Das nächste, bessere Ding

Das MAK steckt mit einer großen Ausstellung über "Design für den Wandel" sein Terrain ab. Ein wichtiges Projekt, nicht nur für den neuen Direktor.

Aus rechtlichen Gründen werden Artikel aus unserem Archiv zum Teil ohne Bilder angezeigt.

Lange wurde darüber spekuliert, was Christoph Thun-Hohenstein anders machen würde als sein Vorgänger, Langzeit-Chef Peter Noever: Mehr Design? Angewandte Kunst? Zeitgenössische Kunst wie bisher? Die Ankündigungen des neuen MAK-Direktors schienen darauf eine eher zweideutige Antwort zu geben. Der Plan ist offenbar, ein möglichst breites Sprektrum anzubieten, mit deutlich mehr Design als bisher, aber auch mit Konzentration auf die Sammlungsstärken des Hauses und die Wiener Moderne.

Im Bereich Design gab es zwischenzeitlich zwei kleinere Projekte: die Ausstellung "Adventures in Foam" des Südtirolers Patrick Rampelotto, die – abgesehen von den sehenswerten Objekten – allein schon deshalb bemerkenswert war, weil sie nicht im abstellräumlichen "Design Space" stattfand, sondern auf mehr Raum im Untergeschoss des Hauses. Zum anderen gibt es seit Kurzem eine Intervention des Designers Michael Anstassiades im Geymüllerschlössel, einer Biedermeier-Außenstelle des MAK, der man offenbar (wieder) Leben einhauchen will. Und nun also ab 6. Juni die erste große Design-Ausstellung im Haupthaus am Stubenring, eine Art Feuerprobe für den neuen Direktor. "Made 4 You. Design für den Wandel" lautet der Titel. Das Thema sollte allein schon durch die mediale Dauerpräsenz in den vergangenen Jahren für Interesse sorgen, Stichworte dazu: Social Design, Green Design, Nachhaltigkeit. Nichts genuin Neues also, aber zumindest eine kleine hausinterne Revolution: Angewandte Kunst oder experimentelle Design-Art sind hier nicht zu sehen, sondern eher Techno-Utopien, Tools zur Weltverbesserung, Design-Beispiele von global agierend Konzernen.

Problemlöser

Als Gastkurator der Ausstellung fungiert Hartmut Esslinger. Der mittlerweile 68-jährige Deutsche ist einer der bekanntesten Industriedesigner unserer Zeit, gründete vor mehr als 30 Jahren die Firma Frog Design, arbeitete für Global Player wie Sony, Microsoft, Apple und Siemens. In Wien ist er kein Unbekannter: Esslinger unterrichtet von 2006 bis 2011 an der Universität für angewandte Kunst, was einen – vorübergehenden – Kulturwechsel zur Folge hatte. Denn er versteht sich selbst als Problemlöser in einem globalen, wirtschaftlichen Rahmen und geht mit der Vorstellung von Design als künstlerischer, "individualistischer" Disziplin hart ins Gericht. Die Abschlussarbeiten seiner Studenten waren denn auch für Wien ungewöhnlich: keine experimentellen Möbel, sondern solarbetriebene Fiaker und andere technoide Erfindungen, die unsere Welt angeblich positiv verändern sollen.

Esslinger sieht den Designer im Schnittpunkt der verschiedenen Disziplinen – und damit an zentraler Stelle. Eine Sicht, die übrigens schon der austro-amerikanische Vordenker Victor Papanek vor 40 Jahren propagierte. Dementsprechend einflussreich sind die Gestalter: "Design und ihre Geschäftspartner haben die schier einzigartige Möglichkeit, eine Umgebung zu schaffen, die nicht nur lebenswert und nachhaltig ist, sondern auch Spaß macht und kulturell bereichert", ist Esslinger überzeugt. "Meiner Ansicht nach ist Design die moderne, mit der Symbolik von Menschheitsgeschichte und Metaphysik aufgeladene Variante "technischer" Funktionalität. Wenn Designer ein neues und besseres Objekt, einen Apparat, eine Softwareanwendung oder ein anregendes, auf den Menschen gerichtetes Erlebnis entwerfen, wird daraus ein Markenzeichen." Und weiters:"Unterstützt von ihren Geschäftspartnern haben Designer die Möglichkeit, schon in der Frühphase strategisch Einfluss auf das System des PLM, des Produkt-Lebenszyklus-Managements, zu nehmen."


