Der Filmwissenschaftler Max Bergmann tritt in die Fußstapfen von Gründer Daniel Hadenius-Ebner und übernimmt die künstlerische Leitung des Kurzfilmfestivals Vienna Shorts, dem er gemeinsam mit der kaufmännischen Leiterin Karin Ginzel vorstehen wird.

Ab der 23. Ausgabe steht Max Bergmann an der Spitze von Vienna Shorts. Der 35-Jährige löst Daniel Hadenius-Ebner ab, den ehemaligen Leiter und ursprünglichen Gründer des Festivals. Wird es ein Neustart mit frischen Akzenten oder bleibt alles wie gewohnt? Und was fasziniert Bergmann an der Kunstform Kurzfilm?
Du warst zuvor schon einige Jahre in der Programmgestaltung und im Marketing von Vienna Shorts tätig. Wie bist du ursprünglich zum Festivalteam gestoßen?
Max Bergmann: Mein Hintergrund liegt eigentlich in der Wissenschaft. Ich arbeitete längere Zeit an verschiedenen Universitäten und reichte zuletzt meine Dissertation in Film- und Medienwissenschaft ein. Meine Stelle im Bereich Marketing & Kooperationen bei Vienna Shorts bekam ich, ganz klassisch, über eine Ausschreibung. Ich habe dann relativ schnell auch in der Programmarbeit mitgearbeitet, zunächst beim Wettbewerb »Fiction & Documentary« und dann im Gesamtprogramm.
Welche Gestaltungsmöglichkeiten bietet dir die neue Position, die du in deiner bisherigen nicht hattest?
Ein Festival ist immer Teamarbeit und auch in den letzten Jahren konnte ich zum Glück bereits entscheidend mitwirken. Trotzdem sind die Spielräume, die sich mit der künstlerischen Leitung eröffnen, äußerst spannend, besonders, was den öffentlichen Auftritt oder programmatische Ausrichtungen betrifft. Ich freue mich umso mehr darauf, gemeinsam mit dem Team in die Zukunft aufzubrechen.
Das Festival lag seit 2004 in den Händen von Daniel Hadenius-Ebner. Dürfen wir nach deiner Übernahme auf Änderungen oder eine Neuausrichtung von Vienna Shorts gespannt sein?
Daniel prägte Vienna Shorts für lange Zeit wesentlich und hinterlässt das Festival sehr gut aufgestellt. Deshalb möchte ich die Strukturen nicht vollkommen verändern, sondern auf den vorhandenen Stärken aufbauen. Dazu gehören für mich zum Beispiel die internationale Anerkennung und Ausrichtung oder die Kooperationen und Vernetzung in der Stadt. Erweitern möchte ich etwa die Publikums- und Communityarbeit über unsere angestammten Zielgruppen und die inneren Bezirke hinaus. Ich sehe das Festival in Europa sehr stark aufgestellt, außerdem gibt es interessante Kollaborationsmöglichkeiten in anderen Regionen, die ich verfolgen möchte. Einen Anfang mache ich gleich diesen Monat mit einer Reise zum Medfest Egypt in Kairo, wo wir auch eine zukünftige Zusammenarbeit ausloten möchten.
Was fasziniert dich an Kurzfilm besonders – gerade im Vergleich zu Langfilm?
Kurzfilm eröffnet in wenigen Minuten neue Welten: Nicht nur in der Art, wie er Geschichten auf knappen Raum erzählt, sondern auch in seinen Formen und Ausdrucksweisen. Die kurze Form bietet Platz für Experimente, für mutige, manchmal radikale Bildsprachen und Positionen, die im Langfilm schwerer unterzubringen sind. Dazu kommen strukturelle Unterschiede: Langfilm braucht mehr Geld und Netzwerke, die vielen Filmschaffenden nicht zugänglich sind. Kurzfilm ist als Medium etwas offener, wodurch auch Perspektiven Raum finden, die sonst vielleicht fehlen. Die Repräsentation dieser Stimmen ist zentral für Vienna Shorts und unbedingt weiter zu stärken.
Es gibt zahlreiche Filmfestivals in Wien, von denen die meisten auch Kurzfilme zeigen. Warum braucht es trotzdem ein eigenes Kurzfilmfestival?
Erst einmal freut es mich, dass der Kurzfilm nicht nur bei uns, sondern auch bei unseren Filmfestivalkolleg*innen in Wien seinen Platz findet. Ein eigenes Kurzfilmfestival braucht es trotzdem, um die Vielfalt des Kurzfilmschaffens angemessen zu feiern. Bei uns finden sämtliche kurze Formen Platz, sei es der fiktionale Film, das Dokumentarische, Animationen, experimentelle Arbeiten oder Musikvideos. Dabei haben wir durchaus den Anspruch, mit unserer Auswahl einen Überblick über die aktuelle weltweite Kurzfilmproduktion zu geben. Dazu kommen die Branchenveranstaltungen und Netzwerkmöglichkeiten, speziell auf Kurzfilm zugeschnitten und international ausgerichtet, für die wir ein großes Fachpublikum in der Stadt begrüßen dürfen. Die kurze Form hat es in der Aufmerksamkeitsökonomie der Filmbranche nicht leicht, daher ist es uns umso wichtiger, einmal im Jahr den geballten Fokus auf die vielen großartigen Filme zu lenken.
Inwiefern ist dir eine internationale Ausrichtung des Festivals wichtig? Und wie findest du hier die richtige Balance, um auch österreichisches Filmschaffen adäquat abzubilden?
Vienna Shorts hat sich über die Jahre stark international positioniert, was zum Beispiel auch mit dem Status als Qualifying Festival für die Oscars gewürdigt wurde. Dies wird auch in Zukunft zentral für das Festival sein, sowohl in Europa über unsere verschiedenen Netzwerke (unter anderem European Short Film Network) als auch darüber hinaus. Von dieser Ausrichtung profitiert auch die heimische Branche, die sich bei uns mit internationalen Festival-Programmer*innen, Filmschaffenden und Verleiher*innen vernetzen kann. Natürlich bleiben der Österreich-Wettbewerb und Muvi (für das beste österreichische Musikvideo) entscheidende Ankerpunkte im Programm. So sind wir auch eine wichtige Plattform für österreichische Produktionen, die von den internationalen Besucher*innen auch als solche wahrgenommen wird. Die Parität der Wettbewerbe – zwei international, zwei national – gefällt mir hier gut als Sinnbild. Den Kern des Festivals, sich in beide Richtungen kontinuierlich weiterzuentwickeln, möchte ich unbedingt beibehalten: Vienna Shorts als international anerkanntes Kurzfilmfestival, das gleichzeitig in Wien verwurzelt sowie mit der österreichischen Szene stark vernetzt ist.
Die nächste Ausgabe von Vienna Shorts wird von 26. bis 31. Mai 2026 stattfinden. Kurzfilme können noch bis 5. Jänner eingereicht werden.