Was bei Software schon etabliert ist, hält nun auch in der physischen Welt Einzug: Das Prinzip der Offenheit. Eine Initiative leistet jetzt Entwicklungsarbeit in Oberösterreich und orientiert sich dabei an Erfolgsmodellen wie der offenen Hardware von Arduino.
Die Idee gibt es schon einige Jahre. Ähnlich wie bei Open Source-Software werden Designs in Form von Bauplänen oder Produktionsanleitungen öffentlich zur Verfügung gestellt, eine Community entwickelt diese weiter und verbesserte Versionen landen wieder im Netz. Die Anwender werden zu Prosumern, Mutanten werden zusammengeführt, andere Ideen fallen gelassen, Spezialanwendungen angefertigt – mit dem Ziel, für sich selbst und für alle anderen Dinge zu perfektionieren. Bislang wurde dieser Ansatz vor allem von Künstlern und nerdigen Bastlern gepflegt. Mittlerweile beschäftigen sich aber auch Politik und Wirtschaft mit der Idee des Open Design. In der Idee steckt viel Potential. Es zu entwickeln sei "denkintensiv" sagt Georg Russegger, einer der Kuratoren des Open Design Symposium, das am 23. Mai an der Kunstuniversität Linz stattfindet. Es ist der Auftakt für eine Initiative, die auf die konkrete Anwendung der Open Design-Philosophie abzielt. "Wir wollen hier nicht zum Chor predigen, sondern eine breit aufgestellte Community schaffen", so Co-Kurator Martin Kaltenbrunner. "Oberösterreich ist mit seiner sehr starken Design-Tradition und den vielen Handwerksbetrieben ein guter Nährboden", sagt Patrick Bartos, Geschäftsführer der Creative Region, der es sich zum Ziel gesetzt hat, die regionale Wirtschaft für des Thema zu interessieren und konkrete Anknüpfungsmöglichkeiten zu schaffen.
Große Bandbreite
Das Themaenspektrum beim Symposium ist groß: Es reicht von Hardware über Sound bis Tools – jeweils mit einem "Open" davor. Und es gibt tatsächlich vieles, was nach Open Design-Prinzipien gestaltet werden kann und auch schon wird. Am sichtbarsten und verständlichsten in der Mode oder im Möbeldesign, weil sich diese am einfachsten in den Alltag einbinden lassen und man die Objekte auch zu Hause ohne allzu großen Aufwand reproduzieren kann. Bei den stetig sinkenden Preisen für Laser-Cutter und 3D-Plotter können auch einfach Gebrauchsgegenstände nach digitalen Bauplänen günstig hergestellt werden. Kaltenbrunner sieht die Beschränkungen dort, wo die Produktionsmittel teuer sind – etwa bei Mikroprozessoren.
Open Design als Brand
Die Vorteile liegen auf der Hand: Wo sich Systeme öffnen und viele Menschen an der Weiterentwicklung mitarbeiten, wird Innovation möglich. Im Softwarebereich haben das mittlerweile auch große Konzerne wie IBM erkannt. In der Welt der physischen Produkte muss sich dieses Bewusstsein erst herausbilden. "Kooperation ist da der Schlüsselbegriff. Kooperation heißt aber auch bis zu einem gewissen Grad, ungerichtet und damit ergebnisoffen zu sein", meint Russegger. Wichtigste Herausforderung sei, Vertrauen in diese offenen Systeme zu schaffen. Und zwar auf allen Ebenen: Designer müssen darauf vertrauen können, dass ihre Leistungen anerkannt werden, Prosumer übernehmen Verantwortung und Unternemen wollen an dem System verdienen. Bevor die Frage nach handfesten Businessmodellen beantwortet wird, geht es erst einmal darum, eine "gedankliche Brand" aufzubauen und an bestehenden Beispielen zu lernen. Langfristig kann Open Design genau wie "bio" oder "nachhaltig produziert" als Label funktionieren. Ein solches Label muss aber erst über mediale Aufmerksamkeit langsam aufgebaut werden, die Open Design-Projekte erzielen können, über ihre Diskursstärke und natürlich auch über ihre Verkaufbarkeit.