Next Best Thing

Gezeigt werden im MAK rund 80 internationale Beispiele von Projekten und Produkten, die den Qualitätskriterien von "gutem" oder "richtigem" Design nach Esslingers Dafürhalten entsprechen. Aufgeteilt sind sie in sechs Themenbereiche: Mobilität, digitale Konvergenz, Leben & Freizeit, Leben & Arbeit, Gesundheit und Überleben. Diesem universalistischem Ansatz entsprechend sind die Beispiele unterschiedlichster Natur: "Showcars" von Mercedes oder Audi, Handprothesen für Kinder, digitale Lesegeräte, Hochgeschwindigkeitszüge, eine semiakustische Violine, Babyschnuller etc. "Bei Design, das auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist, geht es im Kern nicht um das nächste neue Ding, sondern um das nächste bessere Ding", schreibt Esslinger im Katalog über sein Verständnis von "strategischem Design". (Da fragt man sich vielleicht gleich, ob es denn überhaupt immer eines nächsten "Dings" bedarf, aber das ist eine andere Geschichte.) Gespannt darf man darauf sein, wie das Publikum der Auswahl von Esslinger begegnen wird. Schließlich geht die Meinung darüber, was "innovativ" oder "nachhaltig" oder gar "sozial" ist, weit auseinander – bei Experten ebenso wie bei Laien. Von der schönen Kategorie der Relevanz von Neuem ganz zu schweigen.

Angesichts des eher spröden Materials kommt der Ausstellungsgestaltung eine zentrale Rolle zu. Sie wurde dem jungen österreichischen Duo Vandasye (Georg Schnitzer, Peter Umgeher) übertragen, die den Content in die Umgebung einer fiktiven Unternehmers der Zukunft einbettet: In der "Lobby" werden Beispiele aus Esslingers eigener Firma präsentiert, in der "Fabrik" am Markt befindliche oder marktreife Produkte und Anwendungen von Global Playern, und im "Labor" kriegen die Studierenden von Esslinger ihren eigenen Auftritt.

Internationale Reife

Produktzyklen, Global Player, Marktreife: Das MAK als Ausstellungsort zum Thema globale Wirtschaft? So überraschend das für manche klingt, so logisch scheint dieser Schritt doch zu sein, schließlich wurde das Museum vor beinahe 150 Jahren mit der Intention gegründet, die Zusammenarbeit von künstlerischer Gestaltung und industrieller Produktion voranzutreiben. Wer diesen Auftrag zeitgenössisch interpretiert, landet genau dort, wo "Made 4 You" ansetzt. Interessanterweise spricht ja sogar Esslinger, der Kritiker des "alten Designs", von "Gebrauchskunst" im Zusammenhang mit Design. Doch wozu eigentlich? Wenn der Designer einer Prothese oder eines Schlafphasenweckers "Gebrauchskünstler" ist, dürften sich auch andere eine solche Bezeichnung umhängen: Lehrerinnen, Floristen, Journalistinnen oder Fußballtrainer zum Beispiel. Also bitte den Kunstbegriff lieber für Schriftsteller, Videokünstlerinnen oder Opernsänger reservieren, dann tun wir uns alle leichter.

Doch zurück zum MAK. Mit der Ausstellung leistet man Pionierarbeit in einem Land, das mit Design noch immer relativ wenig anzufangen weiß. Es wird spannend, wie das Publikum damit umgeht. Denn es ist kein Geheimnis, dass Industriedesign manchmal soviel Sex hat wie der Beipackzettel eines Medikaments. Und es ist kein Zufall, dass in kleineren Ausstellungen zu dem Thema mitunter mehr Aufseher zu sehen sind als Besucher. Wenn sich das MAK nun ins Zeug legt, dann könnte das jedoch einen Aufbruch bedeuten. Dann wäre der Subtitel der Ausstellung – "Design für den Wandel" – auch für das Haus selbst anzuwenden.

Made 4 You – Design für den Wandel

MAK-Ausstellungshalle

06. Juni bis 07. Oktober

Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...