Simon Anholt, Politikberater und Erfinder von Nation Branding, steht The Gap Rede und Antwort über das österreichische Competitive Identity–Projekt, in das er involviert ist und erzählt, warum dies am besten in Monarchien funktioniert.
Sie wurden auserkoren, die österreichische Bundesregierung, genauer das Wirtschaftsministerium, bei deren aktuellem Nation Branding oder Competitive Identity Projekt zu beraten. Was sind Ihre persönlichen Assoziationen zum gegenwärtigen österreichischen Nation Brand?
Zu allererst möchte ich sagen, dass mir der Begriff „Nation Branding“ sehr unangenehm ist, auch wenn ich derjenige war, der ihn 1998 geprägt hat. Eigentlich habe ich den Begriff „Nation Brand“ und nicht „Nation Branding“ geprägt, aber beide Ausdrücke werden gerne missverstanden. „Branding“ scheint das Versprechen zu beinhalten, dass wenn ein Land oder eine Stadt meint, sein oder ihr Ansehen wäre zu schwach oder zu negativ, müsse es einfach einen Haufen Geld für Marketing ausgeben und alles würde sich auf wundersame Weise von selbst regeln. Selbstverständlich ist das nicht der Fall: ich forsche und arbeite seit fast zwanzig Jahren in diesem Feld und habe noch keine einzige Fallstudie von einem Land oder einer Stadt gesehen, der oder dem es tatsächlich gelungen wäre, seinen oder ihren internationalen Ruf durch Marketingkommunikation zu verbessern. Ich bevorzuge daher den Begriff „Competitive Identity“ (wettbewerbsfähige Identität) – es geht darum, was Städte und Länder tun und nicht darum, was sie sagen. Städte und Länder werden danach beurteilt, was sie für die Menschheit, für den Planeten, für ihre Nachbarn, für gewöhnliche Leute in anderen Ländern machen können. Nur auf diese Weise kann sich ein Ort ein besseres Ansehen verdienen, es gibt keine Abkürzungen.
Meine persönlichen Assoziationen mit dem österreichischen Image sind, denke ich, relativ durchschnittlich für einen gebildeten Westeuropäer. Ich sehe Österreich als malerisches, europäisches Nebengewässer und mir fallen auch ein paar Standardbilder dazu ein: eine schöne Alpenlandschaft, Mozart, Strauss, Bruckner, Haydn, Schubert, Schönberg, Webern – ich bin Klassik Freak, Freud, Wiener Schnitzel, der Opernball und so weiter. Das ist alles ziemlich positiv, aber nicht besonders modern und nicht wahnsinnig relevant für mein tägliches Leben und meine alltäglichen Anliegen.
Wie effektiv kann Nation Branding im österreichischen Kontext sein? Immerhin hat Österreich bereits einen ganz ordentlichen Nation Brand (13. Rang von 50 Nationen am Nation Brands Index 2011), wenn man es in Relation mit seiner Größe und seiner politischen Macht setzt.
Österreichs internationales Profil ist positiv, aber nicht besonders stark. Es ist ein Land, dem die Menschen allgemein wohlgesonnen sind, an das sie die meiste Zeit aber gar nicht denken. Das ist problematisch für Österreichs momentane und zukünftige Wettbewerbsfähigkeit in punkto Handel, Tourismus, Experte, kulturelle und politische Beziehungen. Österreichs Profil muss markanter, moderner, vollständiger und vor allem relevanter für die Bedürfnisse, Anliegen und Interessen von mehr Menschen auf der Welt werden. Einfach ausgedrückt, wir müssen einen guten Grund dafür finden, warum Menschen mehr über Österreich herausfinden sollten, als die alten Klischees, die sie derzeit haben.
Welche Schritte haben Sie im österreichischen Fall schon unternommen und wie werden Sie fortfahren?
Bis jetzt haben wir erst damit begonnen, die Herausforderungen zu analysieren. Wir versuchen zu verstehen, ob und wie Österreich von einem verstärkten internationalen Profil profitieren könnte und was dieses Profil sein könnte. Die nächsten Schritte sind zu entscheiden, ob es ein stärkeres Profil verdient und wie es sich ein solches verdienen könnte.
Wie kann man, abgesehen vom Ranking eines Landes am Nation Brands Index, das ja auch durch unvorhersehbare Entwicklungen beeinflusst wird, die tatsächliche Wirkung von Nation Branding Kampagnen messen?
