Spoiler: Die Rückkehr zum Alien-Franchise bringt keine existenziellen Antworten, aber die alte Angst vor Andersartigkeit. Michael Fassbender ist ein androgyner Roboter, der als Außenseiter Unruhe stiftet. Was beunruhigt Ridley Scott?
Ridley Scotts halbgarer »Robin Hood« (2010) war eine Enttäuschung. »Prometheus« sollte endlich wieder die Leinwand mit Aliens und menschlichen Innereien bespritzen. Doch noch bevor die Außerirdischen unter die Haut gehen und die Geschöpfe von H.R. Giger die Optik verdunkeln, unterspült Scott seinen Film mit blonder Homoerotik. Unter den Raumfahrern befindet sich ein Außenseiter mit sexuellem Subtext – der Android David (Michael Fassbender). Damit folgt Scott einer fragwürdigen Tradition. Anstatt queere Figuren selbstverständlich in einer fiktiven Zukunft zu repräsentieren, bekommen vermeintlich asexuelle Roboter einen schwulen Unterton.
»What is it about robots, that makes them so robotic?«
Die Liste an androgynen Filmrobotern, die als schwul wahrgenommen werden, ist lang. Sie reicht etwa vom singenden Tin Man von »The Wizard of Oz« (1939), dem goldenen C-3PO (»Star Wars«) über den weiß geschminkten Data von »Star Trek«. Das wären die Guten, unter den Bedrohlichen finden sich beispielsweise HAL9000 (»2001: Space Odyssey«) oder der böse T-1000 von »Terminator 2«. In einem Promotion-Video für »Prometheus« im Internet wurde David vorab als Roboter vorgestellt, der erstmals die Emotionen seiner Mitmenschen nachvollziehen kann.
»What is it about robots, that makes them so robotic?«, fragt seine Stimme im Clip. David wird als eitler Intrigant inszeniert und seine Andersartigkeit homoerotisch stilisiert. Er wurde vom greisen Konzernführer (Guy Pearce) geschaffen und zum untertänigen Sohn programmiert. Er entwächst einer modernistisch-dystopischen Familie. Die biologische Tochter (Charlize Theron) porträtiert Scott als unterkühlte, skrupellose Thronanwärterin. Statt Fürsorge herrscht Misstrauen, Verachtung und eine aggressive Intimität.
In den ersten Szenen des Films beobachten wir David, wie er einsam durchs Raumschiff schlendert, Sprachen erlernt, Sport betreibt und den Film »Lawrence Of Arabia« (1962) studiert. Routiniert spricht er die Dialoge des Hauptdarstellers Peter O’Toole und pflegt die gleiche blonde Frisur. Das Epos handelt vom britischen Militärmythos T.E. Lawrence, der im Ersten Weltkrieg die arabische Wüste geeint und gegen die Osmanen verteidigt haben soll. Über die sexuelle Orientierung des schillernden Soldaten und Schriftstellers sind die Historiker bis heute uneinig. Den Mythos des schwulen Weltkriegshelden multiplizierte wiederum das Kino. Der mehrdeutig zarte O’Toole ist so zur schwul konnotierten Identifikationsfigur und Ikone geworden. Das wiederum instrumentalisiert »Prometheus« für seinen Roboter.
Konservativ statt originell
In Interviews erklärt Michael Fassbender, dass ihm »Lawrence Of Arabia« als Vorlage für seine Rolle gedient habe. Neben O’Toole und David Bowie habe er sich außerdem vom US-amerikanischen Turmspringer Greg Louganis inspirieren lassen, einem offen schwulen Olympiasieger und Weltmeister aus den 80ern. Dessen körperliche Eleganz habe ihn beeinflusst, so Fassbender. Andere Filme aus der »Alien«-Reihe und deren Androiden habe er hingegen gemieden.
Behäbig jongliert »Prometheus« seine eigenen Schöpfungsmythen und Fortschrittsfantasien. Ridley Scott wählt grobe Andeutungen statt einem konsequenten Narrativ oder mutiger Thematisierung. So dient ihm sein androgyner David ebenso nur als abgegriffenes Sujet. Die Konsequenzen sind dennoch prekär. Davids Absichten sind undurchsichtig und seine Höflichkeiten so falsch wie das blonde Haar. Als männlich und technologisch überhöhte Schöpfung ist ein Mutterleib für ihn höchstens ein Wirt, ein klinisches Experiment – wie der Film zeigen wird. Er muss der Außenseiter in den eigenen Reihen bleiben und zumindest seinen Kopf verlieren. Innerhalb der Gruppe geht von ihm die größte Gefahr aus, auf ihn wird die größte Unruhe projiziert. Dass diese Furcht vorm unkontrollierten Roboter mit homosexuellen Subtext andeutungsweise gefüttert werden muss, ist letztlich konservativ und fad. Auch wenn Fassbender es noch so brillant spielt.
"Prometheus" startet am 9. August in österreichischen Kinos. Zu unserem Text über Schöpfungsmythen und Kinder, die den Vater kastrieren, geht es hier.