Mit Antimaniax, Red Lights Flash und Sick of Silence kamen rund um die Jahrtausendwende gleich mehrere namhafte Punk/Hardcore-Bands aus Graz. Für diesen Erfolg mitverantwortlich war das Conan City Collective. In ihrem Buch »Conan City Hardcore« beschreiben HC Roth und Chris Magerl, wie DIY-Strukturen in und um Graz entstanden sind und was sich daraus entwickelt hat.

Nach »Als der Vorhang fiel. Punk im Wien der 90er« von Claus Oistric, erschien im Verlag Glitzer & Grind nun kürzlich mit »Conan City Hardcore. Die Grazer Punk- und Hardcoreszene um die Jahrtausendwende« von HC Roth und Chris Magerl bereits das zweite Zeitdokument über österreichische Subkultur. Obwohl die beiden Bücher ungefähr eine ähnliche Zeitspanne einer doch sehr überschaubaren Szene dokumentieren, gibt es bei den Protagonist*innen nur wenige Überschneidungen. Während sich die damalige – sehr abgeschlossene – Wiener Szene komplett dem DIY-Underground verschrieb, arbeiteten ein paar Grazer Bands fokussiert darauf hin, größere Bekanntheit zu erreichen. Das war auch das Ziel des titelgebenden Conan City Collectives (CCC).
Wegbereiter*innen für CCC
Bevor es zur Gründung des aus Musiker*innen, Veranstalter*innen und Interessierten bestehenden Kollektivs kommen konnte, ebneten bereits andere Personen den Weg für Punk und Hardcore in Graz. Aus dem Erzähltext von HC Roth und den Zeitzeug*innen-Interviews, durchgeführt von Chris Magerl, stößt man auch recht schnell auf die Namen dieser Wegbereiter*innen: Romeo Ried veranstaltete Punk-/Hardcoreshows ab der Gründung des KV Fixe im Jahr 1994. René Molnar war Obmann des Jugend- und Kulturzentrums Explosiv, in dem über viele Jahre Szenemitglieder alles rund um das Veranstalten – von der Bar über Security bis hin zur Tontechnik – lernen konnten. Und schließlich war Tom Zwanzger als Tontechniker sowie als Soundanlagen- und Tourbus-Bereitsteller eine zentrale Figur in der Grazer Szene.
Neben aktiven Personen benötigt es aber auch Räume, um eine lebendige Szene entstehen zu lassen. In Graz gab es mit dem Music-House, dem alten und dem neuen Explosiv, sowie der Traminer Weinstube über die Jahre einige Orte, an denen Punk-/Hardcorekonzerte möglich waren. Vor allem das neue Explosiv erlaubte es, auch größere Events in die Steiermark zu holen.
Promotion für Grazer Bands
Aus diesem Umfeld heraus entwickelten sich dann Bands wie Antimaniax, Bounz the Ball, Red Lights Flash und Sick of Silence, die das Potenzial der Grazer Szene erkannten und sich zum CCC zusammenschlossen. Ziel war es, sich gegenseitig zu supporten, Kontakte zu teilen, gemeinsam Konzerte zu veranstalten und als Dachmarke Bands aus Graz und Umgebung zu promoten – zum Beispiel mit gemeinsamen Flyern und Merchandise. Bald stießen weitere Bands und andere Supporter*innen zum Kollektiv, das sich einmal wöchentlich zu Arbeitssitzungen traf. Die gemeinsamen Kontakte – auch zu anderen Kollektiven in Österreich wie Support Your Scene (Wien), Punkrock Academy (Fürstenfeld), Masturbation Records (Hollabrunn) oder Galacticchords (St. Georgen im Attergau) – führten zu immer mehr Shows der CCC-Bands in Österreich und später auch in Kanada, Großbritannien, Mittel-/Südosteuropa bis hin zum Baltikum, Belarus und in der Türkei.
Zusammenschluss von Gleichgesinnten
Das Buch baut hier einen guten Spannungsbogen auf, indem zuerst die Gegebenheiten in Graz geschildert werden und wie daraus der lose Zusammenschluss des CCC entstehen konnte. Dabei werden einerseits die Errungenschaften von Releases und Shows sowie der gegenseitige freundschaftliche Support beleuchtet. Andererseits wird analysiert, zu welchen Problemen es durch wachsende Strukturen mit immer mehr beteiligten Bands und Personen kam und warum sich das CCC nach gut drei Jahren wieder auflöste. Ohne spoilern zu wollen: Unterschiedliche Einstellungen zu politischen Aktionen – beispielsweise die angedachte Besetzung eines leerstehenden Kindergartens – sowie der zunehmende Erfolg von einzelnen Bands, die schließlich ohne Kollektiv leichter Entscheidungen treffen konnten, waren wohl die primären Gründe dafür. Dadurch – und durch die Etablierung des World Wide Webs, das Promotion und Kontaktaufnahme für alle erleichterte – wurde das CCC auch für andere Bands uninteressanter und viele begannen wieder, ihr eigenes Ding durchzuziehen.
Durch die vielen O-Töne der damaligen Protagonist*innen, sowie das Vorwort von Christian Friedl (Red Lights Flash) sowie das Nachwort von Gerfried Ambrosch (Pledge Alliance, Plague Mass), bekommt man zahlreiche Blickwinkel und Meinungen zum selben Thema zu lesen. Das hilft bei der Einordnung, da es sich beim CCC nur um ein Projekt von Gleichgesinnten handelte und es keine verschriftlichten Vereinsstatuten oder ähnliches gab. Sehr erfreulich ist, dass sich viele Wortmeldungen im Buch durch Selbstreflexion auszeichnen und manche historischen Begebenheiten aus heutiger Sicht durchaus sehr kritisch wahrgenommen werden – unter anderem die überwiegende männliche Dominanz in der damaligen Szene.
Unterhaltsames Szeneporträt
HC Roth und Chris Magerl ist mit »Conan City Hardcore« ein durchaus unterhaltsames Szeneporträt gelungen, das nicht nur für damals Beteiligte verständlich ist, sondern auch anderen interessierten Leser*innen einen Zugang ermöglicht. Vor allem das Kapitel »On Tour« mit Berichten von Tourerlebnissen aus aller Welt zeigt, was aus dem CCC heraus entstand und wo es die Grazer Bands überall hinverschlug.
Auch wenn ein paar der Protagonist*innen heute noch diverse Funktionen im Kulturbetrieb einnehmen und es Locations wie das Explosiv und das Music-House nach wie vor gibt, scheint die Bedeutung der CCC-Ära für die aktuelle Punk-/Hardcore-Szene kaum mehr zu spüren. Umso erfreulicher ist es, dass es in Graz trotzdem wieder eine, recht kleine, Szene gibt, die rund um das Sub entstanden ist. Und im Gegensatz zu früher, spielen mittlerweile viele dieser Grazer Bands durchaus auch in Wien – und umgekehrt.

»Conan City Hardcore. Die Grazer Punk- und Hardcoreszene um die Jahrtausendwende« von HC Roth und Chris Magerl ist im Oktober 2025 im Verlag Glitzer & Grind erschienen.
Live: 6. November, Wien, EKH — 13. November, Linz, Kapu — 14. November, Salzburg, Bricks — 15. November, Feldkirch, Chybulski — 7. Dezember, Frohnleiten, Druckwerkstatt — 12. Februar, Graz, Explosiv