Ich glaube nicht an Kampagnen, das suggeriert eine Nähe zu Werbung oder Public Relations. Es gibt überhaupt keine Beweise dafür, dass derartige Kampagnen auch nur irgendeine Wirkung auf die internationale öffentliche Meinung haben. Ich möchte aber darauf hoffen, in Bezug auf bestimmte Aspekte Österreichs unter gewissen Zielgruppen im Ausland ein erhöhtes Bewusstsein sehen zu können – und das kann wissenschaftlich gemessen werden – und in Folge davon, Verbesserungen in Bezug auf Österreichs Handel, Tourismus, Exporte, kulturelle und politische Beziehungen, die Anziehung von Talenten, Bildungsaufenthalte und –austausche und vielleicht auch andere Indikatoren.
Wie lange muss ein Land, wie Österreich, in Nation Branding oder Competitive Identity Management investieren, um Ergebnisse zu erzielen?
Kontrolle über das internationale Ansehen eines Landes zu übernehmen ist kein Projekt oder keine Kampagne von spezifischer Dauer. Es ist ein neuer Zugang zu Governance – zur Staatsführung – der, wenn er einmal begonnen wurde, ein ständiger Bestandteil davon werden sollte, wie ein Land international auftritt. Demnach wäre die einfache Antwort: „für immer“. Aber, dass Sie von „Investieren“ sprechen suggeriert, dass es um Geld geht. Viel von dem, was ich empfehle hat nichts mit Geld zu tun. Es geht hier nicht darum, Kampagnen abzuwickeln, daher gibt es keine riesigen Medienbudgets. Es geht hauptsächlich darum, neue Wege für die Organisation des österreichischen internationalen Auftritts und eine neue Herangehensweise an internationale Beziehungen, Diplomatie, Handel und Tourismusförderung zu finden.
Sie beschreiben Competitive Identity Management in ihren Büchern als friedliches und humanistisches Modell der Internationalen Beziehungen und als etwas, das der Zivilbevölkerung ein Mehr an Macht und Einfluss verleiht. Wie kann man das verstehen?
Das basiert darauf, was Joseph Nye „Soft Power“ genannt hat, das ist die Macht der Anziehungskraft anstelle der Macht durch Androhung von Gewalt oder Sanktionen. Sich mittels Kultur, Auslandshilfe, Handel, Bildung und Ideen zu behaupten ist für Österreich und den Großteil der Länder, die mit militärischer oder wirtschaftlicher Macht nicht besonders weit kommen, das einzig verfügbare Modell. Anstatt andere Länder dazu zu zwingen, sich gemäß seinen eigenen nationalen Interessen zu verhalten, findet man gemeinsame Gründe dafür, sich so zu verhalten, dass beide davon profitieren.
Regierungen geben immer mehr Geld für Nation Branding Bemühungen aus. Glauben Sie, es ist auch für ein Entwicklungsland, das Grundbedürfnisse, wie jene nach Nahrung und medizinischer Versorgung hat, sinnvoll, Geld in Nation Branding zu investieren?
Das hängt ganz davon ab, wofür sie das Geld ausgeben und wie viel. Wenn sie Geld für Werbung, Logos und Öffentlichkeitsarbeit ausgeben, ist es meistens Geldverschwendung, außer es wird für ganz spezifische und richtig geplante Tourismus- oder Exportförderung verwendet. Aber es ist für ein Entwicklungsland absolut unerlässlich, seine eigene Reputation in die Hand zu nehmen, wenn es sich über die Abhängigkeit von Hilfeleistungen hinaus entwickeln soll. Und wenn das durch aufgeklärte politische Maßnahmen und effektive Strategien und Koordination zwischen Regierung, Industrie und Zivilbevölkerung geschieht, sollte das nicht sehr viel Geld kosten und wird wahrscheinlich weitaus mehr bewirken.
Sie schreiben, dass sich Place Branding, zu dem Nation Branding zählt, auf den Prinzipien von „Wettbewerb, Verbraucherwahl und der Macht des Konsumenten“ begründet und daher „Freiheit“ und „die Macht des Individuums“ fördere. Glauben Sie, es besteht das Risiko, dass Regierungen oder politische Eliten Nation Branding Projekte für ihre eigenen Zwecke instrumentalisieren, indem sie beispielsweise die nationale Identität gemäß ihren eigenen Vorstellungen manipulieren und auf diese Weise Demokratie untergraben und eine Art Social Engineering betreiben?