Arduino als Benchmark
Bei Arduino funktioniert das auf allen drei Ebenen. Der Spanier David Cuartielles hat mit einem internationalen Team für seine Studenten eine günstige Möglichkeit entwickelt, mit Microcontrollern zu arbeiten, indem er Hard- und dazugehörige Software nach dem Open Source-Prinzip zur Verfügung stellt. Mittlerweile wurden etwa 450.000 Stück dieser Steuerelemente verkauft. Cuartielles schätzt, dass weltweit insgesamt etwa 800.000 Controller im Umlauf sind, weil viele ihre eigenen Geräte nach Arduino-Plänen bauen. Viel mediale Aufmerksamkeit hat diese Open-Hardware vor allem für drei Projekte bekommen: Arduino-Steuerelemente stecken im spanischen Roboter, der 2010 die Roboter-Fußball WM gewonnen hat, in Geigerzählern, die nach der Atomkatostrophe in Fukushima Messdaten lieferten und im Zeichenroboter "Piccolo" von Greg Saul. Cuartielles ist manchmal selbst überrascht von der Größe, die seine Plattform mittlerweile erreicht hat. Über 70.000 Personen sind bei Arduino registriert, etwa 400 Developer tragen zur Weiterentwicklung bei und mehr als 50 Personen haben die Software kürzlich innerhalb einer Woche in fünf Sprachen übersetzt. Cuartielles legt besonderen Wert auf die lokale Verankerung. Die globale Verfügbarkeit der Baupläne und der Software wird durch Support und Initiativen vor Ort unterstützt, die gemeinsam an Projekten arbeiten und voneinander lernen.
Oberösterreich als Knotenpunkt
Da setzt auch die Initiative in Oberösterreich an. In der Open Design-Region sollen die nötigen Voraussetzungen geschaffen werden. Und dazu gehört eben nicht nur, dass Informationen frei verfügbar sind, sondern auch ein möglichst niederschwelliger Zugang zu Technologien und Produktionsmöglichkeiten. Diese Infrastruktur soll ein Community Lab bieten. Eine Wunsch-Location ist die ehemalige Tabakfabrik in Linz. Patrick Bartos sieht da mehrere Anknüpfungspunkte für die regionale Wirtschaft. Zum einen finden Start-ups und freie Initiativen ein Umfeld für ihre Arbeit vor, in dem sie ihre Ideen entwickeln können. Zum anderen gibt es Unternehmen in der Region, die die benötigten Produktionsmittel wie etwa Spritzgussmaschinen zur Verfügung stellen können. Und nicht zuletzt haben Handwerksbetriebe dort die Gelegenheit, sich mit Entwicklern auszutauschen. Damit sollte es auch möglich sein, handfeste Businessmodelle zu entwickeln. Das Idealbild wären dann oberösterreichische Konsumenten, die zum Beispiel beim lokalen Tischler Möbel bestellen, die in den Labs entworfen wurden.
23. Mai 2012, Kunstuniversität Linz
Martin Kaltenbrunner ist Professor am Interface Culture Lab der Kunstuniversität Linz und beschäftigt sich hauptsächlich mit offenen Werkzeugen in der Medienkunst und unkonventionellen Konzepten der Mensch-Maschinerie Interaktion.
Georg Russegger ist Leiter des Forschungs- und Entwicklungsprojekts "Ludic Interfaces" am Interface Culture Lab der Kunstuniversität Linz. Gemeinsam mit der Gruppe 5uper.net ist er für die künstlerische Leitung des Coded Cultures Festival verantwortlich.
Patrick Bartos ist Geschäftsführer der Creative Region Linz & Upper Austria, die sich zur Aufgabe gemacht hat, Kreativschaffende gezielt zu unterstützen und die Region als Standort für Kreativindustrien zu positionieren.
David Cuartielles ist Leiter des Electronics Laboratory an der Universität Malmö und Mitbegründer von Arduino, einem erfolgreichen Open Hardware Start-ups.