Frauen Film Tage: Tribute to Karina Ressler

Das Festival widmete der Schnittmeisterin Karin Ressler mit einer Personale einen besonderen Schwerpunkt. The Gap wünscht leicht verspätet alles Gute zum Internationalen Frauentag.

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Die Cutterin Karina Ressler mischt regelmäßig in wichtigen österreichischen Filmproduktionen mit. So beispielsweise erst kürzlich in Paul Poets “Empire Me – Der Staat bin ich!” (2011) und Fritz Ofners “Evolution der Gewalt” (2011). Ihre Arbeit zeichnet sich nicht nur durch filmanalytische Kompetenz und einen Sinn für Ästhetik aus, sondern ebenso durch eine anspruchsvolle Auswahl ihrer Projekte sowie einen Bezug zu frauen- und gesellschaftspolitischen Themen. Die Frauen Film Tage haben fünf ihrer zahlreichen Filme für den diesjährigen Programmschwerpunkt “Personale” ausgewählt. Neben Götz Spielmanns preisgekröntem Drama “Revanche” (2008), der für den Auslands-Oscar nominiert war, und der romantischen Dramödie “Blue Moon” (2002) mit Josef Hader werden auch etwas weniger bekanntere Werke aus den Bereichen Spielfilm und Dokumentation gezeigt. Zwei dieser Filme stellen einen spezifischen Ort als titelgebenden Schauplatz in den Mittelpunkt.

Come On Pilgrim

Jessica Hausners cleveres Doppel-Porträt “Lourdes” (2009) führt uns ebendort hin. Der Wallfahrtsort einerseits ist es, der hier im Zentrum steht, während zugleich die Geschichte der MS-Patientin Christine (Sylvie Testud) auf schlichte und unbeschönigende Art erzählt wird. Die beiden finden zusammen, als Christine den Ort in der Hoffnung auf Heilung besucht. Wallfahrtsreisen sind ihre einzige Möglichkeit, aus der krankheitsbedingten sozialen Isolation auszubrechen. Die erhoffte Heilung tritt tatsächlich ein: eines Tages erhebt sich Christine aus dem Rollstuhl. So wird Lourdes letztlich zu einem magischen Ort. Der Blick auf religiöse Aspekte hingegen ist ein kritischer, teils ironischer. Wiederholt wird davor gewarnt, voreilig auf ein Wunder zu schließen. Denn sobald ein Rückfall eintritt, ist dies nicht gültig und wird nicht als echtes Wunder anerkannt. “Die sind da sehr streng.”

Auch die Kameraführung verstärkt diesen externen Blick. Sie nimmt stets eine gewisse Distanz ein. Bei Gebetskreisen bleibt das Publikum außen vor, kann nicht teilhaben am elysischen Erleben. Die Farbgebung im Kloster ist an der französischen Flagge orientiert. Subtil stellt der Film die Mechanismen der Institution zur Schau. Sowohl Interpretation als auch Wertung sind dem Publikum überlassen. Nicht zuletzt wird die Frage nach Normen und deren Bewertung aufgerufen. Die Antwort auf die Frage “Warum ich?” unterläuft indessen im Zuge von Christines Heilung eine Veränderung.

Hausners Drama hat, wenngleich inhaltlich gänzlich fiktional (oder etwa doch nicht?), durchaus dokumentarische Züge. Der beherrschte Realismus, mit welchem die Geschichte erzählt wird, knüpft an österreichische Kinotraditionen an. Eine Nominierung für den besten Schnitt bei der erstmaligen Verleihung des österreichischen Filmpreises 2011 würdigt Karina Resslers gelungene Arbeit als Cutterin.

Noch mehr Lähmung in der Provinz

Postadresse: 2640 Schlöglmühl” (1990) ist das statische Porträt eines niederösterreichischen Dorfes, in dem absoluter Stillstand herrscht. Einst reger Bestandteil der Industriebranche, hat sich Schlöglmühl seit der Schließung seiner Papierfabrik im Jahr 1982 gleichsam zur Geisterstadt gewandelt. Menschen, die sich einst über ihre Arbeit in der Fabrik definierten, befinden sich angesichts der Schließung in einem Vakuum aus Ungläubigkeit und Machtlosigkeit. Ein ganzes Dorf ist vor den Kopf gestoßen und bei 269 Entlassenen machen sich Familienkrisen und Existenzängste breit. Die Menschen aus Schlöglmühl sprechen sehr offen über ihre Situation, können sich jedoch zum Teil schwer artikulieren. Es fehlen ihnen schlichtweg die Worte. Der Film hakt acht Jahre nach dem Vorfall in das Leben des 287-Einwohner-Ortes in jener prekären Lage ein und sieht sich dabei als soziologischen Versuch. Er wirkt gleichsam wie eine bedächtige Milieustudie – in einem Milieu der Resignation.

Häfenschwestern

Eine Art Milieustudie auf hellenisch ist wiederum “Gangster Girls” (2008). Auch sie führt uns nach Niederösterreich. Das Doku-Debüt der Theaterregisseurin Tina Leisch zeigt Insassen der Justizanstalt Schwarzau. Im Zuge eines Theaterprojekts wird deren Äußeres maskiert und ihr Inneres indes offenbart. Während für die Frauen Selbstoffenbarung und Konfliktbewältigung in diesem Prozess im Vordergrund stehen, verschwimmen aus der zusehenden Perspektive zum Teil die Grenzen zwischen Schauspiel und freiem Gespräch. Verschwommen ist oftmals auch die Kamera, um die Gefilmten zu anonymisieren – und im nächsten Moment wieder gestochen scharf Masken, Hände und Gesten abzubilden. Klar wird bald: Wichtig ist nicht die Oberfläche (weder ästhetische noch kriminologische Details) – was zählt ist vielmehr, was dahinter steckt.

The Gap wünscht alles Gute zum Internationalen Frauentag. Im Filmhaus Kino beginnt in Kürze der Abschlusstag der Frauen Film Tage mit Maria Müllers Debutfilm “Hüllen” (2010) und im Anschluss “The Look” (2011), ein Porträt der britischen Schauspielerin Charlotte Rampling (erst kürzlich in Lars von Triers “Melancholia” und mittlerweile mit “Die Mühle und das Kreuz” im Kino zu sehen).

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