Ketchup ist nur für die Pommes.« (© privat)
»Käsekrainer nach Art des Hauses am Südtiroler Platz« (© privat)
»Ein zartes Langos in Budapest« (© privat)
»Herrliche Krautfleckerl in Simmering« (© privat)
»Man muss das Leben einfach genießen und sich was gönnen.« (© privat)
»Eine erfrischende Jause« (© privat)
»Ein kleines normales Frühstück« (© privat)
»Soletti mit Liptauer, ein authentischer Klassiker der österreichischen Küche« (© privat)
»Bigoli cacio e pepe in einem großen Pecorino-Laib zubereitet. Mit einem schönen Pfeffer drüber.« (© privat)
»Al nero di seppia, mit der schwarzen Tinte des Dichters« (© privat)
»Kochbuch Take 16« vom Nino aus Wien ist heute, also am 24. November 2023, bei Redelsteiner Dahimène Edition. Die Buchpräsentation findet am 27. November im Rabenhof Theater in Wien statt.