Friends and Benefits – Wer hat Musikförderungen verdient?

Wie fair ist Musikförderung in Österreich? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, haben wir gemeinsam mit Ines Dallaji sowie 52 weiteren Musiker*innen Bilanz gezogen und wir werfen einen kritischen Blick auf den Stellenwert von Transparenz, Vielfalt und Markttauglichkeit.

© Bernhard Frena

Kunst- und Kulturförderungen sind in aller Munde – hauptsächlich, weil sie gekürzt werden. Man schaue zum Beispiel in die Steiermark, wo nun dank FPÖ Blasmusik statt Diversität gepusht wird. Gebe es keine staatlichen Förderungen mehr, könnte man sich zwar einbilden, das sei ein fairer Wettbewerb am freien Markt – allerdings nur solange man bewusst ignoriert, wie unumgehbare Monopole und Algorithmen ein vielfältiges Angebot verdrängen und wie ungleiche Ausgangssituationen der Künstler*innen unter den Tisch gekehrt werden. Unzureichend verteilt sorgen Förderungen allerdings sogar für eine Verstärkung der Probleme: »Jene ohne finanzielle Unterstützung müssen dann mit deutlich weniger Ressourcen das Gleiche erreichen – ein Kampf unter verzerrten Bedingungen«, erzählt mir Ines Dallaji, Frontfrau der Band Bad Ida.

Um dem Einfluss von Förderungen auf den Grund zu gehen, haben Ines und ich gemeinsam eine kleine, anonyme Umfrage durch die Reihen der österreichischen Popmusik gehen lassen. Insgesamt haben 52 Personen mitgemacht und uns zu einem Stimmungsbild verholfen. Von etablierten Acts bis hin zu ausgewählten Newcomer*innen, von 23 bis 63 Jahren und von ca. 1.000 bis 100.000 Euro Jahresumsatz war eine große Bandbreite gegeben. Dieser Text bietet Einblick in die Ergebnisse und versucht sich an Lösungsvorschlägen.

Quelle: the Gap

Sich mit Förderungen auseinanderzusetzen, ist eine langwierige Arbeit. Für viele heimische Musiker*innen ist es Teil ihres Berufs, denn haben wollen diese Gelder alle. Dass das Stellen eines Antrags nicht mit zwei Klicks erledigt ist, vor allem weil es manchmal um fünfstellige Beträge geht, scheint sinnvoll. Welche Kriterien jedoch tatsächlich bei der Vergabe von Musikförderungen angewendet und vor allem in welcher Gewichtung diese gewertet werden, ist mir selbst nach meiner Recherche eher schleierhaft. Fangen wir aber beim offensichtlichsten Problem an: Alle Informationen und Websites sind ausschließlich auf Deutsch auffindbar. Von einer wenigstens englischsprachigen Bewerbungsmöglichkeit oder Informationen in einfacher Sprache kann man leider nur träumen. Manchmal klicke ich auf »Mehr Informationen«, nur um die gleiche Beschreibung noch einmal anders formuliert lesen zu dürfen. Es gibt viele Richtlinien, die über die Aufgaben der Künstler*innen aufklären, über Abrechnungen und Nachweise. Aber welche Pflichten haben eigentlich Fördergeber*innen?

Wer soll das verstehen?

Über achtzig Prozent der Umfrageteilnehmer*innen gaben auch an, dass sie das Beantragen von Förderungen zeitintensiv finden, sowie mittelschwer bis kompliziert. »Niederschwellig« erhielt hierbei keine, »inklusiv« eine einzige Stimme. Im Vergleich kam die SKE-Produktionsförderung bei den Teilnehmer*innen mit einigem positiven Feedback gut weg, wohingegen der Österreichische Musikfonds (ÖMF) mehrere Male als besonders schlecht verständlich oder intransparent beschrieben wurde.

Quelle: the Gap

Die meisten Absagen und auch Zusagen an Künstler*innen werden nicht begründet. Während etwas mehr als die Hälfte zufrieden mit dem bisher erfahrenen Servicekontakt zu Förderstellen ist, sorgen formlose Rückmeldungen auf Bewerbungen nicht selten für Unmut. Ohne eine Vorstellung davon, wie eine Entscheidung zustande kommt, muss sich auf den guten Willen der Jury verlassen werden und darauf, dass Beteiligte ihrer Aufgabe gewissenhaft nachkommen. Mechanismen laufen so im Hintergrund ab und können durch Mangel an Einsicht weder gelobt noch kritisiert werden.

Die große Intransparenz dieser Entscheidungsfindungen sorgt wiederum für Gemunkel, dass Musikförderungen gerne an die eigenen Freund*innen, Verwandten oder zum eigenen Vorteil vergeben sowie Informationen bewusst zurückgehalten würden. Das Onlinemedium Neue Zeit schrieb hierzu 2021 in Bezug auf den ÖMF: »Gerade bei intransparenten Verfahren und unbegründeten Entscheidungen ist es unumgänglich, größtmögliche Objektivität in der Jury zu gewährleisten.« Und weiter: »Bei den Jurymitgliedern handelt es sich um ein immergleiches Konsortium aus österreichischen Musikern, Redakteuren und Geschäftsleuten.«

Papa wird’s schon richten

Auch Ines Dallaji erzählt von einer oft als willkürlich empfundenen Vergabepraxis: »Es scheint nicht selten von glücklichen Zufällen abzuhängen«, schildert sie, »vom Zeitpunkt der Einreichung, von persönlichen Kontakten, von der Zusammensetzung des Beirats. Dieses Wissen erzeugt ein Gefühl der Machtlosigkeit, das viele in der Branche frustriert und langfristig zermürbt.«

Unsere Umfrage lässt darauf schließen, dass Vergaben nicht nur manchmal als unfair wahrgenommen werden – »exkludierendes Nepotismus-Biotop« war nur einer der Kommentare zum Thema Transparenz –, sondern dass Bevorzugungen wirklich stattfinden. Circa 38 Prozent der Befragten geben zu, schon einmal einen eigenen Vorteil durch persönliche Beziehungen zu Jurymitgliedern wahrgenommen zu haben.

Quelle: the Gap

Zusätzlich lässt sich feststellen, dass manche Künstler*innen immer wieder Förderungen erhalten, während andere noch immer auf eine erste Zusage warten. Knapp 54 Prozent haben die gleiche Förderung schon mehrmals erhalten, manche von ihnen bis zu zehnmal – meist mit verschiedenen Projekten.

»Wir brauchen ganz dringend Förderungen, aber wir brauchen noch viel dringender eine Instanz, die die Fördervergabe evaluiert«, schlussfolgert Ines. Genaue Zahlen dazu, welche Genres, Personengruppen und welche Labels besonders häufig Unterstützung von Förderstellen genießen und welche nicht, fehlen nämlich. Genauso werden leicht ersichtliche Beziehungen zu Jurymitgliedern und Kurator*innen, die auf Nepotismus oder »Freunderlwirtschaft« hindeuten könnten, überhaupt nicht (öffentlich) verhandelt. Wären hier vielleicht »Schöff*innen« – Privatpersonen und Musikfans, die nach Losziehung mit im Beirat sitzen – sowie ein öffentliches Protokoll Schritte in Richtung Transparenz?

Quelle: the Gap

Die unsichtbare Hand

Während einige Förderungen an keine ausgewiesenen Bedingungen geknüpft sind, gibt beispielsweise der ÖMF unter anderem an, »markttaugliche« Projekte fördern zu wollen, die sowohl im Inland als auch im Ausland funktionieren. Doch ist nicht eine grundsätzliche Definition von Kunst, dass sie nicht zweckgebunden, nicht als Produkt verwertbar sein muss? Offen bleibt zum Thema »Vermarktbarkeit« bei den verschiedenen Förderungen auch, ob es das Ziel ist, Märkte für verschiedene Genres und Menschen zu schaffen und Österreichs Weltblick zu erweitern, oder ob es heißt, einfach den nächsten Indiepop-Act nach Europa zu exportieren. Dass die europäische und internationale Musikwelt durchaus offen für eine Vielzahl verschiedener Musikstile wäre, zeigen nicht zuletzt die zahlreichen Festivals mit spezifischem Fokus – von Weltmusik bis Hardrock.

Häufig werden auch bestimmte Personengruppen in den Ausschreibungen adressiert. Um Benachteiligungen abbauen zu können, ist es schließlich auch sinnvoll, diese zu benennen. Während einige Fördergeber*innen auf Vorteile für PoC-Künstler*innen und weibliche Acts hinweisen, um einer weiß und männlich dominierten Musikszene entgegenzuwirken, ist mir – abgesehen von Nachwuchsinitiativen – nur beim ÖMF eine Richtlinie untergekommen, die soziale Aspekte zu berücksichtigen scheint. Auf dessen Website steht: »Das eingereichte Projekt sollte ohne Finanzierung durch den Musikfonds nicht bzw. nur in unzureichendem Umfang finanzierbar sein.« Ein guter Ansatz, denn auch das kleinste DIY-Projekt braucht für eine Veröffentlichung meist mehrere Tausend Euro – vor allem, wenn alle Beteiligten fair entlohnt werden sollen. Wer aber kontrolliert, ohne Kontoauszüge oder sonstige offizielle Nachweise, wie viel Geld Antragsteller*innen wirklich zur Verfügung haben?

»Neiddebatte«

Kritiker*innen von Musikförderungen werden oft als Killjoys abgetan, wenn ihnen derzeit bestehende Konzepte nicht gefallen. Wer nicht selbst profitiere, habe es leicht, den Kolleg*innen den Erfolg nicht zu gönnen. Aber bleiben wir offen – oder wie Natascha Strobl auf moment.at in ihrer Analyse des Begriffs »Neiddebatte« schreibt: »Dieses Framing soll vor allem klarmachen, dass die Kritik unlauter ist und aus einer reinen negativen Emotion heraus entspringt. (…) Es soll so aussehen, als gäbe es nichts Sachliches oder Politisches zu kritisieren.«

Auch Ines meint: »Ich wünsche mir mehr öffentlichen Diskurs zu dem Thema. Man merkt eine allgemeine Unzufriedenheit unter Musiker*innen, aber ich beobachte eher Resignation als den Willen, aktiv mitzugestalten und sich für Veränderung stark zu machen.« Allein schon deshalb ist es wichtig, dass sich Menschen in ihren lokalen Szenen vernetzen. Denn was allein unmöglich erscheint, kann gemeinsam oft in Bewegung versetzt werden.

Bad Ida veröffentlichten am 7. November ihr neues Album »Ending Things« – inklusive Konzert in der Sargfabrik Wien – und waren am 2. Oktober auch Teil des Waves-Vienna-Line-ups. An der Umfrage zu österreichischen Musikförderungen kann weiterhin unter www.thegap.at/umfrage-musikfoerderung teilgenommen werden.

Dieser Text ist im Rahmen des The-Gap-Nachwuchspreises für Musikjournalismus in Kooperation mit dem Festival Waves Vienna entstanden.

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