Social Design tut der Vienna Design Week verdammt gut – und bindet sie noch stärker an die Stadt.
Die Vienna Design Week war zwar immer etwas kunstlastig, hat aber stets versucht, das ganze Spektrum von Design – von Industriedesign bis totales Experiment – abzudecken. Social Design gab es zwar auch schon in den vergangenen Jahren, aber der heurige Schwerpunkt ist natürlich etwas Besonderes. Und er tut dem Festival verdammt gut, denn er zeigt, dass Design eben nicht nur coole Lampen, neu interpretierte Handwerkskunst oder High-tech-Materialien bedeutet.
Unmögliches vs Mögliches
Ein wunderbares Beispiel dafür bietet der spanische Architekt Santiago Cirugeda, dessen Arbeit im Rahmen der Ausstellung „The Cuckoo Syndrome“ im Kunstraum Niederösterreich vorgestellt wird. Er machte sich nämlich gemeinsam mit Rechtsanwälten auf die Suche nach legalen Schlupflöchern, um den öffentlichen Raum ein wenig menschlicher nutzen zu können. Und so kam es, dass er eine Genehmigung erhielt, Abfallmulden aufzustellen, ohne dass die Behörden wussten, was er damit vorhat. Er ließ Wasser einfüllen, um die Mulde als Pool nutzen zu können. Oder er füllte sie mit Beton und stellte darauf Spielgeräte, damit die Kinder einen temporären Spielplatz haben. Eine verdammt gute Idee, die zwar in der Form wohl kaum eine Dauerlösung darstellt, aber darum geht es gar nicht. Sie erinnert an den wunderbaren Satz von Ingeborg Bachmann, der für viele derartige Projekte steht: Im Widerspiel des Unmöglichen mit dem Möglichen erweitern wir unsere Möglichkeiten.
Slow Printing
Man merkt schon: Es muss nicht immer ein neuer Entwurf sein, der den Designer zum Designer macht. Das Design-Duo Toledo i Dertschei ließ sich von einem Platz in Mexico-Stadt inspirieren, wo Schriftsetzer kleinformatige Drucke – wie Visitenkarten – vor Ort anfertigen. Am Brunnenmarkt sitzen Toledo i Dertschei nun selbst mit einer Boston-Handpresse und nehmen noch bis 6. Oktober kleine Aufträge entgegen. Slow Printing gewissermaßen. Eine Erinnerung daran, was Vervielfältigung bedeutet, wie viele Ressourcen wir heute verschwenden, wenn wir kostengünstig Mehrdrucke veranlassen und dann tausende Flyer, Magazine oder sonstwas womöglich ungelesen im Müll landen. Muss man wirklich jedem gleich seine Visitenkarte in die Hand drücken? Wer 50 Stück von Toledo i Dertschei bestellt, wird darüber nachdenken und ins Staunen geraten über die Schönheit der Lettern und die Haptik des Druckes (der hier seinem Namen noch gerecht wird). Als Bezahlung nehmen die beiden Designer übrigens nur Gegenleistungen an. Wer also fettes Geld hat, aber nicht mal ein Lächeln zu bieten hat, kriegt auch nichts.
Wurst für Muslime
Gleich um die Ecke hat man im Rahmen der Passionswege das oberösterreichische Studio March Gut mit dem Ottakringer Traditionsfleischhauer Karl Sterkl zusammengespannt. Keine Angst, es ist keine lustig geformte Designerwurst dabei herausgekommen. Die Designer haben sich einfach der „Brunnenviertler Wurst“ angenommen, die aus Kalb- und Rindfleisch gemacht wird und daher auch von den muslimischen Migranten gegessen werden darf, die im Brunnenviertel leben. Man erfand Rezepte, die die österreichische Wurst mit orientalischen Zutaten – vom Fladenbrot bis zu Yufka-Blättern – kombinieren, die Rezeptkarten liefern auch gleich einen lokalen Stadtplan, der anzeigt, wo man die einzelnen Lebensmittel kaufen kann. Das ganze Projekt hätte ebenso gut im neuen Format „Stadtarbeit“ stattfinden können. Designer als Rezepterfinder? Da erhält das Wort Rezept eine wunderbare Doppeldeutigkeit.
Die Vienna Design Week läuft noch bis 7. Oktober in verschiedenen Locations in Wien.