Das können sie natürlich versuchen, aber da Veränderungen im internationalen Status eines Landes von realen Veränderungen im Verhalten dieses Landes kommen, wäre es für eine Regierung sehr schwierig, dies ohne die Zustimmung und Teilnahme von Unternehmen, der Zivilgesellschaft und der Bevölkerung im allgemeinen zu erreichen. Man kann die Identität einer Nation nicht „manipulieren“, oder um es anders auszudrücken, einen Eindruck in den Köpfen der Menschen kreieren, der nicht der Realität entspricht. Das wäre Propaganda, die auf internationaler Ebene nicht funktioniert. Propaganda ist nur dann möglich, wenn man alle Kommunikationskanäle kontrollieren kann, die das jeweilige „Publikum“ erreichen und das ist schon in komplett geschlossenen Gesellschaften schwierig genug, ganz zu schweigen von der Welt globalisierter Kommunikation und Medien, in der wir heute leben.
Haben Sie so etwas schon einmal beobachtet?
Ja, ich habe schon oft Regierungen beobachtet, die versucht haben, das zu tun, aber ich habe noch nie eine gesehen, der es gelungen wäre. Werden Burma, Nordkorea und der Iran von uns geschätzt? Nicht von vielen, zumindest nicht im Westen und dennoch wenden alle diese Regierungen enorme Mengen von Geld und Bemühungen dafür auf, um, wie Sie es ausdrücken, „die nationale Identität gemäß ihren eigenen Vorstellungen zu manipulieren“.
In welchem politischen Kontext würden Sie sagen ist Nation Branding am meisten und in welchem am wenigsten sinnvoll?
Das hängt davon ab, was sie unter politschem Kontext verstehen. Totalitäre Staaten sind im Allgemeinen nicht sehr erfolgreich darin. Koalitionsregierungen und Föderationen machen es etwas schwieriger, Konsens zu erreichen. Monarchen sind immer nützlich, weil sie dazu neigen, langfristiger zu denken als gewählte Politiker und sie verleihen diesen Ländern auch eine Menge Glamour. Politische Stabilität ist unerlässlich, genau so wie reife und effektive öffentlich-private Partnerschaften. Obsessive Parteipolitik und Ideologien sind lästig und stehen ernsthaften Langzeitprojekten, wie diesen, im Wege.
Nation Branding wird beschuldigt, eine Art „kommerziellen Nationalismus“ hervorzubringen, in dem nationale Identität hinsichtlich neoliberaler Ideen neu interpretiert wird. Was halten sie davon?
Ich denke diese Sichtweise ist das Resultat davon, wenn jemand den Begriff „Nation Brand“ sehr wörtlich nimmt und annimmt, dass es eine Art Marketingübung sei, vielleicht weil man die falschen Bücher gelesen hat oder die richtigen nicht aufmerksam genug. Es besteht kein Zweifel daran, dass viele, wenn nicht die meisten der Werbe-, Marketing-, Branding- und PR-Agenturen, die von sich behaupten „Nation Branding“ zu praktizieren diesem Weg folgen. Und es ist in der Tat etwas ziemlich Hässliches an diesen Arten von kommerziellem Nationalismus. Glücklicherweise funktionieren sie nicht und verschwenden „lediglich“ ziemlich viel Steuergeld.
Das, worüber ich rede, ist nichts besonders Neues, und es ist ganz sicher nichts Böses und folgt auch keiner bestimmten Ideologie. Es erkennt einfach an, dass der Fortschritt und der Wohlstand von Ländern in der modernen Welt eng mit ihrem Ansehen zusammenhängt und dass dieses Ansehen allgemein der Realität entspricht, ob uns das nun gefällt oder auch nicht. Wenn ein Land ein besseres Ansehen möchte, muss es sich besser verhalten.
Jeder der meine Veröffentlichungen zu diesem Thema liest, wird wissen, dass mein Zugang mehr mit Corporate Social Responsibility, mit unternehmerischer Sozialverantwortung, als mit aggressivem Kapitalismus oder neoliberalen wirtschaftlichen Ambitionen zu tun hat. Länder – wie ich unzählige Male schon wiederholt habe – bekommen letztendlich den Ruf, den sie verdienen und wenn sie einen besseren Ruf möchten, müssen sie ihn sich verdienen, dadurch was sie machen und tun, und hauptsächlich durch ihren Beitrag für die Menschheit und den Planeten. Seit Jahren sage ich, dass es Ländern dann am besten geht, wenn sie Gutes tun und das ist kein Wunschdenken. Das ist einfach eine Beobachtung, die auf Recherche beruht. Die Länder, die als moralisch aktiv wahrgenommen, werden ausnahmslos auch am meisten geschätzt. Jene, die Geld dafür verschwenden, über ihre eigenen Vorzüge und Errungenschaften zu prahlen, werden im Allgemeinen ignoriert oder verachtet.
Zum Coverschwerpunkt Nation Branding inkl. Coverstory, Leitartikel, Golden Frame, Olympische Spiele London 2012, Logodesign, The Hobbit, usw. geht es hier: