Stronach, Neos, Piraten – im Superwahljahr betreten neue politische Gruppierungen österreichweit die Bühne. Welches Design sich die Gruppen verpasst haben, verrät einiges.
Was hat Design mit Politik zu tun? Mehr, als manchem lieb oder bewusst ist. Dass Wolfgang Schüssel einst als Kanzler die damals lächerliche Fliege gegen die seriöse Krawatte getauscht hat, war ebenso kein Zufall wie das absurde Möbel, das die schwarzblaue Koalition für das Pressefoyer nach dem Ministerrat anfertigen ließ: Ein Monstrum, ähnlich einer Schutzmauer, hinter der sich der kleine Kanzler mit seinem FPÖ-Vize (war es Gorbach oder Riess-Passer? Egal!) verschanzte.
Am sichtbarsten ist das Wechselspiel von Design und Politik im grafischen Bereich, sei es auf Plakaten oder im Web. Allerdings finden nur wenige Beispiele Eingang in den Designkanon (das Erlöserporträt Barack Obamas war in jüngster Zeit die prominente Ausnahme). Das hat wohl damit zu tun, dass grafische Identität und Wahlwerbung der meisten Parteien so aufregend ist wie Waschmittelwerbung. Während die Regierungsparteien vor lauter staatsmännischer Inszenierung inklusive Wohlfühlfarben fast austauschbar geworden sind, setzt die FPÖ noch immer auf ihren bewährten, von Haider erfundenen Look: Der Schriftenmix auf den freiheitlichen Plakaten spiegelt jene Mixtur aus kruden Ideen, die für die größte Oppositionspartei typisch ist. Beim unbefleckten weißen Hemd von Strache & Gudenus (derzeit in Wien zu sehen) sind wir wieder beim Waschmittel. Und die Grünen? Sind sicherlich meist grafisch interessanter, sollen hier aber nicht das Thema sein. Denn das Superwahljahr bringt nicht nur das Altbekannte, sondern gleich drei neue Wahlgruppierungen.
Ungreifbarer Fränk
Beginnen wir also beim Hoffnungsträger Frank Stronach. Wie wird er inszeniert? Welches Image vermitteln seine Wahlplakate oder die Website des »Teams«? Die jüngsten Inserate (u. a. in der Kronen-Zeitung) zur Landtagswahl in Niederösterreich erinnerten gestalterisch ziemlich an die FPÖ, allein schon aufgrund ihres Schriftenwildwuchses und der vielen Botschaften (»Erwin Pröll! Sei ein Mann und keine Feigling! Trau Dich mit mir öffentlich über die Zukunft Niederösterreichs zu diskutieren! Vor der Wahl – nicht nach der Wahl. Darum Frank. Der Wirtschaftsmann mit sozialem Gewissen. Wahrheit – Transparenz – Fairness. Team Frank Stronach«). Beim Webauftritt schaut das Ganze schon wesentlich staatsmännischer aus, sofort lächelt einem die Hauptperson entgegen, im Hintergrund das unvermeidliche Rot-Weiß-Rot. Das erinnert natürlich sofort an SPÖ und ÖVP, wie Uta Rußmann anmerkt, Professorin für Strategisches Kommunikationsmanagement und Neue Medien an der FH Wien und Expertin für Onlinekommunikation in der Politik. »Die Website hat klare Linien, sieht professionell aus, aber als innovativ würde ich sie keinesfalls bezeichnen. Die meisten Leute würden sie sofort als Seite einer Partei erkennen, andererseits erinnert sie auch ein bisschen an eine Unternehmensseite.« In Sachen Kommunikationsdesign sei es erstaunlich, dass hier das vielzitierte Web 2.0 nur in rudimentären Ansätzen zu erkennen sei: Mitdiskutieren und mitgestalten? Fehlanzeige. Ein ähnliches Bild ergibt sich auf Facebook. »Stronach hat zwar viele Freunde, es gibt viele, auch negative Kommentare, aber die Diskussion wird vom Team selbst nicht aufgenommen.« Außerdem habe man beim Twitter-Auftritt das grafisch Mögliche bei Weitem nicht ausgeschöpft, um die Corporate Identity rüberzubringen. Vielleicht ist man bei der bunt zusammengewürfelten Truppe des Austrokanadiers mit Wichtigerem beschäftigt. Eine The Gap-Anfrage zum grafischen Auftritt blieb jedenfalls unbeantwortet.
