Was das Box Office zum kulturellen Erbe beiträgt. Und wem das Geld aus Förderungen zusteht.
»Has Hollywood murdered the movies?« fragte der US-Filmkritiker David Denby letztes Jahr im Politikmagazin The New Republic (das sich nach seiner N«eocon-Schlagseite wieder liberaler positioniert). Die Sorge, die David Denby formuliert, gilt nicht dem finanziellen Wohl der Filmbranche. Mit immer noch zumindest 30 Millionen Kinobesuchern wöchentlich lässt sich am US-Heimmarkt allein gutes Geld verdienen. Film primär als Geschäft gesehen ist es, was Denby problematisiert. Die Studios, hinter denen wiederum großteils multinationale Mischkonzerne stehen, werden aus Denbys Sicht zu »Mördern« der Kreativität und Pluralität im Kino. Ausdruckslose Filme und Aufmerksamkeitshype schließen dabei eine unheimliche Allianz. Statt Narrative zu entgrenzen, filmische Erfahrungen zu schärfen, dem kulturellen Gedächtnis etwas hinzuzufügen, werden Filme konzipiert, deren Eindruck beim Zuschauer sich schon kurz nach dem Kinobesuch zerstäubt hat. War da was?
»Film ist …« – um hier Gustav Deutschs Kinozyklus antithetisch mit Denbys Worten kurzzuschließen – »die sinnlose Wiederholung von Filmen, die mit einem mächtigen Gebrüll von Publicity angeschwemmt werden und ein paar Wochen später mit Semi-Indifferenz abflauen. The Green Hornet? The Green Lantern? Habe ich wirklich beide gesehen?« Folgt man Denby, kann die Sorge um das Kino nicht von primär finanziellen Belangen angeleitet sein. Damit würde an dessen langsamer Abschaffung gearbeitet. Ihr Trägermedium wären symbolhaft die Multiplex-Komfortkinos, die Home Cinemas, beide technisch ausgefeilt, die ständig »neu geladen« werden müssen, weil sie den Betrachter nicht befeuern. Natürlich gibt es in den USA keinen geförderten Film, Europa ist aus dieser Perspektive tatsächlich »kommunistisch«, wie Ex-Gouvernator Schwarzenegger einmal über die höhere staatliche Verteilungspräsenz urteilte. Das schützt aber auch bekannte Regisseure nicht davor, oft drei, fünf, sieben Jahre lang auf die Finanziers für den nächsten Film zu warten. Aus Denbys Sicht liegt das daran, dass die Kohle eben für formelhafte Filme gebunden ist. So entstünden immer neue Variationen der gleichen, erfolgsversprechenden Geschichten. Jene, die tatsächlich Erfolg bringen, legitimieren diese Kreisläufe und stärken die Ausgrenzung von alternativen Formen, oder wie immer man Filme wie »The Master« von Paul Thomas Anderson oder Kelly Reichardts »Meek’s Cutoff«, die neben dem Studiosystem entstehen, bezeichnen will.
Aber auch in Europa bestimmt die Suche nach kommerziellen Erfolgen trotz staatlicher Filmförderung das Ringen um Mittel mit eher kleinen, randständigen, kreativen Formen. Wem steht das Geld zu? Jenen Produktionen, die ein großes Publikum versprechen? Oder jenen, die eher kleine, qualifizierte Öffentlichkeiten herstellen? Selbst wenn die Förderer Druck verspüren sollten – im Sinn des »mächtigen Gebrülls«, wie Denby meint –, haben sie doch die Aufgabe, ein ausgewogenes Filmschaffen zu ermöglichen. Dass der Marktanteil nationaler Produktionen daheim (in Österreich ist er einstellig) allerdings finanzielle, nicht aber filmkulturelle Signifikanz hat, wird deutlich, wenn man auf das viel gerühmte dänische Filmmodell blickt. Bei 17 Prozent Marktanteil ruft man dort bereits Krise! Dänische Filme erreichen nicht selten bis zu 500.000 Kinobesucher. Welche Heimmacht – das allerdings mit Komödien, Komödien und abermals Komödien. In einer hat die Mutter mit dem Sohn lustige Probleme (»Max Embarrassing 2«), in einer anderen die Mutter mit der Tochter (»Frit fald«). Was wäre verloren, wenn es diese Art der Top-Scorer nicht gäbe? Nicht viel. Auch in Österreich würde es nicht weiter auffallen. Im Fall von Lars von Trier dagegen schon, hat er doch eine universelle und unverwechselbare Filmsprache entwickelt. Dabei hatte der mit »Melancholia« am Heimmarkt gerade einmal 60.000 Besucher. Krise?