Der lange Weg zum Logo der Neos
Schade, denn es wäre interessant gewesen zu erfahren, warum man sich etwa keine eindeutige Parteifarbe zugelegt hat. Womit wir schon bei einem besonders heiklen Punkt sind, der jeden neuen politischen Mitbewerber betrifft: Die meisten Farben sind schon vergeben, die verbliebenen heikel. Bestes Beispiel ist das Pink der Neos. Dazu Stefan Friedl von der Agentur Qarante, der bei der grafischen Gestaltung federführend war: »Lila ist Piraten, Gelb ist liberal, viel ist nicht über. Wir sind klein und unbekannt, wir brauchen eine Farbe, die nach Aufmerksamkeit kreischt und noch nicht besetzt ist. Wir haben gefunden: Die Stimmen, die nur durch die Farbe verloren gehen, sind ohnehin nicht unsere Stimmen.« Intern dürfte die Diskussion um die Farbe durchaus heftig gewesen sein, die Sicht der Kritiker teilt auch Kommunikationsfachfrau Uta Rußmann: »Ich habe zwar keine wissenschaftlichen Studien dazu gemacht, aber Pink ist wohl nicht gerade die Farbe, die man mit politischer Seriosität verbindet, sondern – ob man will oder nicht – mit Mädchenspielzeug und dem rosa Schweinchen, das man ja auch auf der Facebook-Seite der Neos findet.«
In der »Taskforce Kommunikation« der Neos wurde laut Designer Friedl auch anderes heftig diskutiert, so etwa der Parteiname oder das Logo. Letzteres sei zunächst rund und bunt gewesen, als Symbol für die »neu gebildete Gruppe aus verschiedenen Teilen der Gesellschaft«. Der darauf folgende Kompromissvorschlag sei – so der Grafikdesigner – »wirklich übel« gewesen. »Gleichzeitig fummelten alle an Logoentwürfen herum, alles was kam, war zu trendy, zu verschachtelt, zu bunt, zu filigran.« Schließlich brachte jemand die Variante mit dem »O« als Sprechblase ins Spiel, und das war’s schließlich. Bis dahin sei es aber ein durchaus mühsamer Weg gewesen, so Friedl. »Ein Logo ist halt demokratisch ein Wahnsinn.«
Wasserwelt-Piraten
Wenn dem so ist, dann haben möglicherweise auch die Piraten einiges durchmachen müssen, stehen sie doch für das, was bei den Grünen einst als Basisdemokratie »erfunden« wurde und von den Piraten als Liquid Democracy bezeichnet wird. Doch Christopher Clay, einer der fünf Bundesvorstände der Gruppierung, winkt ab: »Was die Piraten demokratisch festlegen, sind grundsätzliche Entscheidungen, nicht jede einzelne Kommunikationsmaßnahme. Bei den Piraten tragen viele, darunter auch professionelle Grafiker, zur Entwicklung des Auftrittes bei.« Logisch war die grafische Umsetzung von »nautischen Metaphern«, etwa Schiff und Sonne, kombiniert mit einer modernen Schrift, um Zukunftstauglichkeit zu untermauern. »Was wir auf jeden Fall vermeiden werden, ist ein Design, das sich auf Gesichter von Personen konzentriert. Die Piraten werden immer ihre Themen in den Mittelpunkt stellen, das ist einer der wesentlichen Unterschiede zu anderen Parteien«, so Clay. Auf der Website der Piraten findet man daher auch viel Text, aber keine Köpfe, dafür viel Violett – die Farbe, die schon die erste Piratenpartei in Schweden 2006 verwendet hat. Wohlgemerkt: Es gibt in anderen Ländern auch Abweichungen, die deutschen Piraten präsentieren sich in Orange, aber das ist in Österreich bekanntlich bereits besetzt.
»Bei Piraten wie bei den Neos vermittelt sich mir auf der Website jedenfalls ein wenig der Eindruck des Selbstgestrickten«, meint Uta Rußmann. Immerhin würden zumindest die Piraten ihren Anspruch auf Partizipation glaubwürdig umsetzen, während man bei den Neos – ähnlich wie beim Team Stronach – gerade halt mal seine E-Mail hinterlassen könne. »Die Macht’s-mit-Attitüde setzen die Neos, im Unterschied zu den Piraten, zumindest im Web meines Erachtens nicht um.« Mit den immer wieder als Vorbild genommenen Obama-Kampagnen könnten sich die meisten politischen Gruppierungen im Übrigen ohnehin nicht messen, so Expertin Rußmann. Die Nutzung von Facebook, Twitter & Co habe in den USA einen anderen Stellenwert: »Da sitzen ganze Apparate dahinter. In Österreich gibt es dazu weder das Geld noch die Ressourcen.«